fK 4/04 Spielraum

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

SpielRaum für Bewegung und selbständiges Entdecken

von Andrea von Gosen

Der SpielRaum ist ein Entdeckungsgelände für das selbständige Erkunden von Spiel- und Bewegungsmaterialien. Er lädt Eltern von Säuglingen und Kleinkindern bis zum dritten Lebensjahr ein, die Handlungen ihres Kindes aufmerksam wahrzunehmen und ihre Eigenaktivität schätzen zu lernen.

Grundlage der Arbeit sind die Forschungsergebnisse der ungarischen Kinderärztin Emmi Pikler (1902-1984), der Kinderpsychologin und Direktorin des Pikler-Instituts, Anna Tardos (Budapest) und die langjährigen Erfahrungen der Bewegungspädagogin Ute Strub (Berlin).

Als SpielRaum-Leiterin bin ich von dem besonderen Wert überzeugt, den die selbständige Aktivität im freien Spiel für die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes hat. Ein Kind, das sich wohl fühlt und bei seinen Entdeckungen nicht gestört wird, interessiert sich im Laufe seiner Entwicklung zunächst vor allem für seinen eigenen Leib und dessen Bewegungsmöglichkeiten.

Emmi Pikler beobachtete, dass für das Neugeborene zum Entdecken und Erkunden der eigenen Hände und Füße die Rückenlage am geeignetsten ist. Später kann in dieser Lage der junge Säugling auch immer geschickter mit Gegenständen hantieren. Deshalb bitte ich die Eltern, ihre Säuglinge nach einer Einstimmungsphase auf dem elterlichen Schoß zunächst auf den Rücken auf den Boden zu legen, wenn sie spüren, dass das Kind aktiv werden möchte. In der Nähe der Eltern kann die Entdeckungsreise beginnen.

Die Kinder kommen im allgemeinen leicht ins Spiel, wenn sie sich sicher und geborgen fühlen. Dazu trägt eine Atmosphäre bei, in der die Eltern gelassen sind und ihre Kinder nicht drängen etwas auszuprobieren, bevor sie von sich aus dazu bereit sind. Das Gefühl, Vater oder Mutter jederzeit zum trösten oder ausruhen erreichen zu können, gibt den Kindern die Sicherheit, sich konzentriert auf ein Spiel einzulassen.

Mit der Zeit dreht sich dann das Kind aus eigenem Impuls vom Rücken über die Seitenlage schließlich bis auf den Bauch. Es entdeckt, während es selbständig spielt, die verschiedenen Fortbewegungsarten wie das Robben, Kriechen und Krabbeln, und über eine Vielfalt an Übergangspositionen erlernt es von sich aus – ohne Hilfe des Erwachsenen – das Sitzen, Stehen und Gehen.

Ich sehe meine Aufgabe darin, eine Umgebung vorzubereiten, die dem Erkundungsdrang, der Bewegungsfreude und dem Ruhebedürfnis von Säuglingen und Kleinkindern in ihrer jeweiligen Entwicklungsphase entspricht.

Die Kinder können frei wählen und selbst entscheiden, womit und wie lange sie sich beschäftigen wollen. Es ist wichtig, die Initiative und die Aktivität beim Kind zu lassen, es weder zu drängen noch in sein Spiel einzugreifen. Ich rege die Eltern an, mit Interesse die Regungen und das Tun ihrer Kinder zu beobachten und auf ihre lautlichen und verbalen Äußerungen zu antworten, wenn sie an uns gerichtet sind. Wenn ein Kind beunruhigt ist oder zu weinen beginnt, können beruhigende Worte helfen. Meist beruhigt sich das Kind, ohne dass es auf den Arm genommen werden muss.

Ein wesentlicher Teil meiner Begleitung ist den Eltern gewidmet, um sie darin zu unterstützen, angemessen auf die Signale ihres Kindes zu reagieren. Ich bestärke sie einerseits darin, sofern das Kind dies braucht, als sicherer „Hafen“ zum Ausruhen oder Trösten für es da zu sein, es andererseits aber auch nicht zu hindern, wieder von ihnen fort zu streben, um eigenständig aktiv zu werden.

In abendlichen Gesprächsrunden denke ich mit den Eltern über Beobachtungen und Situationen aus dem SpielRaum gemeinsam nach. Sie können ihre Freuden und Sorgen mit mir teilen und finden Unterstützung beispielsweise bei der Schwierigkeit ihre eigenen Grenzen und Bedürfnisse rechtzeitig wahrzunehmen und sie dem Kind in einer persönlichen Sprache mitzuteilen.

Die SpielRäume sind ausgestattet mit den im Budapester Pikler-Institut verwendeten Kriech-, Krabbel- und Klettergeräten und mit einfachen Materialien, die das Interesse des Säuglings befriedigen, Gegenstände tastend und greifend, schüttelnd und schiebend zu erkunden.

Andrea von Gosen ist Dipl.-Pädagogin und Bewegungstherapeutin und SpielRaum-Leiterin in Berlin

SpielRaum für Bewegung
Fax: 030-781 62 57
www.Pikler-SpielRaum.de

No Comments

Sorry, the comment form is closed at this time.