fK 6/08 Kinderrechte aktuell

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Kinder sind von Beginn an Subjekte und Träger eigener unveräußerlicher Rechte: dies ist die Kernaussage des Übereinkommens über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention), das erstmals in der Geschichte der Menschheit weltweit Menschenrechte für Kinder verbindlich formuliert. Für die Vertragsstaaten der UN-Kinderrechtskonvention ergibt sich daraus die Verpflichtung, die in der Konvention niedergelegten Rechte innerstaatlich umzusetzen. Die mit Kindern und für Kinder tätigen Verbände der Zivilgesellschaft stehen vor der Herausforderung, ihre Konzepte und Programme an den Kinderrechten zu orientieren. Ein solcher Kinderrechtsansatz (Child Rights based Approach) ist ein zentraler Bestandteil guter Qualität in der verbandlichen Arbeit.

Der Kinderrechtsansatz in der verbandlichen Arbeit
Kindernothilfe legt Konzept vor

Die Kindernothilfe mit Sitz in Duisburg ist eine Organisation der Entwicklungszusammenarbeit, die sich weltweit für Kinder und deren Rechte einsetzt. Anlässlich des Weltkindertages am 20. September 2008 hat der Verband das Konzept „Der Kinderrechtsansatz in der In- und Auslandsarbeit der Kindernothilfe“ vorgelegt. Ziel des neuen Konzepts ist es, einen Kinderrechtsansatz in der Inlands- und Auslandsprogrammatik des Verbandes einzuführen und umzusetzen. Im Folgenden dokumentieren wir die Kernelemente des Konzepts.

Bezugsrahmen UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes
Die UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK) enthält 54 Artikel, die in drei Gruppen eingeteilt werden können: Schutzrechte, Förderrechte und Beteiligungsrechte. Sie werden auch die drei „P“`s genannt, vom Englischen abgeleitet: protection, provision und participation.

Protection: Schutzrechte vor Gewalt, Missbrauch und Vernachlässigung, das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung und das Recht auf Leben (u. a. Art. 6, 8, 19, 32, 33, 34).
Provision: Förderrechte auf bestmögliche Gesundheit und soziale Sicherung, auf Bildung und Freizeit (u. a. Art. 24, 25, 26, 27, 28). Participation: Rechte, die die Subjektstellung des Kindes betonen, wie Mitwirkungs-, Anhörungs- und Beteiligungsrechte in allen Kinder betreffenden Angelegenheiten (u. a. Art. 12, 13).

Über allem steht der Grundsatz aus Artikel 3 der UN-KRK, dass das Wohl des Kindes „bei allen Maßnahmen, die Kinder betreffen, gleichviel ob sie von öffentlichen oder privaten Einrichtungen der sozialen Fürsorge, Gerichten, Verwaltungsbehörden oder Gesetzgebungsorganen getroffen werden, (…) vorrangig zu berücksichtigen ist“. In diesem Artikel ist das Grundprinzip der gesamten Konvention normiert. Hiermit wird ausgedrückt, dass das Kind als Subjekt der Völkerrechtsordnung anerkannt wird. Mit Artikel 3 werden alle weiteren Artikel der Konvention konkretisiert (vgl. Lorz, Alexander: Der Vorrang des Kindeswohls nach Art. 3 der UN-Kinderrechtskonvention in der deutschen Rechtsordnung, National Coalition 2003).

Als weitere grundlegende Prinzipien der KRK gelten:
(1) das Grundrecht auf Überleben und persönliche Entwicklung (Art. 6), (2) das Prinzip der Gleichbehandlung (Art. 2), (3) die Verwirklichung der Kinderrechte (Art. 4), (4) die Achtung vor der Meinung des Kindes (Art. 12).

Definition des Kinderrechtsansatzes für die Kindernothilfe
Kinder sind eigenständige Persönlichkeiten und Träger von Menschenrechten. Die Verwirklichung ihrer in der KRK normierten Schutz-, Förder- und Beteiligungsrechte ist das Ziel der Arbeit der Kindernothilfe. Daher beteiligen sich die Kinder aktiv an Planung, Durchführung und Evaluation von Kind bezogenen Aktivitäten und Projekten, um ihre Rechte einzufordern.

Perspektivwechsel
Mit der Einführung des Kinderrechtsansatzes wird der Blick geweitet und die Haltung gegenüber Kindern verändert. Armutssituationen werden nicht mehr nur aus der Sicht von menschlichen Bedürfnissen und Entwicklungsdefiziten gesehen, sondern als Folge von ungerechten Strukturen interpretiert. Kinder sind in diesem Zusammenhang eigenständige Persönlichkeiten mit Rechten, die sie einfordern können. Die Kindernothilfe setzt sich für die Einhaltung und Verwirklichung dieser Rechte ein. Ziel ihrer Arbeit ist es, Bedingungen zu schaffen, damit junge Menschen befähigt werden, ihre Rechte wahrzunehmen und ihre eigene Zukunft aktiv mitzugestalten.

Mehrwert des Kinderrechtsansatzes
Mit der UN-KRK liegt ein international gültiges Menschenrechtsübereinkommen vor, das von 193 Staaten (Stand August 2008) als gemeinsame Wertebasis und Handlungsgrundlage akzeptiert wird. Dieser Konsens ist sowohl für die Arbeit der Kindernothilfe als auch für die ihrer Partner bedeutend. Nicht nur wir, sondern auch unsere Partner können sich in ihren Forderungen an die Regierungen darauf beziehen, und politisches Handeln muss sich an der KRK messen lassen.

Der Kinderrechtsansatz
– versteht Kinder als eigenständige Persönlichkeiten und stärkt sie darin, sich für ihre Rechte einzusetzen und sie einzufordern;
– trägt dazu bei, dass Kinder, die spezifischen Risiken ausgesetzt sind und deren Rechte alltäglich und systematisch verletzt werden, stärker in den Blick genommen werden (children at risk);
– trägt dazu bei, lokale Organisationen, Gemeinschaften und Gruppen zu stärken, weil das Rechtsbewusstsein zunimmt;
– ist ein essentieller Schritt, um von der aktuellen Beseitigung von Not zur Nachhaltigkeit der Hilfe zu gelangen. Nachhaltigkeit wird dadurch erreicht, dass Kinder sich aktiv an der Schaffung von gerechten Strukturen beteiligen, die auch zukünftig Bestand haben;
– ist mit dem Grundprinzip, Kinder an allen sie betreffenden Angelegenheiten zu beteiligen, in doppeltem Sinne nachhaltig. Er stärkt Kinder nicht nur in ihrer gegenwärtigen Situation, sondern bereitet sie auch auf ihre Rolle als Erwachsene vor. Damit unterstützt der Kinderrechtsansatz auch die Demokratieförderung eines Landes.

Umsetzung
Die Einführung und Umsetzung des Kinderrechtsansatzes in die Inlands- und Auslandsarbeit der Kindernothilfe ist ein offener, über mehrere Jahre angelegter Lernprozess. Voraussetzung dafür ist, dass es ein mit allen Beteiligten abgestimmtes Verständnis über den Kinderrechtsansatz gibt und dass gemeinsam geeignete Methoden und Instrumente für die Umsetzungsebene diskutiert werden. Entscheidend ist, dass der Ansatz zur Querschnittsaufgabe (mainstreaming) wird.

Das gesamte Konzept steht zum Download bereit unter: www.kindernothilfe.de

Quelle: Der Kinderrechtsansatz in der In- und Auslandsarbeit der Kindernothilfe, Duisburg 2008, S.5

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