fK 3/09 Editorial

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser

„Der Mensch ist nur da ganz Mensch, wo er spielt“, heißt es bei Friedrich Schiller. Tatsächlich gehört das selbst gewählte Spiel um des Vergnügens willen als ein Element jeder Kultur zur Grund-ausstattung des Menschen. Von Kindern ist das selbstvergessene, von Absicht und Zweck freie Spiel nicht wegzudenken.

Etymologisch auf Schaukeln, Schwingen und Tanzen verweisend, muss das „Spil“ (althochdeutsch) zwei Bedingungen erfüllen, um Spiel zu sein: es muss Spielregeln geben, an die die Mitspieler zwanglos bereit sind, sich zu halten; und es muss zweckfrei sein, darf nicht auf ein in irgendeinem Sinne nützliches Ziel außerhalb seiner selbst gerichtet sein.

Kinder lernen im Spiel, aber sie spielen nicht um zu lernen. Im Spielraum des Als-ob – einer kreativen Mischung aus Fantasie und Realität – kann sich das Kind eine eigene Welt erschaffen, die nach seinen Regeln funktioniert. Es lernt, mit Gefühlen und Impulsen umzugehen, Lösungen für Probleme zu suchen und Konflikte zu bewältigen.

Das freie, selbst bestimmte Spiel ist notwendiger Bestandteil für eine gesunde Entwicklung des Kindes und eine wichtige Lernressource. Aber gerade dieses Freispiel wird immer weiter zurückgedrängt oder für andere Zwecke instrumentalisiert. Im Rahmen von Förderprogrammen jagt nicht selten ein Angebot das nächste. Abenteuerliche, von Kindern erst noch zu erobernde Spielorte sind kaum mehr vorhanden.

Wo es nur noch wenige Spielräume für Kinder gibt, die frei von erwachsener Beobachtung, Kontrolle und guten Ratschlägen sind, nehmen Spielunlust und Spielverweigerung zu. So verstanden, ist das „Recht auf Spiel“ gemäß Artikel 31 der UN-Kinderrechtskonvention auch bei uns längst nicht für alle Kinder einlösbar.

Was Not tut, ist eine neue Spielkultur. In der Freiräume und freie Zeiten bedeutsamer sind als vorgefertigte Angebote; unbearbeitete Materialien wichtiger als „pädagogisch wertvolles“ Spielzeug. Dann erst kann sich entfalten, was Friedrich Fröbel als höchste Stufe der Kindesentwicklung bezeichnet hat: „Spielen, Spiel ist (…) die freitätige Darstellung des Innern, die Darstellung des Innern aus der Notwendigkeit und Bedürfnis des Innern selbst“.

Vom Eigenwert und der Eigensinnigkeit des Spiels können auch Erwachsene profitieren. So manch unlösbar scheinendes Problem lässt sich nur im spielerischen Umgang entwirren, wenn nämlich neue Spielräume eröffnet werden, die Platz schaffen für Kreativität. Denn auch dies gehört zum Spiel: das Moment der Überraschung und die Gelegenheit dafür, dass Neues und Unvorhersehbares entsteht.

Mit herzlichen Grüßen

Prof. Dr. Franz Resch, Präsident der Deutschen Liga für das Kind
Dr. Jörg Maywald, Geschäftsführer der Deutschen Liga für das Kind

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