30 Jun fK 3/08 Russmann
„Wichtig ist vor allem, dass die Kinder selbst zu Erkenntnissen gelangen“
Dr. Jörg Maywald im Gespräch mit Ulrike Russmann, Leiterin des INA.KINDER.GARTEN Dresdener Straße in Berlin-Kreuzberg, Standort der Initiative „Haus der kleinen Forscher“.
Maywald: Was waren die Gründe dafür, dass sich Ihre Kindertageseinrichtung an der Initiative „Haus der kleinen Forscher“ beteiligt hat?
Russmann: Im Berliner Bildungsprogramm sind die Naturwissenschaften ein wichtiger Bildungsbereich. Gerade gegenüber Naturwissenschaften bestehen bei vielen Menschen jedoch Berührungsängste. Wir haben nach Möglichkeiten gesucht, um den hier oftmals fehlenden Background nachzuholen. Da kam die Initiative „Haus der kleinen Forscher“ gerade zur rechten Zeit. Die Erzieherinnen haben sich zunächst zögerlich, dann aber mit wachsender Begeisterung darauf gestürzt und die Angebote als eine Bereicherung für den Alltag in der Kita empfunden. Dabei geht es uns nicht nur darum, zusätzliche naturwissenschaftliche Experimente durchzuführen, sondern auch zum Beispiel darum, unseren Dachgarten mit seinen Pflanzen als naturwissenschaftliches Lernfeld zu entdecken. Natürlich haben die Kolleginnen auch Forschertage veranstaltet, an denen die Kinder verschiedene Experimente durchführen konnten, aber wir verstehen unter Experimentieren eine große Vielfalt von Angeboten.
Maywald: In verschiedenen Räumen Ihrer Einrichtung gibt es Experimentierecken. Sind diese Bereiche für die Kinder frei zugänglich?
Russmann: Ja, zum einen gibt es solche Ecken in unserem zentralen Bereich, dem so genannten Glashaus. Darüber hinaus haben sich manche Gruppen in ihren Räumen kleinere Ecken eingerichtet, in denen entsprechende Materialien zur Verfügung stehen. Bei Bedarf kommen die Erzieherinnen hinzu und unterstützen die Kinder beim Experimentieren. Wichtig ist vor allem, dass die Kinder selbst zu Erkenntnissen gelangen und dass wir ihnen Zeit lassen, sich mit den Materialien auseinander zu setzen. Beispielswiese pusten Kinder mit einem Strohhalm Luft in ein Wasserglas und entdecken dabei, dass die Luftblasen nach oben kommen. Oder sie versuchen, eine Büroklammer auf dem Wasser schwimmen zu lassen. Dafür ist natürlich Zeit nötig, die wir den Kindern lassen müssen, damit sie die Möglichkeit bekommen, alles auszuprobieren, vielleicht mehrmals auszuprobieren, bis es dann klappt und eine Büroklammer augrund der Oberflächenspannung des Wassers plötzlich oben schwimmt.
Maywald: Welches Verhältnis besteht zwischen Bildungsanregungen, die von Erwachsenen ausgehen, und dem eigenaktiven Lernen der Kinder?
Russmann: Für uns ist wichtig, dass Kinder ein anregungsreiches Umfeld bekommen. Wenn sie das nicht haben, dann können sie sich nicht selbst bilden. Es gibt Themen, die Kinder in einem bestimmten Alter interessieren und die von den Erwachsenen an die Kinder herangetragen werden sollten. Das gilt zum Beispiel für den Übergang vom Kindergarten in die Schule. Im letzten Jahr vor der Schule setzen sich die Kinder damit ganz intensiv auseinander. Was wird sein, wenn ich in die Schule gehe? Wie sieht ein Klassenraum aus? Hier ist man als Erzieherin einfach dazu verpflichtet, den Kindern die Möglichkeit zu geben, sich mit Schule zu beschäftigen, eventuell sogar Kontakt mit der zukünftigen Schule aufzunehmen, damit sie Zeit haben, sich damit intensiv auseinander zu setzen.
Maywald: Wie erfahren die Eltern der Kinder von Aktivitäten wie der Initiative „Haus der kleinen Forscher“?
Russmann: Uns ist sehr wichtig, die Kinder gemeinsam mit den Eltern zu begleiten. Zunächst einmal informieren wir die Eltern über Gespräche im Alltag, zum Beispiel beim Bringen und Abholen der Kinder. Dann erstellen wir Dokumentationen unserer Arbeit, die wir im Haus anbringen und die auch für Eltern zugänglich sind. Schließlich schreiben wir immer zur Jahreswende einen Brief an alle Eltern, in dem wir über wichtige Aktionen informieren, darunter auch über die Initiative „Haus der kleinen Forscher“.
Maywald: In den meisten Kindertageseinrichtungen hat sich eine altersgemischte Arbeitsweise durchgesetzt. Sie haben sich bewusst für altershomogene Gruppen entschieden. Worin bestehen die Vorteile?
Russmann: Die Kinder haben dadurch die ganze Zeit über viele gleichaltrige Spielpartner, die für sie sehr wichtig werden. Und auch die Eltern, die ihre Kinder bei uns hatten, sagen uns immer wieder, dass sie es als angenehm empfanden, mit vielen anderen Eltern zusammen gewesen zu sein, deren Kinder gleich alt sind und ähnliche Probleme hatten. Trotzdem schaffen wir für alle Kinder Räume, in denen sie sich mit jüngeren oder älteren Kindern treffen können. Außerdem ist uns sehr wichtig, dass die Kinder eine feste Bezugsperson bekommen, die sie durch ihre gesamte Zeit im Kindergarten begleitet. Wir haben mit diesem Prinzip sehr gute Erfahrungen gemacht und merken, dass sich dadurch sowohl die Kinder als auch die Eltern sehr geborgen fühlen. Die Kinder entwickeln eine Art Urvertrauen zu ihren Erzieherinnen. Darauf aufbauend öffnen sie sich, saugen alles in sich auf und suchen sich ihre eigenen Wege, um sich Bildung anzueignen.
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