fK 6/05 Gorholt

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Grußwort von Martin Gorholt
Staatssekretär im Ministerium für Bildung, Jugend und Sport des Landes Brandenburg

Der 1. Mai 2004 ist ein bedeutendes historisches Datum. Zwischen Deutschland und Polen, aber auch zwischen dem Land Brandenburg und den angrenzenden und weiteren Woiwodschaften sind an diesem Tag fast alle noch verbliebenen administrativen Hindernisse verschwunden. Polen und Deutsche leben gemeinsam als Bürgerinnen und Bürger des einen großen europäischen Gemeinwesens – gleichberechtigte Nachbarn im europäischen Haus und unter einem gemeinsamen Dach: frei, einig, friedlich – eine großartige Errungenschaft und eine großartige Perspektive für unsere beiden Völker.

Nicht einmal 1.000 Tage sind das her. Wir stehen noch am Anfang der weiteren Ausgestaltung: Erst wenig Zeit für ein Haus, das mit Leben erfüllt werden soll, ist vergangen. Diese Fachtagung ist ein weiterer wichtiger Beitrag, dieses gemeinsame Haus zu gestalten, das Verbindende zu erkennen, das Trennende zu überwinden und die nebeneinanderliegenden Räume mit Leben zu füllen. Das heißt zuerst, sich kennen und verstehen zu lernen, um aufeinander zugehen zu können. An die Tür eines Menschen, den man kennt, klopft es sich leichter an.

Diese Fachtagung setzt bei der Generation an, der die Zukunft gehört und die deshalb ein großes Interesse daran hat, dass das Projekt Europa gelingt und für alle Seiten von großem Nutzen ist. Eine Zukunft, die die Vergangenheit nicht vergisst, aber weit hinter sich lässt, Vorurteile ausräumt und entdecken hilft, was gute Nachbarschaft bedeuten kann – der Grundstein dazu ist gelegt; die Weiterarbeit ist erforderlich.

Wenn wir über Kinder sprechen, dann sprechen wir zugleich über nicht weniger als die Zukunft unserer Gesellschaften insgesamt – und wenn wir über die Zukunft unserer Gesellschaften sprechen, dann sprechen wir über unsere Kinder. Über ihr Wohlergehen. Über ihre Bildungschancen. Über ihre Lebensperspektiven.

Wer seine Ziele klar benennen kann, wird auch die geeigneten Mittel finden, um diese Ziele zu erreichen. Die ehrliche und unvoreingenommene Bestandsaufnahme ist die Voraussetzung dafür, dass wir die Beziehungen zwischen den Bürgern Brandenburgs und den Bürgern Polens, zwischen Deutschen und Polen, in Zukunft noch weiter vertiefen und verbessern können. Aber ebenso klar ist: Die bestmöglichen Bedingungen für Kinder werden wir dann erreichen, wenn wir bereit sind, gerade auch von den Erfahrungen und Erkenntnissen unserer europäischen Nachbarn zu lernen. Jede Gelegenheit zum Austausch ist unter diesem Gesichtspunkt wichtig und willkommen, dass diese Konferenz zu diesem Thema zu dieser Zeit an diesem Ort stattfindet, begrüße ich daher ganz ausdrücklich.

Meinungsverschiedenheiten zwischen Deutschland und Polen können noch immer sehr schnell eine enorme symbolische Bedeutung gewinnen – eine Bedeutung, die dann weit über den eigentlichen Anlass hinausgeht und die sich selbst auf Bereiche unserer Beziehungen auswirkt, die im Grunde gar nicht betroffen sind. Lassen Sie es mich zugespitzt formulieren: Im Verhältnis zwischen Polen und Deutschland hat immer alles mit allem zu tun. Oder, um es in den Worten der Schriftstellerin Christa Wolf zu sagen: „Das Vergangene ist nicht tot; es ist nicht einmal vergangen.” Daran müssen wir denken, wenn es darum geht, den Weg in die gemeinsame Zukunft einzuschlagen. Denn Zukunft ohne Vergangenheit gibt es nicht. Das gilt für viele Lebensbereiche – für das deutsch-polnische Verhältnis gilt es ganz besonders.

Es wäre ein Irrtum zu glauben, der polnisch-deutsche Fachaustausch bedürfte nicht auch in den kommenden Jahren unserer gemeinsamen intensiven Aufmerksamkeit, ja er würde sich sozusagen ganz von selbst immer weiter entwickeln und verbessern. Wir dürfen uns hier keiner bequemen Illusion hingeben: Selbst die noch so gute und eingespielte Zusammenarbeit auf den Ebenen von Verwaltung und Politik wird dafür alleine kaum genügen. Und auch die Tatsache unserer gemeinsamen Mitgliedschaft in der Europäischen Union garantiert für sich genommen noch nicht, dass auf allen gesellschaftlichen Ebenen, insbesondere der Kinder- und Jugendpolitik, aus polnisch-deutscher Nachbarschaft vertrauensvolle Partnerschaft wird – und aus guter Partnerschaft immer mehr auch echte Gemeinschaft und Freundschaft.

Die länderübergreifende Zusammenarbeit will gestaltet sein. Ich denke: Wir sind auf gutem Weg. Diese Fachtagung leistet dazu einen wichtigen Beitrag.

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