fK 3/04 Rezensionen

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Rezensionen

Sich beziehen lernen: Alltag in einer fünfköpfigen Familie

Noudje, zwei Wochen alt, ist das dritte Kind der Familie. Wenn alle beisammen sind, kann nicht die ganze Aufmerksamkeit der Eltern dem Baby gewidmet werden. Mutter und Vater wenden sich spontan einzelnen Kindern zu und unterstützen deren Kontakte untereinander. Kommunikation erfolgt zu großen Teilen nonverbal, über Körpersprache. In dem Film „Ein neues Brüderchen“ wird dies durch Interaktionsanalysen teilweise „stillstehender“ Bilder gezeigt. Es wird deutlich, dass intuitiv gewählte Interaktions- und Sprachformen der Eltern den Kindern vielfältige soziale und sprachliche Entwicklungsanregungen geben.

Der Regisseurin Saskia van Rees gelingt es, in einer entspannten häuslichen Situation emotional bewegende Momente im Leben einer Familie exemplarisch zu erfassen. Der eingesprochene Text bietet zusätzliche Informationen und analysiert das Geschehen. Der Film „Ein neues Brüderchen“ ist interessant und lehrreich für pädagogisch-psychologisches Fachpersonal, Multiplikatoren in den Feldern Geburt und Familienbildung, Eltern und Schüler(innen).

Stella Valentien

Ein neues Brüderchen
VHS 30 Minuten
Regie: Saskia van Rees
Stichting Lichaamstaal 1986

Sterbend die Seele baumeln lassen

Großvater ist sehr krank und hat ein müdes Herz. Er muss sich schonen und darf sich nicht aufregen. Sein Enkel Valentin besucht ihn und findet es langweilig im Krankenzimmer, wo es doch draußen so schön ist. Er öffnet die Fenster und lässt die Sonne herein, die den Großvater wärmt. Die beiden beschließen, eine Phantasiereise hinaus in die Welt zu unternehmen. Das farbenfroh illustrierte Kinderbuch für Kinder ab etwa fünf Jahren nimmt Leser und Betrachter mit auf diesen wunderbar lebensfrohen Ausflug.

Großvater und Valentin genießen in vollen Zügen und mit all ihren Sinnen den Reichtum der Natur, spüren den Wind, betrachten staunend die Farben der Bäume, Blumen und Tiere, das Spiel von Licht und Schatten. Sie planschen vergnügt im Bach, lauschen dem Gesang der Vögel, erfreuen sich am Geschmack der sonnengereiften Erdbeeren und am Duft von Wiese und Wald. „Es geht uns ungeheuer gut“, sagt Großvater am Ende des Ausflugs, wird müde und schließt die Augen.

„Großvater hebt ab“ ist ein Buch über den Genuss und die Fülle des Lebens und die Natürlichkeit des Sterbens.

Marita Salewski

Sigrid Laube
Bilder von Maria Blazejovsky
Großvater hebt ab

Wien, München 1998, 32 Seiten
13,40 Euro

Lob der Eifersucht

Einen Bruder oder eine Schwester zu haben kann die Hölle sein, aber auch ein fabelhaftes Glück. Der französische Arzt und Kinderpsychologe Marcel Rufo macht deutlich, dass die unvermeidliche Eifersucht zwischen Geschwistern eine wichtige Triebfeder darstellt auf der Suche nach dem eigenen Ich.

„Wenn Eltern das Risiko eingehen, mehrere Kinder zu haben, (…) sind sie noch fest davon überzeugt, dass ihre Kinder, die in der Liebe geboren wurden, sich perfekt miteinander verstehen werden. Ich muss ihnen leider sagen, dass das ein Irrtum ist.“ Was Marcel Rufo – einer der bekanntesten Kinderpsychologen Frankreichs – hier so nüchtern ankündigt, kann all denen Mut machen, die an der tiefen Ambivalenz von Geschwisterbeziehungen zu verzweifeln drohen. Gerade das Hin und Her zwischen Liebe und Hass unter Geschwistern nämlich erlaubt es jedem einzelnen, sich im Wechselspiel von Ähnlichkeiten und Unterschieden besser zu definieren und zu sich selbst zu finden.

Über den „normalen“ Wettkampf unter Geschwistern hinaus behandelt Rufo in seinem Buch aber auch spezielle Fragen u.a. zu Adoptivgeschwistern, Zwillingen und Scheidungskindern. Nicht selten wartet er mit überraschenden Statements und Empfehlungen auf, so zum Beispiel, wenn er als „idealen“ Abstand zwischen Geschwistern nicht wie zumeist üblich drei, sondern sechs bis sieben Jahre angibt.

In seiner Mischung aus fundiertem Erfahrungswissen und Anekdotischem bereichert das Buch sowohl Eltern als auch Fachleute, wenn sie sich mit der üblicherweise am längsten dauernden Beziehung beschäftigen, die das Leben zu bieten hat: der Beziehung zwischen Brüdern und Schwestern.

Dr. Jörg Maywald

Marcel Rufo
Geschwisterliebe – Geschwisterhass
Die prägendste Beziehung unserer Kindheit

München 2004, 250 Seiten
18,90 Euro

Wenn das zweite Kind sich ankündigt

Wie ist es, wenn das zweite Kind kommt? Viele Fragen drängen sich den Eltern auf, z.B. wie sie das ältere Kind auf das Geschwisterchen vorbereiten und wie sie selbst mit der neuen Situation zurecht kommen können. Regina Hilsberg, selbst Mutter von vier Kindern, bietet anhand eigener Erfahrungen kompetenten Rat an.

„In diesem Buch werden Sie sehr konkrete Ratschläge finden, aber auch weitgreifende Überlegungen“, heißt es in der Einleitung. Im ersten Teil wird die Situation von Familien mit Kindern aus theoretischer Sicht geschildert. Die Autorin fragt, warum Eltern ein zweites Kind haben wollen und welche Probleme dabei entstehen können. Die weiteren Kapitel geben praktische Anregungen zur mentalen Vorbereitung und Alltagsgestaltung während unterschiedlicher Perioden. Betrachtet wird die Zeit von der Schwangerschaft über die Geburt bis zum Leben mit zwei Kindern. Man kann viel erfahren über die neuen Bedingungen und die Veränderungen in den Beziehungen der Familie, sowohl für die Partner als auch für das ältere Kind, welches eine neue Rolle übernehmen muss. Regina Hilsberg gibt Anregungen – manchmal mit Humor – u.a. zu den Themen Tragen, Stillen/Essen, Körperpflege, Wohnungsgestaltung, Teilen der Zuwendung durch „aufmerksame Beiläufigkeit“, Geschwisterbeziehungen und Eifersucht bei Kindern.

Das Buch liefert viele nützliche Informationen und ist lesenswert für Eltern, wenn das zweite Kind sich ankündigt.

Dorota Sobczuk

Regina Hilsberg
Wenn das zweite Kind kommt
Schwangerschaft, Geburt und das erste Lebensjahr

Freiburg 2003, 160 Seiten
13,30 Euro

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