25 Jun fK 2/09 Rothärmel
Beteiligung von Kindern an medizinischen Entscheidungen
Schutz des Persönlichkeitsrechts Minderjähriger in ärztlicher Heilbehandlung
von Sonja Rothärmel
Wenn in den Medien über die Rechte minderjähriger Patienten gesprochen wird, geht es dabei nicht selten um dramatische Konflikte zwischen Kindern und deren Eltern und Ärzten. Vormundschaftsrichter müssen dann vor den Augen der Öffentlichkeit entscheiden, welche Partei ihren Willen durchsetzten darf. So erregte jüngst der Fall der 13-jährigen Hannah Jones, die eine potentiell lebensrettende Herztransplantation ablehnte, weltweit großes Aufsehen. Wenn es im Folgenden um die Rechte Minderjähriger im Krankenhaus geht, sollen weniger solche extremen Fälle in den Blick gerückt werden, als vielmehr der alltägliche Arzt- oder Krankenhausbesuch eines Kindes oder eines Jugendlichen. Es soll gezeigt werden, dass nicht der Streit um die Entscheidungshoheit im Interesse junger Patienten ist. Kinder und Jugendliche profitieren rechtlich wie medizinisch von einer partizipativen Entscheidungsfindung, in deren Zentrum das Recht des Kindes auf angemessene Aufklärung und Information über Diagnose und Therapieverlauf stehen sollte.
Das Kind wurde über Jahrhunderte hinweg als Gegenstand von Schutz und Fürsorge wahrgenommen, das gilt auch für die gesundheitliche Versorgung. Weil sie mit Beginn der Industrialisierung der Gefahr der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft ausgesetzt waren, stand im Zentrum völkerrechtlicher Abkommen zunächst der Gesundheitsschutz von Kindern. Das hat sich mit der UN-Kinderrechtskonvention von 1989 geändert. Hier wurden erstmals Freiheitsrechte des Kindes anerkannt, wie etwa Art. 12, der dem Kind das Recht auf Anhörung und Achtung seiner Meinung zusichert in allen Angelegenheiten, die das Kind berühren. Die in Art. 12 UN-Kinderrechtskonvention aufgestellte Pflicht der Erwachsenen, die Meinung des Kindes angemessen zu berücksichtigen, ist nicht an eine Altersgrenze gebunden. Jedes Kind hat ein Recht auf angemessene Berücksichtigung seiner Meinung ab dem Zeitpunkt, ab dem es die natürliche Fähigkeit besitzt, sich eine Meinung zu bilden. Auch im deutschen Verfassungsrecht ist anerkannt, dass Kinder und Jugendliche Träger von Grundrechten einschließlich der Freiheitsrechte sind (Roell 1984). Deshalb finden wir heute in vielen Rechtsgebieten einfachgesetzliche Vorschriften, die Kindern Verfahrensrechte einräumen, so etwa im Allgemeinen Verwaltungsrecht, dem Kinder- und Jugendhilferecht oder dem Gesetz über die Freie Gerichtsbarkeit.
Im Medizinrecht haben wir uns zunächst schwer damit getan, im Lichte der Grundrechte des Patienten spezifische Patientenrechte des Minderjährigen zu definieren. Viele Versuche, das Arzt-Patientenverhältnis einfachgesetzlich zu regeln, sind schon beim Erwachsenen über Jahrzehnte hinweg gescheitert (Tag 2001). Die Charta der Patientenrechte, deren Zusammenstellung im Jahr 2003 von Justiz- und Gesundheitsministerium gemeinsam veranlasst wurde, ist kein Gesetz über Patientenrechte. Sie ist rein deklaratorischer Natur und basiert im Wesentlichen auf Grundsatzurteilen der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Denn es waren die Gerichte, die nach und nach einzelne Rechte des Patienten schufen, vom Recht auf Einsicht in die Krankenakte über die Beweislastverteilung im Arzthaftungsprozess bis hin zum wichtigsten aller Patientenrechte: dem Recht auf Einwilligung nach umfassender Aufklärung.
Die rechtliche Anerkennung der medizinethischen Doktrin vom Informed Consent (Einwilligung nach Aufklärung) ist nach der Rechtsprechung der Bundesgerichtshöfe wie auch des Bundesverfassungsgerichts die entscheidende Voraussetzung für effektiven Persönlichkeitsschutz beim Erwachsenen in ärztlicher Behandlung. Rechtlich abgesichert, das heißt sanktioniert, wurde sie mit Hilfe der so genannte „Körperverletzungsdoktrin“: Seit 1896 gilt in ständiger Rechtsprechung: Allein der Wille des Patienten und allein seine höchstpersönliche Einwilligung legitimieren einen Arzt, einen Patienten zu behandeln. Selbst wenn die Behandlung erfolgreich war, und der Patient am Ende geheilt ist, macht sich – von der Notfallbehandlung Einwilligungsunfähiger abgesehen – derjenige strafbar, der nicht zuvor die Einwilligung des Patienten eingeholt und diesen gründlich über Risiken und Belastungen des Eingriffs aufgeklärt hat. Der Leitgedanke zum Schutz der Persönlichkeitsrechte des erwachsenen Patienten ist also: Indem der Wille des Patienten rechtlichen Vorrang bekommt vor dem aus ärztlicher Sicht Nützlichen, der Patient also autonom nach eigenen Wertvorstellungen entscheiden darf, sorgen wir dafür, dass Ärzte die Autonomie und das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen achten müssen. Das heißt, der Schutz des Persönlichkeitsrechts des Erwachsenen wird mittelbar durch die absolute Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts über den eigenen Körper verwirklicht.
Vielleicht in der Annahme „was beim Erwachsenen hilft, das hilft auch bei Kindern“, haben Teile der Rechtswissenschaft dann seit den ausgehenden 1970er Jahren unterschiedliche Gesetzentwürfe erarbeitet, die Minderjährigen schon vor dem Erreichen der Volljährigkeit ein Alleinentscheidungsrecht über ärztliche Behandlung einräumen wollten. Gemeinsame Grundlage dieser Überlegungen war eine Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahr 1957, wonach maßgeblich für die Kompetenz, in eine ärztliche Operation einzuwilligen oder diese abzulehnen, nicht erst das Erreichen der zivilrechtlichen Geschäftsfähigkeit (18 bzw. vormals 21 Jahre) ist. Vielmehr soll es bei der Einwilligung in den ärztlichen Heileingriff auf die natürliche „Einwilligungsfähigkeit“ ankommen. Einwilligungsfähig in diesem Sinne ist ein Minderjähriger seitdem in ständiger Rechtsprechung immer dann, wenn er „Wesen, Bedeutung und Tragweite des Eingriffs und seiner Unterlassung überschauen und entsprechend handeln kann“. Zweck dieser Teilmündigkeit in Heilbehandlung sollte es sein, auch Minderjährigen – soweit angemessen – ihr Selbstbestimmungsrecht und mittelbar die Achtung ihres Persönlichkeitsrechts zu garantieren.
Die Rechtsprechungsformel von der Einwilligungsfähigkeit ist bedauerlicherweise recht vage und in der Praxis schwer handhabbar. Deshalb wurde von der Rechtswissenschaft vielfach eine gesetzliche Definition dieser Formel gefordert, sowohl von Seiten des Strafrechts (Amelung ZStW 105 (1992), 552 ff. und 821 ff.; Ulsenheimer in Dierks/Graf Baumann/Lennard 1995; Neyen 1991) als auch von Seiten des Familien- und Haftungsrechts (Peschel-Gutzeit in Staudinger zu § 1626; Jäger 1988). Die Definitionsvorschläge wurden im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit nicht selten um den Vorschlag ergänzt, die Heilbehandlungs-Teilmündigkeit an eine Altersgrenze zu knüpfen. So hat etwa die Familienrechtskommission des Deutschen Juristinnenbundes schon 1977 einen Entwurf erarbeitet, wonach 16-Jährige stets das Recht zur Alleinentscheidung für oder gegen einen Eingriff wie etwa eine Operation haben sollten; 14-Jährige sollten das Recht erhalten, eigenständig die Zustimmung zu einem ärztlich indizierten Heileingriff zu erklären (Juristinnenbund/Familienrechtskommission 1977).
Die nachfolgende rechtswissenschaftliche Diskussion lässt sich grob zusammenfassen als fortwährender Streit über das adäquate Lebensalter für eine solche Heilbehandlungs-Teilmündigkeit. Mitunter wurde auch eine nach Art der Behandlung abgestufte Altersgrenze gefordert. Zugang zu Ovulationshemmern sollten Mädchen ab 14 Jahren erhalten, der Schwangerschaftsabbruch ebenfalls ab 14 und Therapieverzicht bei bösartigen Erkrankungen ab 16 Jahren (Wiss. Beirat der Bundesärztekammer 1994) erlaubt werden (ausführlich zu den verschiedenen Modellen Rothärmel 2004). Die Gesetzgebung hat allerdings keinen dieser Entwürfe umgesetzt. Damit blieben es in der ärztlichen Praxis im Regelfall die Eltern, die bis zur Volljährigkeit des Kindes aufgeklärt und um die Einwilligung gebeten wurden.
Wir verdanken es wohl auch der empirischen Sozialforschung in Großbritannien (Alderson 1993; Alderson/Montgomery 1996), dass wir auch in Deutschland angefangen haben, Rechtstatsachenforschung zu betreiben zu der Frage, wie Kinder und Jugendliche die Achtung ihres Persönlichkeitsrechts in ärztlicher Behandlung tatsächlich erleben. Die britische Sozialwissenschaftlerin Priscilla Alderson hat durch Studien an 120 Kindern und Jugendlichen im Alter zwischen acht und 15 Jahren die Erkenntnis gewonnen, dass das Übertragen der Informed-Consent-Doctrin auf Minderjährige, das heißt das Fokussieren auf das Selbstbestimmungsrecht, den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen nicht gerecht wird. Der Grossteil ihrer Patienten, die vor einem orthopädischen Eingriff standen, wollte in die Entscheidung mit einbezogen und informiert werden. Der geringste Teil nur forderte ein Alleinentscheidungsrecht. Nicht Freiheit oder Fürsorge, sondern Freiheit in Fürsorge lautet ihre Forderung (Alderson in: Wiesemann et al 2003).
Da auch im deutschen Medizinrecht die Informed-Consent-Doctrin der Schlüssel zu allen Patientenrechten ist, lag es angesichts dieser Daten aus Großbritannien nahe zu fragen, ob es richtig ist, das Persönlichkeitsrecht Minderjähriger mit den Mitteln des Erwachsenenrechts, das heißt vermittelt über die Zuerkennung des Selbstbestimmungsrechts zu schützen. Wir konnten dieser Frage Dank der finanziellen Förderung durch die VW-Stiftung (Förderschwerpunkt „Recht und Verhalten“) in einer Studie mit kinder- und jugendpsychiatrischen Patienten nachgehen (Rothärmel et al 2006). Unter der gemeinsamen Leitung des Kinder- und Jugendpsychiaters Jörg Michael Fegert und der Medizinstrafrechtlerin Gabriele Wolfslast wurden beginnend im Jahr 2000 Daten erhoben zu den Bedürfnissen Minderjährigen in ärztlicher Entscheidungsfindung. Wir wollten wissen, wie die Informationspraxis seitens der Ärzte und seitens der Eltern ist, welche Informationsbedürfnisse Kinder und Jugendliche haben, wann sie alleine entscheiden wollen und welche Mitentscheidungsmöglichkeit sie tatsächlich haben bzw. wünschen. Dazu wurden Daten erhoben zu den Themen:
– Informationspraxis vs. Informationsbedürfnisse
– Kenntnisstand bei Behandlungsbeginn
– wahrgenommene Rechte bei Behandlungsbeginn und im Verlauf
– subjektives Erleben der Aufnahme (Stigma, Emotionalität und Motivation)
– Partizipationspraxis und -bedürfnisse
– Korrelationen insbesondere mit der Einschätzung des Behandlungserfolgs
Nach einer qualitativen Vorstudie haben die Psychologinnen Dippold und Wiethoff Messinstrumente entwickelt und im Anschluss daran 296 Patienten in Rostock und in der Klinik Weißenau Daten erhoben und ausgewertet (Dippold/Wiethoff 2005 und Rothärmel et al 2006).
Der vordringlichste Wunsch minderjähriger Patienten ist es nach den Ergebnissen dieser Studie, gemeinsam mit Eltern und Ärzten zu einer Entscheidung zu gelangen. Kinder und Jugendliche möchten bei dem Prozess der Entscheidungsfindung durch frühzeitige Information und Anhörung beteiligt sein. Nicht das Recht, allein entscheiden zu dürfen, erleben Kinder und Jugendliche als entscheidend für den Respekt Ihrer Persönlichkeit und Würde, sondern vor allem die ehrliche und frühezeitige Aufklärung über das, was sie während des stationären Aufenthalts erwartet sowie das Recht, sich dazu eine eigene Meinung bilden zu dürfen. Wie wichtig umfassende Informationen über Diagnose und Therapie für Kinder und Jugendliche sind, mag die Aussage einer Achtjährigen zeigen, die wir im Rahmen der qualitativen Vorstudie erhalten haben: „Man kann doch nicht einfach so über einen Menschen hinweg entscheiden, egal ob Kind oder Erwachsener, man muss ihn doch wenigstens anhören, auch wenn man dann anders entscheidet“. Unter den Kindern bis 13 Jahren wollen 50 Prozent bei der Behandlungsplanung gefragt werden, bei den Jugendlichen waren es über 80 Prozent. 86 Prozent der Kinder und Jugendlichen hielten es für sehr wichtig, zu Beginn der Behandlung gut informiert zu sein. Sowohl Kinder als auch Jugendliche forderten die Beteiligung während der Behandlung in 80 Prozent der Fälle.
Das Recht, im Sinne der Doktrin vom Informed Consent allein entscheiden zu dürfen, fordert demgegenüber nur eine geringe Zahl der Befragten ein. Das gilt sogar für die Gruppe der jugendlichen Patienten (14 bis 18 Jahre), von denen nur 21 Prozent ein Alleinentscheidungsrecht wünschen. Bei der Untergruppe der Patientinnen, die an Magersucht erkrankt sind, fordern nur 7 Prozent das Recht zur alleinigen Entscheidung.
Das festgestellte starke Bedürfnis nach Information und Partizipation steht in deutlichen Gegensatz zu der erhobenen Informationspraxis: 73 Prozent der beragten Patienten fühlten sich gut informiert über die Stationsregeln. Über Fragen der Behandlung fühlten sich bei Aufnahme nur 31 Prozent einigermaßen informiert. 25 Prozent der Sieben- bis 13-Jährigen und drei Prozent der 14 bis 17-Jährigen hatten gar keine Vorstellung über die geplante Behandlung. 30 Prozent der Sieben bis 13-Jährigen unterlagen kompletten Fehlvorstellungen: „Da kann man Reiten und Schwimmen…“. Über 60 Prozent der Kinder und Jugendlichen gaben an, dass sie eher nicht oder überhaupt nicht auf den bevorstehenden Klinikaufenthalt vorbereitet worden waren. Altersunabhängig nahm die Hälfte der Patienten an, Ärzte und Therapeuten seien an ihrer Meinung nicht interessiert. Nachdem wir auch zeigen konnten, dass gute Information über Diagnose und Therapie signifikant positiven Einfluss auf Behandlungsmotivation und -erfolg haben, stimmt diese Zahl vielleicht besonders bedenklich. Wie wichtig eine möglichst erlebnisnahe Vorabaufklärung über die Klinik ist, zeigt abschließend folgendes Ergebnis: 79 Prozent aller Kinder und Jugendlichen waren der Meinung, dass eine vorweg erfolgte Besichtigung der Klinik die stationäre Aufnahme erheblich erleichtert hätte.
Diese Ergebnisse aus der Kinder- und Jugendpsychiatrie sind bisher noch nicht in anderen Bereichen der Kinderheilkunde überprüft worden. Daten aus dem europäischen Ausland und den USA (Dippold/Wiethoff 2005 und Rothärmel et al 2006) lassen jedoch vermuten, dass das starke Informations- und Partizipationsbedürfnis einerseits sowie das relative Desinteresse an einem Alleinentscheidungsrecht auch andernorts in der Pädiatrie festzustellen ist. Die Garantie dieser beiden Ansprüche hat unserer Studie zufolge großen Einfluss auf die Therapiemotivation und darauf, ob junge Patienten sich als Personen geachtet fühlen. Als Missachtung ihrer Person erleben junge Patienten vor allem das Ausgeschlossensein aus der Behandlungsplanung. Sie beklagen fehlende Informationen über Therapietermine, Unkenntnis über die Dauer der geplanten Behandlung insgesamt und äußern den Wunsch, dass Ärzte und Therapeuten an der Zimmertür anklopfen, bevor sie eintreten.
Kindern zu vermitteln, dass Sie Rechte haben und dass diese geachtet werden, kann im Kleinen anfangen. Es können Informationsbroschüren über ihre Rechte verteilt werden, es könnte im Untersuchungszimmer ein Plakat hängen, das Kinder ermuntert, Fragen zu stellen. In der kinder- und jugendpsychiatrischen Klinik der Universität Ulm wurde unter der Leitung von Jörg Michael Fegert schon beim räumlichen Umbau darauf geachtet, dass die Mitbestimmungsrechte der Patienten Platz bekommen; und auf den Türen der Aufzüge sind dort in jedem Stockwerk einzelne Artikel der UN-Kinderrechtskonvention zu lesen. Auch andernorts werden Telefone oder Sprechstunden bei Patientenfürsprechern zur Verfügung gestellt, um den Patienten Zugang zu einem Beschwerdemanagement zu eröffnen.
Kindern angemessene Information in kindgerechter Sprache zu geben und sie in die Behandlungsplanung mit einzubeziehen ist für einzelne Kinderärzte schon heute selbstverständlich. Das geltende Recht verpflichtet allgemein zu einem offenen Umgang mit Kindern. Eltern sind nach § 1626 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) verpflichtet, die Meinung ihres Kindes zu achten. Die elterliche Sorge ist auch im Rahmen einer ärztlichen Heilbehandlung als weichendes Pflichtenrecht ausgestaltet, das heißt die elterlichen Befugnisse treten zurück, wo das Kind selbst entscheiden kann. Wie weit ein Kind befähigt wird, sich selbst eine Meinung zu bilden, hängt stark von der Bereitschaft und den Fähigkeiten des Arztes ab, der das Kind aufklärt. In Jedem Fall ist es ärztliche Aufgabe, Kinder und Jugendliche über Diagnose und Therapie aufzuklären. So richtet auch Art. 6 der Bioethikkonvention des Europarates die Forderung „Der Meinung der minderjährigen Person kommt mit zunehmendem Alter und zunehmender Reife immer mehr entscheidendes Gewicht zu“ unmittelbar an das medizinische Personal. In einer aktuell erschienenen Leitlinie aus dem Bereich Kinderheilkunde, den ethischen Empfehlungen zur medizinischen Intervention bei DSD (vormals „Intersexualität“) werden Informations- und Partizipationsrechte als ganz wichtige Behandlungsvoraussetzungen betont (Wiesemann et al 2008).
Eine Behandlungsplanung für Kinder und Jugendliche sollte im Idealfall von der kumulativen Einwilligung von Eltern und Kind getragen sein. Werden minderjährige Patienten frühzeitig in die Behandlungsplanung einbezogen, dient dies nicht nur der Achtung ihrer Persönlichkeit und Würde, sondern auch der Prävention späterer Konflikte, was eine Auseinandersetzung vor Gericht auch im Falle ernsthafter Erkrankungen am ehesten zu verhindern verspricht.
Dr. jur. Sonja Rothärmel ist Mitarbeiterin am Institut für Bio-, Gesundheits- und Medizinrecht der Universität Augsburg.
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