fK 5/07 Höpflinger

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Beziehungen zwischen heranwachsenden Enkelkindern und ihren Großeltern

von François Höpflinger

Großeltern sind wichtige Angehörige und Bezugspersonen, so die häufige Annahme. Ob dies auch aus Sicht heranwachsender Enkelkinder der Fall ist, wird in diesem Beitrag untersucht. Empirische Grundlage ist eine 2004 durchgeführte Erhebung bei 658 zwölf- bis 16-jährigen Enkelkindern aus der Schweiz, die über ihre Beziehungen zu allen noch lebenden 1.759 Grosseltern befragt wurden. Ergänzt wurde die Erhebung durch Intensivinterviews bei ausgewählten Familien.

Familiendemografische Trends
Form und Häufigkeit intergenerationeller Beziehungen werden durch drei familiendemografische Größen bestimmt, die sich in den letzten Jahrzehnten deutlich verändert haben. So führt die heutige Langlebigkeit dazu, dass Enkel länger von Großeltern zu profitieren vermögen als die früher der Fall war. Heranwachsende Enkelkinder können oft von mehreren Großeltern profitieren, und nur wenige zwölf- bis 16-Jährige haben keine überlebenden Großeltern mehr. Die überwiegende Mehrheit kann auf zwei bis drei Großeltern zurückgreifen. Aufgrund der höheren Lebenserwartung von Frauen sind allerdings Großmütter noch häufiger vorhanden als Großväter. Die Kombination von erhöhter Lebenserwartung und geringer Geburtenrate führt auch dazu, dass in zunehmend mehr Familien die Zahl an Großeltern die Zahl an Enkelkindern übersteigt.

Zusätzlich zu den demografischen Veränderungen sind weitere Wandlungsprozesse für die Beziehung Enkelkindern ist selten geworden. In der Schweiz leben nur gut zwei Prozent der Großeltern mit Enkelkindern im gleichen Haushalt. Ein analog tiefer Wert (drei Prozent) wurde auch in Deutschland festgestellt. Vorherrschend ist heute eindeutig die so genannte ‚multilokale Mehrgenerationenfamilie‘, d.h. Familiengenerationen, die jeweils selbständig haushalten, und die dennoch – oder deswegen – gute gegenseitige Kontakte pflegen.

Zweitens hat sich die Scheidungshäufigkeit erhöht und mehr Kinder erfahren die Scheidung ihrer Eltern. Dies beeinflusst häufig auch die intergenerationellen Beziehungen, indem die Kontakte zu den Großeltern mütterlicherseits – solidaritätsbedingt – oft intensiver und enger werden, wogegen sich die Kontakte zu den Großeltern väterlicherseits häufiger reduzieren. Mit der erhöhten Scheidungshäufigkeit verbunden, haben sich auch Zahl und Anteil von Zweit- bzw. Fortsetzungsfamilien erhöht, wodurch der Anteil sozialer Großeltern an Bedeutung gewann. Daraus können sich komplexe Familienkonstellationen ergeben, namentlich wenn nicht nur die Eltern, sondern auch die Großeltern Zweit- oder Drittbeziehungen eingehen. Die Beziehungen zu sozialen Großeltern sind allerdings oftmals weniger intensiv als die Beziehungen zu den biologischen Großeltern, und teilweise zählen Kinder und Teenager ihre Stiefgroßeltern oder Zweitgroßeltern nicht zur Familie im eigentlichen Sinne.

Drittens führen internationale Migrationsprozesse vermehrt zu geographisch getrennten Generationen, und bereits jedes achte in Deutschland geborene Kind hat Eltern – und damit auch Großeltern – mit ausländischer Staatsangehörigkeit. In einigen Großstädten haben bereits zwei Fünftel der Kinder und Jugendlichen einen Migrationshintergrund. Ein Resultat internationaler Migration sind oft geographisch weit entfernt wohnende Großeltern. So leben in der Schweiz – wo mehr als zwei Fünftel (44 Prozent) der Generationenerneuerung einen direkten Migrationshintergrund (ausländische Nationalität oder binationale Ehe) aufweist, 37 Prozent der Großeltern zwölf- bis16-jähriger Enkelkinder im Ausland. Die persönlichen Kontakte von Enkelkindern zu ausländischen Großeltern konzentrieren sich stark auf Ferien- und Feiertage. Zu ausländischen Großeltern wird mit deutlicher Mehrheit ein häufigerer Kontakt gewünscht. Zunehmend nutzen heranwachsende Enkelkinder allerdings moderne Kommunikationsformen wie Mobiltelefon oder E-Mail, um mit geografisch entfernten Großeltern zu kommunizieren.

Beurteilung der Großeltern aus Sicht heranwachsender Enkelkinder
Heranwachsende Enkelkinder betonen spontan am häufigsten moralisch-charakterliche Eigenschaften von Großeltern und affektive Nähe. Spezielle Kompetenzen oder Lebenserfahrung werden von Enkelkindern seltener angeführt. Die Großeltern werden von den heranwachsenden Enkelkindern zumeist sehr positiv beurteilt, und die jungen Enkelkinder stufen ihre Großeltern mehrheitlich als großzügig, liebevoll und gesellig ein. Sie werden gleichzeitig vielfach auch als humorvoll und tolerant eingestuft. Umgekehrt wird nur eine Minderheit der Großeltern von ihren Enkelkindern als streng, ungeduldig oder geizig eingestuft. Auch der Begriff ‘altmodisch’ gilt nach Ansicht der befragten Enkelkinder nur für eine Minderheit heutiger Großeltern. Es zeigt sich somit ein durchaus positives Eigenschaftsprofil heutiger Großeltern, und dies selbst aus der Sicht oft kritischer Heranwachsender.

Weitaus am häufigsten ist somit ein gefühlsorientiertes positives Großelternbild, das eng mit vorherrschenden familialen Vorstellungen idealer Großeltern in Verbindung steht (liebevoll-gesellige Großeltern). Nur in einer Minderheit der Fälle zeigen sich eher negative Beziehungsmuster, etwa in der Richtung von strengen und ungeduldigen Großeltern, die für nachkommende Generationen wenig Verständnis aufweisen (distanzierte Großeltern).

Zwischen der Kontakthäufigkeit und einem positiven Großelternbild ergibt sich erwartungsgemäß eine deutlich positive Beziehung: Enkelkinder, die ihre Großeltern als liebevoll, großzügig, gesellig, tolerant und humorvoll erleben, erwähnen mehr Kontakte und zwar sowohl bezüglich persönlicher wie telefonischer Kontakte. Das Alter der Großeltern ist für ihre Beurteilung wenig bedeutsam, und ältere Großeltern werden höchstens als weniger dynamisch und etwas altmodischer eingeschätzt als jüngere Großeltern. Sehr viel bedeutsamer als das Alter ist der Gesundheitszustand der jeweiligen Großeltern: Je gesünder Großeltern wahrgenommen werden, desto positiver werden sie eingeschätzt, wogegen eine schlechte gesundheitliche Situation zu einer distanzierteren Beurteilung führt. Gesunde Großeltern werden als liebevoller, großzügiger, geselliger, humorvoller sowie als dynamischer eingestuft, wogegen weniger gesunde Großeltern häufiger als ungeduldig, geizig und altmodisch beurteilt werden.

In jedem Fall zeigt sich das Muster, dass für Kinder und heranwachsende Jugendliche primär gesunde Großeltern wichtige und positive Bezugspersonen darstellen. Aktive Großelternschaft setzt hohe Gesundheit voraus, und dies gilt vor allem im Umgang mit heranwachsenden Enkelkindern, die sich selbst in einer oft schwierigen Lebensphase (Adoleszenz) befinden. Altersbedingte gesundheitliche Einschränkungen der Großeltern tragen eher zu mehr emotionaler Distanz bei. Tatsächlich kann die Generationendifferenz zur Jugend am ehesten durch gesunde Großeltern überwunden werden, wogegen gesundheitliche und funktionale Einschränkungen der älteren Generation die Generationendifferenzen zusätzlich verstärken können.

Bedeutung der Großeltern als Bezugspersonen
Wenn Kinder und Jugendliche nach den wichtigsten Menschen auf der Welt gefragt werden, setzen sie ihre Familienmitglieder – so wie sie von ihnen definiert werden – durchweg auf die ersten Ränge. Neben Mutter und Vater sind dies Großmütter und Großväter. Mit dem Übergang von der Kindheit ins Jugendalter verlieren Familienmitglieder etwas an Bedeutung und Gleichaltrige werden bedeutsamer. Die Großmütter werden leicht höher rangiert als die Großväter, wobei mit steigendem Alter der Enkelkinder auch die Großeltern – ähnlich wie die Eltern – leicht an Bedeutung einbüssen. Enge Freunde und Freundinnen, ebenso wie Freundesgruppen als Ganzes werden von den 13- bis18-Jährigen als leicht bedeutsamer eingeschätzt als ihre Großeltern.

Während der Pubertät kommt es auch gegenüber den Großeltern zu einer gewissen Ablösung; ein Prozess, der in einigen Fällen durch das Älterwerden der Großeltern (und den damit verbundenen Einbußen an Mobilität seitens der Großeltern) verstärkt werden kann. Allerdings zeigt gerade in dieser Phase ein frühes Engagement der Großeltern nachhaltige Wirkungen: Grosseltern, die sich schon bei der Kleinkindbetreuung engagiert haben, haben später auch zu heranwachsenden Enkelkindern mehr Kontakte. Ebenso zeigt sich bei heranwachsenden Enkelkindern eine stärkere Wahrnehmung, dass die Großeltern an ihrem Leben interessiert sind, wenn sich die Großeltern schon früher engagiert haben.

Die direkte und allgemeine Frage nach der Bedeutung der Beziehung („Wie wichtig ist Dir Deine Beziehung zu Deinem Großvater/Deiner Großmutter?“) zeigt eine klare Verteilung: In fast der Hälfte der Fälle wird die Beziehung zu einer namentlich aufgeführten Großmutter oder einem namentlich angeführten Großvater als sehr wichtig eingestuft. In gut zwei Fünftel der Fälle wird sie als eher wichtig beurteilt, und nur bezüglich 13 Prozent der Großeltern wird die Beziehung als eher unwichtig oder überhaupt nicht wichtig eingeschätzt. Großeltern stellen damit auch im Teenage-Alter oftmals wichtige Angehörige dar, wie auch andere Studien nachweisen konnten. Für heranwachsende Knaben und Mädchen sind die Großeltern zudem oft die einzigen Vertreter der älteren Generationen, zu denen sie engere persönliche Beziehungen aufweisen. Und die Shell-Jugendstudie 2006 belegt, dass ein gutes Verhältnis zu Großeltern bei Jugendlichen zu einer allgemein positiveren Einschätzung der Generationenbeziehungen beiträgt.

Die subjektive Bedeutung der jeweiligen Großeltern ist positiv verhängt mit der Häufigkeit von Kontakten und gemeinsamen Aktivitäten, aber auch mit Eigeninitiativen des Enkelkindes und einer Einschätzung der Großeltern als ‚liebevoll’ und ‚humorvoll’. Hohe geographische Distanz führt teilweise zu einer distanzierteren Beziehung, aber auffallend ist, dass der negative Zusammenhang zwischen Bedeutung der Beziehung und geographischer Distanz deutlich schwächer ist, als dies bei der Häufigkeit persönlicher Kontakte der Fall ist. Entsprechend werden oft auch entfernt wohnende Großeltern – die vor allem während Festtagen und Ferien besucht werden – als bedeutsame Familienmitglieder eingeschätzt.

Eine Detailanalyse verdeutlicht, dass die subjektive Bedeutung von Großeltern zumeist im Sinn einer allgemeinen familialen Bezugsperson besteht, wogegen private großelterliche Interventionen eher abgelehnt werden. Zentral aus Sicht der Enkelkinder ist weniger, dass sich Großeltern familial-solidarisch verhalten, als dass sie ungefragt Zeit für das Enkelkind haben. Eine positive Einschätzung (und Hochschätzung) von Großeltern bedeutet zudem noch lange nicht, dass heranwachsende Enkelkinder sie auch als bedeutsame Bezugspersonen für ihr eigenes Heranwachsen ansehen. Ein Vergleich der Antworten von Enkelkindern und Großeltern macht deutlich, dass intergenerationell ein hoher Konsens darüber besteht, intime und heikle Themen des Auf- und Heranwachsens auszublenden. In einem gewissen Sinne wird die Beziehung zwischen adoleszenten Enkelkindern und Großeltern durch das Prinzip ‚Abstand von Intimität’ bestimmt. Für heranwachsende Enkel gehören die Großeltern eher zu Ansprechpartnern für mehr öffentliche und normativ geregelte Themenbereiche (Aktualitäten, Familie, Schule, Freizeit), jedoch weniger als Ansprechpartner für Probleme des Erwachsenwerdens. Zudem erscheint der Wunsch nach intergenerationellen Diskussionen und Gesprächen bei der älteren Generation ausgeprägter zu sein als bei den heranwachsenden Enkelkindern (die sich bei vielen Themen stark an Gleichaltrigen ausrichten).

Der Stellenwert von Großeltern als Gesprächs- und Diskussionspartner ist positiv mit der Kontakthäufigkeit, ihrer subjektiven Bedeutung sowie mit dem thematischen Interesse der Großeltern am Leben ihres Enkelkindes assoziiert. Oder einfacher formuliert: Primär engagierte, aber sich nicht einmischende Großeltern werden als bedeutsame Diskussionspartner und Bezugspersonen erlebt. Ein ausgeprägtes Interesse der Großeltern am Enkelkind ist positiv mit einer guten intergenerationellen Beziehung assoziiert, aber zu einer guten intergenerationellen Beziehungsqualität während der Adoleszenz gehört auch die Einhaltung von Prinzipien der Nichteinmischung in das Leben der jüngeren Generation und die Beachtung intergenerationeller Intimitätsgrenzen.

Moderne Großeltern können für heranwachsende Enkelkinder gerade deshalb wertvolle Familienmitglieder oder Bezugspersonen sein, weil diese Beziehung auf einer vertrauensvollen und gegenseitig anerkannten Nichteinmischung beruht und viele alltagsbezogene Problembereiche ausgeblendet werden. Oder plakativer formuliert: Großeltern werden von Teenagern oft deshalb geschätzt, weil sie sich weniger einmischen als die Eltern oder Lehrpersonen und im Umgang mit dem Enkelkind vielfach auch ein oder zwei Augen zudrücken.

Mit dem Heranwachsen des Enkelkindes wird die Beziehung oft neu gestaltet, wobei sich dieser Prozess – wie qualitative Interviews aufzeigen – sowohl gleitend wie auch markant vollziehen kann. Ein zentraler Wandel ist die Erwartung der Enkelkinder, von den Großeltern nicht mehr als ‚Kind’ behandelt zu werden. Dies erfordert auch von den Großeltern Verhaltensmodifikationen, beispielsweise auf Spiele zu verzichten und dafür ‚ernsthafte’ soziale und moralische Fragen zu diskutieren und dabei die Meinung des heranwachsenden Enkelkindes ernst zu nehmen.

Generationenbeziehungen in der Pubertät
Die durchgeführten Interviews lassen diversifizierte Enkelkind-Großeltern-Beziehungen erkennen, beeinflusst durch Faktoren wie geographische Distanz, Scheidung der Eltern, Gesundheitszustand der Großeltern sowie Beziehungsgeschichte und allgemeine Familiendynamik. Trotz der Diversität lassen sich einige Hauptdimensionen aufzeigen, nach denen diese Generationenbeziehung während der Pubertät der Enkelkinder gestaltet werden:

(1) Spezieller Charakter der Großelternschaft
Sowohl Enkelkinder wie Großeltern betonen, dass Großelternschaft sich von Elternschaft deutlich unterscheidet. Während die elterliche Fürsorge die Alltagswelt berührt, wird der Umgang mit Großeltern mit Freiheit, Entspannung und gegenseitiger Partnerschaft definiert. In diesem Rahmen verweigern auch die Großeltern ‚elterliche Funktionen’, und die Enkelkinder unterstreichen ihren Wunsch nach einer nicht einschränkenden, ‚ruhigen’ Beziehung.

(2) Gezielter Einsatz von Ressourcen
Die Ressourcen der Großeltern spielen eine bedeutsame Rolle, seien es zeitliche (Verfügbar sein, Zeit haben), gesundheitliche (aktiv sein), kulturelle und familiale oder wohnliche Ressourcen (Raum für Ferien, Garten, Ferien). Die positive Beziehung zwischen Ressourcen und Beziehungsqualität verläuft allerdings nicht direkt, sondern Ressourcen fördern die Beziehung, wenn sie von den Großeltern aktiv und strategisch eingesetzt werden. Die Aktivierung von Ressourcen (wie Ferienwohnung, Mobilität dank Auto, viel Zeit usw.) gehört zu den wichtigen großelterlichen Strategien heutiger Großeltern.

(3) Übergang von Kindheit zur Adoleszenz
Mit dem Heranwachsen des Enkelkindes wird die Beziehung neu gestaltet. Insgesamt betrachtet beginnt der Wandel nach dem zwölften Lebensjahr (Ende der Primarschule, verstärkte Schulbelastungen, mehr Kontakte mit Gleichaltrigen u.a.). Ein zentraler Wandel ist die Erwartung der Enkelkinder, von den Großeltern nicht mehr als ‚Kind’ behandelt zu werden. Dies erfordert auch von den Großeltern Verhaltensänderungen, z.B. auf bisherige Spiele zu verzichten, und dafür ‚ernsthafte’ soziale und moralische Fragen zu diskutieren und dabei die Meinung des heranwachsenden Enkelkindes ernst zu nehmen.

(4) Beziehungsgestaltung
Obwohl es sich oft um eine langjährige, selbstverständlich erscheinende Beziehung handelt, wird sie doch häufig auch als fragile Beziehung erfahren, die etwa durch familiale Krisen, Heranwachsen des Enkelkindes, eigene gesundheitliche Einschränkungen usw. an Gewicht einbüssen kann, und Probleme der Adoleszenz können auch die Beziehung zu Großeltern belasten. Dies zwingt auch Großeltern häufig dazu, diese Generationenbeziehung aktiv à jour zu halten, und nicht auf die Selbstverständlichkeit familialer Zugehörigkeit zu bauen.

Ausblick – eine postmodern gestaltete Generationenbeziehung
Das idealisierte, aber normativ relativ offene Bild von Großelternschaft erlaubt viele Freiräume in der konkreten Gestaltung der Beziehung zu Enkelkindern: Von Großeltern wird ein positiver Einfluss idealerweise erwartet, aber da sie gleichzeitig keine Erziehungsverantwortung haben (dürfen), sind sie in der persönlichen Gestaltung der Beziehung zur jüngsten Generation recht frei. Die familiale Altersrolle „Großmutter“ bzw. „Großvater“ erlaubt ‚späte Freiheiten’ im Umgang mit der jüngsten Generation, und es mehren sich die Hinweise, dass neue Generationen von Großeltern die ‚alten Idealbilder’ zur Großelternschaft gezielt zur Konstruktion einer post-modernen Gestaltung von Generationenbeziehungen einsetzen. Da die Generationendifferenz zwischen Großeltern und Enkelkindern von vornherein ausgeprägt ist, können sich Großeltern weitaus mehr als die Eltern auf das Niveau der jüngsten Generation zu bewegen. Im Umgang mit Enkelkindern können Großeltern etwa unbeschwert an frühere Phasen familialen Lebens (Umgang mit Kleinkindern, später Schulkindern und Teenagern) anknüpfen, ohne dafür die Erziehungsverantwortung tragen zu müssen.

Werden heranwachsende Enkelkinder und ihre Großeltern über ihre persönliche Beziehung zur jeweilig anderen Generation befragt, wird eine durchaus lebendige und mehrheitlich positiv eingeschätzte Beziehung sichtbar, und Großeltern – vor allem wenn sie aktiv, gesund und an der Jugend interessiert sind – sind auch für heranwachsende Enkelkinder oftmals wichtige familiale Bezugspersonen, wobei die heutige Bedeutung von Großeltern für Schulkinder und Jugendliche gerade darin besteht, dass Großeltern jenseits von Schul- und Berufsstress stehen. Damit können sie Kindern und Jugendlichen im Idealfall etwas anbieten, was in allen anderen Lebensbereichen mangelhaft ist: Zeit, Gelassenheit und eine soziale Beziehung, die sich außerhalb von schulischem Stress und Problemen des Heranwachsens verortet.

Diese neue Beziehungsqualität – Großeltern als allgemeine Bezugspersonen – erfordert allerdings von der älteren Generation die Einhaltung zweier zentraler Grundregeln der intergenerativen Kommunikation: Zum ersten basiert die Qualität der Beziehung von Großeltern zu heranwachsenden Enkelkindern nicht unwesentlich darauf, dass intime Themen des Heranwachsens gezielt ausgeblendet werden. Zum zweiten ist – gerade bei heranwachsenden Enkelkindern – ein Engagement ohne Einmischung zentral. Dieses Prinzip erweist sich auch als zentral, wenn es um Projekte in Richtung ‚Wahlgroßelternschaft’ geht.

Die Untersuchung, auf der dieser Beitrag basiert, ist ausführlich dargestellt in: François Höpflinger, Cornelia Hummel, Valérie Hugentobler. Kinder, Teenager und ihre Großeltern – intergenerationelle Beziehungen im Wandel. Zürich (2006).

François Höpflinger ist Titularprofessor für Soziologie an der Universität Zürich und Forschungsdirektor am Universitären Institut ‚Alter und Generationen’ (INAG) in Sion (Schweiz). Informationen unter www.hoepflinger.com.

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