fK 3/07 Editorial

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser

„Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht“, heißt es in Artikel 6 Absatz 2 des Grundgesetzes. Das Elternrecht ist das einzige Grundrecht, das als so genanntes Pflichtrecht ausgestattet ist. Es wird von den Eltern treuhänderisch wahrgenommen und dient ausschließlich dem Wohl des Kindes.

Ein beträchtlicher Teil von Müttern und Vätern nimmt ihr Recht zur Erziehung heutzutage nicht in ausreichender Weise wahr. Nicht wenige Eltern vernachlässigen die dazu gehörende Pflicht erheblich. Auch wenn es nicht angemessen ist, von „Erziehungsnotstand“ oder sogar „Erziehungskatastrophe“ zu sprechen, so muss doch festgestellt werden, dass sehr viele junge Eltern in ihrem Erziehungsverhalten stark verunsichert sind.

Einerseits war das Wissen über Erziehung nie so umfangreich und verbreitet, andererseits aber auch waren Erwachsene nie so sehr abgeschnitten von Erfahrungen mit Kindern wie heute. Die normalerweise vorhandenen intuitiven elterlichen Fähigkeiten dann, wenn das Baby da ist, auch tatsächlich wachrufen und nutzen zu können, ist in einer kindentwöhnten Gesellschaft eine nicht einfache Aufgabe.

Praktisch alle Eltern benötigen heute Beratungs-, Bildungs-, Unter-stützungs- und Vernetzungsangebote, die so vielfältig sein müssen, wie sie selbst leben: passgenau, flexibel, auf Partizipation angelegt, professionell gemanagt und immer wieder neu eine Balance findend zwischen kindlichen und erwachsenen Bedürfnissen, Familie und Beruf, Selbstverwirklichung und Partnerschaft, Arbeitszeit und Freizeit.

Zeitgemäße Einrichtungen der Familienbildung sollten nicht entweder Bildungsstätte oder Treffpunkt, nicht nur Beratungsstelle oder Selbsthilfeeinrichtung sein. Was wir brauchen sind intelligente Kombinationen aus mehreren Elementen, maßgeschneidert für die Bedürfnisse vor Ort. Selbsthilfe, Hilfe auf Gegenseitigkeit, Freiwilligendienste, professionelle und halb-professionelle Angebote sollten sich überlappen. Und Familienbildung sollte dort stattfinden, wo die Familienmitglieder sich sowieso aufhalten: in Krippen, Kindergärten und Schulen, in Betrieben, Kirchengemeinden, Sport-vereinen und Freizeitzentren.v

Nicht zuletzt muss dem steigenden Bedarf nach Eltern- und Familienbildung eine gestärkte Verpflichtung entsprechen, solche Angebote tatsächlich vorzuhalten. „Leistungen zur Förderung der Erziehung in der Familie“ sind nach § 16 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII) gesetzlich bisher lediglich als „Soll-Leistungen“ vorgesehen und daher besonders abhängig von der jeweiligen Kassenlage.
Die Zeit ist reif dafür, dass aus dem „Soll“ ein „Muss“ wird.

Mit herzlichen Grüßen

Prof. Dr. Franz Resch, Präsident der Deutschen Liga für das Kind

Dr. Jörg Maywald, Geschäftsführer der Deutschen Liga für das Kind

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