fK 3/10 Kinderrechte Aktuell

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Bewegung in punkto Kinderrechte

Bundesregierung nimmt Vorbehaltserklärung zur UN-Kinderrechtskonvention zurück und legt Dritt- und Viertbericht an den UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes vor

Innerhalb weniger Wochen ist Bewegung in die deutsche Kinderrechtspolitik gekommen. Am 3. Mai 2010 – mehr als 18 Jahre nach Inkrafttreten der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland – hat die Bundesregierung die anlässlich der Ratifizierung im Jahr 1992 ausgesprochene Vorbehaltserklärung zurückgenommen. Damit gelten nunmehr sämtliche in der Kinderrechtskonvention niedergelegten Rechte uneingeschränkt für alle in Deutschland lebenden Kinder.

Bereits zwei Wochen zuvor, am 21. April, legte die Regierung den bereits 2009 fälligen so genannten Dritt- und Viertbericht an den UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes gemäß Artikel 44 der Konvention vor. Einen Monat später, am 21. Mai, haben Kinder und Jugendlichen aus Anlass des Drittund Viertberichts der Bundesregierung einen eigenständigen Kinder- und Jugendreport übergeben.

Ebenfalls im Frühjahr veröffentlichte die National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention unter dem Titel „Es wird Zeit… Vorrang für Kinderrechte“ die Dokumentation der Ersten Nationalen Konferenz für die Rechte des Kindes am 20.11.2009 in Berlin.

National Coalition: Gleiche Rechte für alle Kinder!
Die National Coalition begrüßt den Beschluss des Bundeskabinetts vom 3. Mai zur Rücknahme der Vorbehaltserklärung zur UN-Kinderrechtskonvention: „Dies ist ein guter Tag für die Kinderrechte in Deutschland“, erklärten Dr. Sabine Skutta und Dr. Jörg Maywald, Sprecher der National Coalition, anlässlich der Rücknahme. „Lange haben wir auf einen Beschluss zur Rücknahme der Vorbehaltserklärung warten müssen.“ Bei der Ratifizierung der UNKinderrechtskonvention 1992 erklärte die Bundesregierung u. a., dass sich Deutschland vorbehalte, Unterschiede zwischen inländischen und ausländischen Kindern zu machen. Die 18-jährige Geschichte der Aufrechterhaltung der Vorbehalte führte dazu, dass international übliche Standards für Flüchtlingskinder in Deutschland nicht galten, mit für sie einschneidenden negativen Folgen. Die Einschränkungen bezogen sich insbesondere auf Ziffer IV der Interpretationserklärung, den so genannten Ausländervorbehalt. Flüchtlingskinder hatten durch diese Erklärung in Deutschland nicht die gleichen Rechte wie andere Kinder. Sie wurden in Abschiebehaft genommen, und sie waren beim Schulbesuch, bei der medizinischen Versorgung und in der Kinder- und Jugendhilfe schlechter gestellt als deutsche Kinder. Seit Jahren fordert die National Coalition als Zusammenschluss von rund 100 Organisationen auf Bundesebene zusammen mit zahlreichen weiteren Fachorganisationen die vorbehaltlose Umsetzung der UNKinderrechtskonvention gemäß den völkerrechtlichen Vorgaben. Kinderrechte müssen für alle in Deutschland lebenden Kinder gelten, unabhängig von ihrer Nationalität oder ihrem Aufenthaltsstatus. „Der Weg ist jetzt endlich frei, auch Kinder nicht-deutscher Herkunft unter den vollen Schutz des Völkerrechts zu stellen. Nach dem Beschluss des Bundeskabinetts müssen nun die Regelungen im Asyl-, Aufenthalts- und Sozialrecht entsprechend angepasst werden“, so Skutta und Maywald.

Quelle: Pressemitteilung der National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland vom 4.5.2010

Bundesregierung berichtet Vereinten Nationen über die Lage der Kinder!
Das Bundeskabinett hat am 21. April 2010 den Staatenbericht zur Lage der Kinder in Deutschland gemäß Artikel 44 der UNKinderrechtskonvention verabschiedet. Der so genannte Dritt- und Viertbericht war bereits am 4.4.2009 fällig und geht nun an den UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes in Genf. (…) Die National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland fordert: Jetzt muss die Politik den Staatenbericht öffentlich mit der Zivilgesellschaft diskutieren und eine Kinderrechtsstrategie für die kommenden Jahre entwickeln. Der Nationale Aktionsplan der Bundesregierung „Für ein kindergerechtes Deutschland“ läuft aus und es gibt dringende Probleme zu lösen: Es mangelt an Chancengerechtigkeit in der Bildung; zu viele Kinder wachsen mit Gewalterfahrungen auf oder leiden unter Umweltbelastungen und vermeidbaren Krankheiten. Kinder werden im Alltag nicht ausreichend beteiligt und sind überproportional von Armut betroffen.
Deutschland hat daher sein Klassenziel in punkto Kinderrechte noch lange nicht erreicht. Auf das Zeugnis des UN-Ausschusses, der sich gegen Ende seines Dialogs mit den Vertragsstaaten in so genannten „Abschließenden Bemerkungen“ – sei es mit Lob oder Kritik – äußert, darf Deutschland gespannt sein. Bis dahin sollten wir bereits Fortschritte auf den Weg bringen! Alle 193 Vertragsstaaten, die die UN-KRK unterzeichnet haben, haben sich verpfl ichtet, in einem Turnus von fünf Jahren dem zuständigen UN-Ausschuss einen Bericht abzugeben, der beschreibt, was unternommen wurde, um die Verwirklichung der Kinderrechte voranzutreiben. Der Prozess der UN-Berichterstattung wird durch Anhörungen von Nichtregierungsorganisationen und Sitzungen mit den Vertreterinnen und Vertretern der Staaten begleitet.

Quelle: Pressemitteilung der National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland vom 21.4.2010

Zu wenig Mitbestimmung, keine Chancengerechtigkeit, zu viel Druck – aber sonst geht‘s uns gut
Vielen Kindern und Jugendlichen geht es ihren eigenen Angaben nach gut. Aus ihrer Perspektive werden ihre Rechte im Großen und Ganzen gewahrt. Doch sie sehen auch erhebliches Verbesserungspotenzial. Im ersten Kinder- und Jugendreport zur UNBerichterstattung bemängeln Kinder und Jugendliche, dass sie zu wenig gehört und dass zu viele Entscheidungen, die unmittelbaren Einfl uss auf sie haben, ohne sie getroffen werden. In ihrem Wohnumfeld haben sie häufi g den Eindruck, dass Kinder- und Jugendinteressen an letzter Stelle oder gar nicht berücksichtigt werden. Sie prangern die ungleichen Bildungs- und Teilhabechancen an. Und trotz eines seit zehn Jahren gesetzlich verankerten Rechts auf gewaltfreie Erziehung gibt ein Fünftel der Kinder an, dass dieses Recht in ihren Familien „manchmal“ oder „oft“ verletzt wird. Der Report offenbart weiter, wie massiv junge Menschen unter zunehmendem Stress durch die Schule leiden. „Freizeit? Durch Schule und Hausaufgaben wird mein ganzer Tag bestimmt!“ Kinder und Jugendliche sind aus ihrer Sicht außerdem noch zu ungeschützt dem Passivrauchen ausgesetzt. Kinder und Jugendliche haben den Kinderrechten in Deutschland ein Zeugnis ausgestellt. Der erste Kinder- und Jugendreport wird dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, das dieses Projekt der AGJ gefördert hat, sowie der National Coalition für die Umsetzung der Kinderrechte in Deutschland überreicht, dem Zusammenschluss von über hundert Nichtregierungsorganisationen, die die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland kritisch begleiten. Über 3.500 junge Menschen zwischen fünf und 18 Jahren beteiligten sich über Fragebögen, Arbeitstreffen und Projekte an der Erstellung dieses ersten Kinderund Jugendreports zur UN-Berichterstattung. Der Report wird dem UN-Ausschuss für die Rechte des Kindes in Genf vorgelegt und soll Teil der Berichterstattung über die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention sein. Sie wurde 1989 verabschiedet und 1992 von der Bundesrepublik ratifi – ziert. Als einer von drei Berichten neben dem Staatenbericht der Bundesregierung, der am 21. April vom Bundeskabinett beschlossen wurde, und dem ergänzenden Bericht der National Coalition, der im Herbst diesen Jahres fällig wird, gibt er Aufschluss über die Kinderrechtslage in Deutschland. Er fl ießt in die Bewertung durch den UN-Ausschuss ein, der entsprechende Empfehlungen an die Bundesregierung aussprechen kann.

Informationen unter www.kinder-jugendreport.de

Quelle: Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe – AGJ – vom 20.5.2010

Es wird Zeit… Vorrang für Kinderrechte
Erste Nationale Konferenz für die Rechte des Kindes

Unter dem Titel „Es wird Zeit… Vorrang für Kinderrechte“ hat die National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland die Dokumentation der Ersten Nationalen Konferenz für die Rechte des Kindes am 20.11.2009 in Berlin veröffentlicht. Die Dokumentation enthält zahlreiche Anregungen und Forderungen zur weiteren Verwirklichung der Kinderrechte in Deutschland. Sie ist zum Preis von 10,- Euro (zzgl. Versand) erhältlich bei:
National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland
Tel.: 030 – 400 40 216
E-Mail: info@national-coalition.de
www.national-coalition.de

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