19 Jun fK 6/10 Abou-Dakn
Die Rolle des Vaters rund um die Geburt
Von Michael Abou-Dakn und Achim Wöckel
Für die „Natürlichkeit“ der Anwesenheit oder gar der Unterstützung durch Männer bei der Geburt finden sich weder bei Säugetieren noch bei Naturvölkern Beispiele. Bis zum Ende der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts wurden Geburten nur selten von Angehörigen, insbesondere vom Partner begleitet.
In den 1960er Jahren fanden sich jedoch dann in den westlichen Ländern die ersten Forderungen dieser Art. Aus dieser Zeit stammen auch die ersten Publikationen zur Väterbegleitung im Kreißsaal. So wurde propagiert, dass der Ehemann der ideale Begleiter unter der Geburt sei: „Selbst wenn er nicht mehr machen kann, als ihre Hand zu halten, ist die Gebärende besser unterstützt als andere Frauen früher“ (Goodman, 1964).
In dieser Zeit hat auch der beginnende Feminismus dazu beigetragen, dass Frauen die Männer als Begleiter und Unterstützer in dieser besonderen Lebenslage, so Alice Schwarzer „dabei haben wollten“ (Schwarzer 2010). Mit diesem auch in Deutschland einsetzenden Trendwandel wurde dem Partner zunächst vor allem die Funktion der psychischen Unterstützung zugeschrieben. Einerseits konnte damit eine essentielle Betreuungslücke geschlossen, andererseits aber auch ein psychosomatisch ausgerichtetes Konzept der sicheren familien-orientierten Klinik-Geburtshilfe entwickelt werden (Kentenich et al., 1994). Die primär unterstützende Rolle des werdenden Vaters wurde durch die Partnerin auch als wichtiger Faktor für das Geburtserlebnis erachtet und in ersten qualitativen Befragungen positiv bewertet (Fein, 1976).
Nach dieser zunächst eher passiven Begleiterfunktion wurden in den 1970er Jahren zunehmend aktivere Väter in den Kreißsälen gefordert. Parallel zu diesem Wandel ließ sich eine verstärkte Übernahme von Verantwortung der Väter bei der kindlichen Erziehung registrieren. Neben der Geburtsbegleitung war in den 1980er und 1990er Jahren erstmals die Begleitung der Partnerin zu Geburtsvorbereitungskursen in Form von Partnerkursen möglich.
Bis heute wird dieses Rollenverständnis akzeptiert und eine frühzeitige Förderung der Vaterschaft sogar gesellschafts- und familienpolitisch, z. B. durch Einführen der „Vätermonate“, weiter gefördert. Auf der anderen Seite ist von ersten Studien aus den 1980er Jahren bekannt, dass diese geforderte Einbindung und vor allem die Geburtsbegleitung von den Vätern häufig als stressbehaftet empfunden wird und die Rollendefinition weiter unklar bleibt. Die von den Männern erlebte Unfähigkeit, der Partnerin nachhaltig helfen zu können, wird hierfür als Hauptgrund diskutiert (David und Kentenich, 1993). Trotzdem wird zunächst eher vermutet, dass sich eine stärkere Einbeziehung vorteilhaft auf das Geburtserlebnis des Paares, den Geburtsverlauf, die geburtshilfliche Interventionsrate sowie nachhaltig auf ein stabiles Mutter-Vater-Kind-Bonding auswirkt. Eine systematische Untersuchung zum Nachweis dieser vorteilhaften Effekte stand jedoch aus.
In einer solchen systematischen Übersichtsarbeit konnten wir zeigen, dass von insgesamt 624 Publikationen, die zwischen 1975 bis 2008 publiziert wurden, nur wenige evidenzbasierte Aussagen höheren Niveaus zur Rolle des Vaters gemacht werden (Wöckel, Abou-Dakn 2009). Zu den Vor- bzw. Nachteilen der Väterbegleitung im Kreißsaal in Bezug auf die Geburtszufriedenheit, den Geburtsverlauf oder die Paardynamik ließen sich für den festgelegten Recherchezeitraum lediglich sieben Studien identifizieren, welche den Einschlusskriterien entsprachen. Dass eine allgemeine Unterstützung und Begleitung der Gebärenden durchaus positive Auswirkungen auf Sectiorate, Geburtsdauer, Häufigkeit eines Vakuum- oder Forzepseinsatzes und auf die Zufriedenheit mit dem Geburtserlebnis haben kann, wurde bereits in einer hochwertigen systematischen Cochrane-Analyse gezeigt (Hodnett et al., 2002). Dabei wurde jedoch nicht stringent zwischen Vätern und anderen Begleitpersonen unterschieden.
Ein wesentlicher Faktor für die Paarzufriedenheit mit der Geburtssituation ist die „begleitungsspezifische“ Geburtsvorbereitung und eine klare Rollen- bzw. Funktionsdefinition der werdenden Väter für die Kreißsaalsituation. Es sollten daher zunehmend „Väter spezifische Geburtsvorbereitungen“ angeboten werden (Wöckel A., Abou-Dakn M. 2007).
Vor- oder nachteilhafte Effekte auf Geburtsdauer, Schmerzmittelverbrauch und geburtsmedizinische Interventionsrate aufgrund der Begleitung durch den Partner sind durch die Datenlage nicht eindeutig beweisbar. Weiterhin konnte keine Vergleichsstudie identifiziert werden, welche beispielsweise systematisch einen Einfluss auf den Geburtsverlauf, eine Änderung der Komplikationsrate oder einen Einfluss auf das geburtshilfliche Outcome durch die Anwesenheit des Partners beschreiben würde. Auch Aussagen zur weiteren Paarentwicklung und Sexualität konnten aufgrund fehlender Langzeitdaten den Arbeiten nicht entnommen werden. Ein eindeutiges und zusammenfassendes Ergebnis zu den Vor- und Nachteilen lässt sich bei der Gegenüberstellung dieser Untersuchungen daher nicht ableiten. Die Stärkung der Frau im Sinne der Salutogenese scheint somit die wichtigste Rolle des werdenden Vaters zu sein.
Die Erwartungen der Schwangeren an den Partner hinsichtlich der bevorstehenden Geburt betreffen die psychische und aktive Unterstützung der Gebärenden. Ganz im Vordergrund beim werdenden Vaters steht der Wunsch, die Partnerin zu unterstützen und der Wunsch eines gemeinsamen Geburtserlebnisses sowie die Möglichkeit der sofortigen Kontaktaufnahme zwischen Vater und Neugeborenem (Wielgus et al., 2007).
Auch auf Probleme auf der Beziehungsebene sei hingewiesen. Der Vater ist als „Unterstützer“ im Kreißsaal selbst emotional stark beteiligt und in der Regel auf die Situation nicht ausreichend vorbereitet. Er bräuchte also eigentlich selbst Beistand in der Geburtssituation. Zusätzlich können latente oder offene Spannungen in der Paarbeziehung es erschweren, Unterstützung zu geben oder anzunehmen (David und Kentenich, 2008). Aus einigen präpartalen Befragungen ist bekannt, dass die Paare selbst nur in einem sehr geringen Anteil davon ausgehen, dass die Anwesenheit des Vaters im Kreißsaal überhaupt einen Effekt auf die weitere Beziehung hat (Szeverenyi et al., 1998).
Ein abschließender wissenschaftlich klarer Beleg zur Nutzen- und Risikobewertung der Väterbegleitung im Kreißsaal steht also aus methodologischer Sicht weiterhin aus. Dennoch ergibt sich bei der kritischen Zusammenfassung der aktuell identifizierten Daten, dass die Geburtsbegleitung im Kreißsaal durch den Partner sinnvoll sein kann: Spezifische Geburtsvorbereitungskurse bzw. Informationen zum Geburtsverlauf für den werdenden Vater können die Zufriedenheit des Geburtserlebnisses beider Partner erhöhen. Zusätzlich scheint es, dass eine Optimierung der Rollendefinition und das Angebot einer eigenen (informativen oder personellen) Unterstützung für den Mann die Interventionsrate im Kreißsaal senken können.
Hinsichtlich der Unterstützung der Frau im Wochenbett ist die Rolle des Vaters etwas klarer, so beeinflusst die Einstellung des Vaters massiv den Wunsch, mit dem Stillen anzufangen oder auch nicht. Frauen, die trotz negativer Einstellung des Partners mit der Stillbeziehung beginnen – bei einem rund 22fach höherem Risiko primär abzustillen – haben nach vier Monaten ein 2,36fach höheres Risiko sekundär abzustillen (Kohlhuber et al., 2009). Die Einstellung zum Stillen wird insbesondere in bildungsfernen Schichten sehr deutlich vom Partner beeinflusst. Auch das Rauchverhalten des Partners wird gerne von der Mutter übernommen.
Daraus ergibt sich, dass die Väter frühzeitig in gesundheitliche Überlegungen und Präventionsmaßnahmen einbezogen werden sollten. Zu selten wird zum Beispiel nach dem Rauchverhalten oder der Einstellung des Partners gefragt. Im Rahmen von Geburtsvorbereitungskursen sollten auch die Männer über die Nachteile des Nicht-Stillens informiert werden.
Wie wir in unserer eigenen Untersuchung zeigen konnten, lässt sich die Einstellung des Vaters aber durch gezielte Schulungen verändern. Wenn die Väter in speziellen Kursen zu Themen des Stillens aber auch hinsichtlich der Stillprobleme in nur wenigen Stunden geschult wurden, veränderte sich die Bereitschaft der Frauen zu stillen und die Stilldauer. Männer sind in der Wochenbetttphase offen für gesundheitliche Themen und sind bereiter, auch ihr eigenes Verhalten zu überdenken (Wöckel und Abou-Dakn 2009). Daher empfehlen wir, die Väter im Rahmen von Familienzimmern auf der Wochenbettstation zu integrieren. Die Begleitung durch das Wochenbettpersonal sollte strukturiert auf den Vater eingehen und gesundheitliche Aspekte wie eine möglichst lange Stilldauer, Rauchentwöhnung und andere Themen auch an die Väter weitergeben. Hierzu müssen Themen im Personal diskutiert und gegegbenenfalls mit Medizinpädagogen umgesetzt werden.
Die Literaturangaben sind über die Geschäftsstelle erhältlich.
Dr. Michael Abou-Dakn ist Chefarzt der Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe im St. Joseph Krankenhaus in Berlin.
PD Dr. Achim Wöckel ist Oberarzt an der Universitätsfrauenklinik in Ulm.
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