fK 3/98 Gerszonowicz

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Qualität der Tagespflege – Tagespflege mit Qualität

von Eveline Gerszonowicz

In der Tagespflege werden in der Regel bis zu drei Kinder von einer Tagesmutter in deren Haushalt betreut, während die Eltern der Kinder einer Berufstätigkeit nachgehen. Eine pädagogische Ausbildung ist nicht erforderlich. Unter bestimmten Voraussetzungen und nach Erteilung einer Pflegeerlaubnis können auch bis zu fünf, in einigen Bundesländern bis zu acht Kinder betreut werden. Nach § 23 Kinder- und Jugendhilfegesetz ist die Tagespflege ein Angebot der Jugendhilfe vor allem für Kinder unter drei Jahren. Die Kosten können anteilig vom Jugendamt übernommen werden.

Qualität der Tagespflege

Die Tagespflege hat als Tagesbetreuung für kleine Kinder besondere Qualitäten:

Intensive, individuelle Betreuung in einer kleinen Gruppe. Die Tagesmutter hat die Möglichkeit und die Zeit, sich einzelnen Kindern zuzuwenden. Sie ist in der Lage, auf die besonderen Bedürfnisse jedes Kindes einzugehen, individuelle Förderung oder auch spezielle Ernährung für Allergiker oder Diabetiker anzubieten. Die Kinder werden immer von derselben Person betreut.

Familienalltag. Unter Umständen frühstückt das Kind mit dem Vater oder den Kindern der Familie, bevor diese das Haus verlassen, ißt mit ihnen zu Abend oder verbringt einmal ein Wochenende in der Tagesfamilie. Vor allem für Kinder alleinerziehender Mütter und Einzelkinder kann dies ein wichtiges Erlebnis sein.

Geschwisterähnliche Situation. Die Kinder können im Zusammensein mit anderen Tagespflegekindern und den Kindern der Familie unterschiedlichen Alters wertvolle soziale Erfahrungen machen.

Besondere Betreuungszeiten. Für Eltern, die im Schichtdienst tätig sind oder eine Betreuung vor 6.00 Uhr, nach 19.30 Uhr oder auch an Wochenenden benötigen, ist die Tagespflege nahezu die einzige Möglichkeit.

Hilfe zur Erziehung. Kinder mit nicht altersgemäßer Entwicklung, geistiger oder körperlicher Behinderung bedürfen einer speziellen Förderung und Betreuung, ebenso Kinder aus schwierigen familiären Verhältnissen sowie Kinder mit auffälligem Verhalten. Ihre Eltern haben ein Anrecht auf Hilfe zur Erziehung, die in Tagespflege geleistet werden kann.
Einige Tagespflegefamilien erklären sich auch bereit, ein Tagespflegekind für eine begrenzte Zeit tags und nachts zu betreuen, z.B. wenn die Familie eines Tagespflegekindes durch Krankheit eines Elternteils stark belastet ist oder sich in einer Krise befindet.

Insbesondere von der Jugendhilfeplanung wird darüber hinaus als Qualitätsmerkmal der Tagespflege bezeichnet, daß sie unbürokratisch und spontan dem quantitativen Bedarf nach Kindertagesbetreuung angepaßt werden kann und dabei noch kostensparend ist. Dieser Umstand kann sich allerdings auch negativ auf die Qualität und Stabilität für die Kinder und die Tagespflegeeltern auswirken.

Tagespflege mit Qualität

Die Tagespflege ist im Kinder- und Jugendhilfegesetz als gleichrangiges Betreuungsangebot zu Kindertageseinrichtungen vor allem für Kleinkinder genannt.

Besonders wenn das Jugendamt nicht mitwirkt, d.h. vermittelt oder Pflegeerlaubnisse erteilt, ist die Auswahl und Beurteilung einer Tagespflegestelle den Eltern überlassen. Die Situation, junge Eltern zu sein und die Abwesenheit durch die Berufstätigkeit sowie mangelnde Alternativen zur Unterbringung des Kindes versetzen Eltern u.U. in die Lage, auch unzureichende Tagespflegeverhältnisse zu akzeptieren.

Aus diesem Grund kritisieren Fachleute seit je her, daß eine Pflegeerlaubnis erst bei der Betreuung von vier und mehr Kindern erforderlich ist.

Das Jugendamt ist zwar bei der Übernahme der Kosten in der Pflicht, die Geeignetheit einer Pflegestelle feststellen, doch hierfür fehlen bis heute bundesweit gültige Standards.

Um Tagespflege zum wirklich gleichrangigen und qualitativ gleichwertigen Betreuungsangebot zu machen, werden verstärkt Diskussionen um Qualitätsstandards und um Qualifizierung von Tagespflegepersonen geführt. Tagesmütter- und Pflegeelternvereine ergreifen die Initiative und gründen Vermittlungsstellen für öffentlich geförderte und/oder privat vereinbarte Tagespflegeverhältnisse. Die Tagespflegestellen werden nach festgelegten Qualitätsstandards ausgewählt und es werden für die Tagespflegeeltern Qualifizierungsangebote vorgehalten.

Die wichtigsten Aspekte, die Qualität in der Tagespflege sichern, sind:

  • begleitende Beratung, Hausbesuche, Hospitationen in den Tagespflegefamilien sowie Beratung für Eltern
  • Bereitstellung von Qualitätszirkeln für Tagesmütter und Eltern in Form von Fortbildung, Fachaustausch sowie Möglichkeiten der formellen und informellen Begegnungen
  • vorbereitende und begleitende Qualifizierung, die mit einem Zertifikat abschließt
  • Bereitstellung von Rahmenbedingungen für Tagespflege, wie gesetzliche Regelungen auf Landesebene, Empfehlungen von Standards und eine sichere und ausreichende Finanzbasis
  • Wahrnehmung der planerischen Verantwortung durch den Jugendhilfeträger, Ausweisung und Deckung des Bedarfs an Tagespflegebetreuung und Bereitstellung bzw. Delegation der Begleitangebote für Tagespflegefamilien
  • Schaffung kommunaler oder regionaler Netzwerke der Kinderbetreuung (insbesondere in ländlichen Gegenden) in denen Tagespflege ihren Raum neben vergleichbaren Angeboten hat und damit eingebunden ist in Systeme von Qualifizierung, Finanzierung und Unterstützung (z.B. Krankheitsvertretung)
  • soziale und rechtliche Absicherung der Tagespflegepersonen (Versicherungs- und Altersvorsorgemaßnahmen, Klärung des professionellen Status)
  • Dokumentation als Voraussetzung um Bedarfslagen adäquat einzuschätzen sowie Verbesserungsmaßnahmen und Lösungen von Problemen anzustreben
  • öffentliche Darstellung sowie Selbst- und Fremdkontrollsysteme, um von einem willkürlichen, individualistischen Qualitätsbegriff zu einem verbindlich sichernden Qualitätssystem in der Tagespflege zu kommen
  • Bereitstellung von Fachpersonal und Etablierung von Fachberatung
  • Inanspruchnahme wissenschaftlicher Begleitforschung und Förderung wissenschaftlich begleiteter Projekte.

(aus: Fachcolloquium „Kinderbetreuung in Tagespflege“ der Universität Frankfurt/ Main, Diskussionspapier, 1997)

Die Diskussion um Qualität und Qualifizierung in der Tagespflege ist nicht neu. Schon in der Durchführung des ersten Modellprojekts Tagespflege in den siebziger Jahren wurden Qualitätskriterien entwickelt. Zur Qualifizierung von Tagespflegepersonen hat der „tagesmütter- Bundesverband für Kinderbetreuung in Tagespflege e.V.“ ein Curriculum erarbeitet und als bundesweite Empfehlung herausgegeben, welches zur Zeit innerhalb eines Modellprojektes getestet wird. Am 12./13. Oktober 98 findet ein vom Bundesverband veranstalteter Bundesfachkongreß mit dem Titel „Qualitätsprofil der Tagespflege“ statt.

Dr. Eveline Gerszonowicz ist Mitarbeiterin im Arbeitskreis zur Förderung von Pflegekindern e.V., Berlin.

tagesmütter- Bundesverband für Kinderbetreuung in Tagespflege e.V.
Breite Str. 2, 40670 Meerbusch
Tel: 02159 – 13 77, Fax: 02159 – 20 20
http://www.tagesmuetter-bundesverband.de/

Arbeitskreis zur Förderung von Pflegekindern
Geisbergstr. 30, 10777 Berlin
Tel: 030 – 211 10 67, Fax: 030 – 218 42 69

Literatur zum Thema:
Kinderbetreuung in Tagespflege / Tagesmütter-Handbuch
Hrsg.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend,
Bonn 1996

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