fK 1/09 Schäfer Schulte

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Kicker, Carrera und „care“

Wie die Generation Papa tickt und wo sie sich trifft

von Eberhard Schäfer und Marc Schulte

Donnerstagvormittags gegen elf Uhr. Kinderwagen parken in einer Dreierreihe vor dem Papaladen in Berlin-Prenzlauer Berg. Der Kinderwagenparkplatz auf dem Bürgersteig erregt die Aufmerksamkeit der Passanten. Was ist denn da los? „Papa-Café“ ist angesagt. Jeden Donnerstag kommen 12 bis 17 Väter mit ihren Kindern hierher, alle (Kinder) im Baby- und Krabbelalter.

Der Papaladen ist rappelvoll, der Geräuschpegel hoch: „Papa-Talk“ findet statt. Die Kinder krabbeln auf großen Matten mitten im Raum. Drumherum, auf Turnhallenbänken, Stühlen und auf dem Fußboden, sitzen Väter in Grüppchen und unterhalten sich. Manche halten ihre Kleinen auf dem Arm, einige füttern ihre Babys. In der Küche des Papaladens kann „mann“ einen Babybrei aufwärmen oder eine Banane zerquetschen. Ein Vater wickelt gerade seinen Sprössling auf dem Wickeltisch in der Ecke.

Zum Papa-Café für Väter in Elternzeit kommen viele Stammgäste, aber jede Woche auch neue Besucher. Spontane Sympathiebekundungen sind häufig: „Toll, dass es so was gibt. Wusste ich noch gar nicht. Ich habe den Artikel über euch im Tagesspiegel gelesen und gedacht, da gehst du einfach mal hin. Total relaxte Atmosphäre hier.“ Unser Werbetext für diesen Treffpunkt für Väter in Elternzeit lautet: „Berliner Väter sind Spitze. Fast 20 Prozent aller Väter nehmen die Elternzeit in Anspruch, um Zeit für ihr Kind zu haben“. Wir erreichen immer mehr von ihnen.

Väter treffen im Papaladen Gleichgesinnte – Väter mit Kindern. So entsteht das, was wir „Papa-Talk“ nennen: Verbindung, Kommunikation, Vernetzung unter Vätern. Kommunikation über Väterlichkeit oder „neue“ Väterlichkeit, sie wird hier alltäglich, selbstverständlich, normal – und damit „überindividuell“, gemeinschaftlich. Wir schaffen mit dem Väterzentrum Berlin und unserem „Papaladen“ einen ziemlich einmaligen Ort, an dem die Vereinzelung der Väter aufgehoben und neue Väterlichkeit vernetzt wird. Erfreulich: Die Initiative „365 Orte im Land der Ideen“ der Bundesregierung und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie hat das Väterzentrum Berlin als „Ausgewählten Ort 2009“ ausgezeichnet, (www.land-der-ideen.de).

Ein Vater in Elternzeit, regelmäßiger Besucher des Papa-Cafés meinte einmal: „Ich habe meinen Kinderwagen immer allein durch Prenzlauer Berg geschoben. Dabei traf ich viele andere Väter, die auch allein ihre Kinder im Kinderwagen schoben oder ihr Baby im Tragetuch die Straße entlang trugen. Aber Kontakt zu diesen Vätern hatte ich nicht. Kontakt zu anderen Vätern bekam ich im Papaladen.“

Väter finden bei uns im Papaladen ein Team, das ihnen grundsätzlich positiv und wertschätzend gegenübersteht. Für uns als Mitarbeiter sind Väter keine defizitären Wesen, die zu wenig Zeit für ihre Kinder haben oder als Väter noch unglaublich viel zu lernen haben. Unsere Haltung ist: Jeder Vater ist auf seine Art der beste Papa. Wir wollen den Vätern nicht sagen, wie sie ihre Kinder zu erziehen haben, sondern ihnen einen Ort geben, an dem sie sich mit anderen Vätern über ihre Rolle austauschen, wo sie selbsttragende Netzwerke aufbauen und ohne Stigmatisierung Vater sein können. Wir sehen unsere Rolle in erster Linie als Netzwerker und Manager und erst in zweiter Linie als Berater und Coach. Übrigens: Wegen der großen Nachfrage öffnet das „Papacafé“ seit Anfang 2009 auch Dienstag Vormittag.

Insbesondere von Fachkolleginnen und -kollegen bekommen wir immer wieder zu hören: „Im Familienkiez im Prenzlauer Berg ist es ja auch kein Wunder, dass die Väter kommen“. Tatsächlich aber hatten wir lange Zeit ähnliche Schwierigkeiten, Väter zu erreichen, wie andere Einrichtungen anderenorts. Zufällig ausgewählte Väter, die wir fragten, was sie von einem „Väterzentrum“ hielten, sagten (sinngemäß) überwiegend: „Toll, dass es so etwas gibt, aber – ich brauche das nicht.“ Bei sehr vielen Männern – ob sie nun in Berlin-Prenzlauer Berg oder anderswo wohnen – erzeugt ein Begriff wie „Väterarbeit“ zunächst negative Assoziationen: Väter auf der Straße (in Prenzlauer Berg) sagten, da ginge es um „Selbsthilfegruppen für Weicheier“, um „Psychos“ und „Schwächlinge“. Das merken wir auch bei den Kommentaren, die wir beim Erstkontakt oft hören, wie etwa: „Muss meine Frau mich schlagen, wenn ich hier rein will? Oder ist das ein Angebot für allein erziehende Väter?“ Für viele Männer ist die Vorstellung abwegig, sich mit anderen Männern jenseits von Beruf und Hobby auszutauschen über Themen wie Kindererziehung oder gar Probleme.

Welche Konsequenzen haben wir daraus gezogen? Wir haben überlegt: Was kann einen Ort für Väter attraktiv machen? Wir begannen zweierlei: Erstens: Offensiv nach draußen gehen und unsere Arbeit kommunizieren. Seit etwa einem Jahr verfolgen wir einen gemeinwesenorientierten Ansatz. Wir gehen raus, verteilen Flyer auf Spielplätzen, engagieren uns in einer Stadtteilinitiative zur Gestaltung eines Stadtplatzes in der Nähe.

Zweitens: Drinnen im Väterzentrum ein Ambiente bieten, das Väter wirklich einlädt und anspricht. Was kann das sein? Im Papaladen gibt es kein Spielzeug nur für Kinder, sondern solches, mit dem sich auch Väter gerne beschäftigen: eine Carrera-Autorennbahn (vgl. Kunkel 2008), eine Dartscheibe, Tischfußball. Das „Kind im Manne“ ansprechen wurde zu unserem Konzept.

Alles im Papaladen ist so angelegt, dass Väter und Kinder unterschiedlicher Altersgruppen etwas gemeinsam erleben können. Beispiele: „Papa-Viewing“, das heißt: gemeinsam die Sportschau auf Großbildwand schauen; monatliche Ausflüge wie z. B. zur Polizei-Funkleitzentrale, zum Simulator der ISS-Raumfahrtstation oder raus in den Wald zum Weihnachtsbaumschlagen. Ein Familienbrunch, Wochenendfahrten ins Indianer-Tipidorf (vgl. Klemm 2008). All diese niedrigschwelligen und auf gemeinsames Erleben angelegten Angebote haben wir unter dem Label „Papaladen“ zusammengefasst. Um dem Papaladen ein Gesicht zu geben, damit er zu einer Marke wird, bewerben wir ihn mit bilderstarken und (möglichst) witzigen Flyern, Plakaten, Aufklebern, ausführlichen Dokumentationen sowie unserer ebenfalls reichhaltig bebilderten, stets aktuellen Internetpräsenz ( www.vaeterzentrum-berlin.de).

Ganz wichtig sind auch die Mütter. Mütter vermitteln (ihre) Männer zu uns. Viele kommen in den Papaladen rein und sagen, „Schön, dass es so was gibt. Das Programm nehme ich für meinen Mann mit.“ Wir verstehen uns als ausdrücklich mütterfreundlich.

Der Papaladen hat darüber hinaus den Effekt, dass er Türöffner für weitere Angebote wie unsere Kursangebote (Geburtsvorbereitung, Babyschwimmen, PEKiP, Rechtsberatung, psychosoziale Beratung (die wir männergerecht „Strategiegespräche“ nennen) und Gruppenangebote wird.

Wir meinen, dass der Schlüssel zum Erfolg des Papaladens in der Imagekorrektur liegt. Das neue Image des „Papaladen“ besagt: „Wer hierher kommt, ist kein Weichei, sondern ein Trendsetter!“ Das große Medieninteresse an Vätern in Elternzeit, ausgelöst durch die Neuregelung des Elterngeldes, kommt uns dabei sehr entgegen.

Ein weiter wichtiger Punkt ist, dass der Papaladen ein Ort ist, mit dem die Väter sich identifizieren. Wer etwas bekommt, möchte auch etwas zurückgeben können. Die Väter sind nicht nur Besucher, sondern sie werden Teil eines Netzwerkes und einer Idee. Jeder kann sich mit einbringen, Kontakte vermitteln oder sein Hobby einbringen. Wie zum Beispiel Georg Jungnitz, der uns seine riesige, raumfüllende Carrera-Autorennbahn unentgeltlich zur Verfügung stellte. Das Ergebnis war ein großes Familienevent: das Rennen um den „großen Preis vom Prenzlauer Berg“, zu dem mehrere hundert Besucher – Väter, Mütter und Kinder – kamen. Gewonnen hat übrigens eine Mutter mit ihrem Sohn!

Die meisten Väter, die zu uns kommen, sind gut ausgebildet. Sie sind vielfältig berufstätig: als Ingenieure, Juristen, IT-Spezialisten, aber auch als Verkäufer im Einzelhandel. Manche arbeiten in sicheren Jobs, etwa als Beamte in Bundesministerien, andere sind jedoch typische Vertreter des „Prekariats“ – freie Künstler, Grafiker, Journalisten oder Studenten. Eine große Vielfalt also, ebenso wie die Altersspanne, die zwei Generationen umfasst: „Unser“ jüngster Vater in Elternzeit ist derzeit 23, der älteste 50 Jahre alt – beide haben Krabbelkinder. Hinzugefügt sei, dass nicht wenige Berliner Bezirksgrenzen überwinden, um den Papaladen zu erreichen.

Wie schätzen wir die Väter ein, die zu uns kommen, wie die Entwicklung bei Vätern allgemein? Unsere Einschätzung nach sechs Jahren Aufbau eines Väterzentrums in Berlin und nach gut einem Jahr „Papaladen“ im Prenzlauer Berg lautet, kurz zusammengefasst, wie folgt:
– Was Väter verbindet, ist das große Interesse an der Nähe zu ihren Kindern, der starke Wunsch, eine tiefe, innige Beziehung zum Kind leben zu können. Viele leisten sich dafür die Elternzeit. Diese, so argumentieren viele Väter, wird als Investition in die gute Beziehung zum Kind gesehen: Man verzichtet auf Einkommen, meist auf dringend benötigtes Einkommen – aber das ist okay, weil man in eine nachhaltige Vater-Kind Beziehung investiert.

– Väter sehen sich in einer eigenständigen Rolle als Vater. Sie sehen sich nicht als Assistenten ihrer Partnerinnen. In diese Rolle sehen sie sich zuweilen gedrängt. Gerade deshalb schätzen sie den Papaladen als – meist, nicht immer – mütterfreien Raum, wo Väterlichkeit ausprobiert und kommuniziert werden kann. Väter sehen ihre Rolle als die „väterliche“. Väterlichkeit ist nichts Statisches, sie ist eine Suchbewegung und eine Vorstellung. Auf jeden Fall aber ist Väterlichkeit keine Kopie der Mutterrolle.

– Väter sehen ihre Vaterrolle nicht als Alternative zur „alten“ Ernährerrolle. Vielmehr sind Ernährer- und Vaterrolle – im Sinne von Väterlichkeit – gleichberechtigte Säulen väterlicher Identität. Die meisten Väter identifizieren sich stark mit ihrem Beruf. Nach ihrem Selbstverständnis – und häufig in ihrer Familienrealität – tragen sie den größeren Teil zum Familieneinkommen bei. Diese annähernde Gleichwertigkeit von väterlicher und Berufs- und Ernährerrolle führt auch zu Stress und inneren Konflikten bei den Vätern. Auch wenn es häufig leicht, locker und bunt aussieht: Für viele Väter ist „neue“ Väterlichkeit nicht leicht zu vereinbaren mit der Verantwortung für das materielle Wohl der Familie.

Diese drei Charakteristika treffen nach unserer Einschätzung auf viel mehr Väter zu als nur auf diejenigen, die dem Klischee vom „Prenzlauer-Berg-Papa“ entsprechen. Sicherlich haben wir es hier mit Trendsettern zu tun, aber der Trend ist stärker als viele glauben wollen. Wir meinen: Wir haben es hier und heute mit der „Generation Papa“ zu tun. Diese besteht aus Vätern, die eine intensive Vater-Kind-Beziehung suchen und aktiv aufbauen, die Väterlichkeit als eigenständig begreifen und nicht als Kopie oder Ergänzung von Mütterlichkeit, und die Beruf und Väterlichkeit als ähnlich wichtige, nicht selten widersprüchliche Lebensaspekte begreifen. Diese „Generation-Papa“-Väter suchen, so meinen wir, nach Kommunikation und Vernetzung ihres Verständnisses von Väterlichkeit. Das Konzept des „Papaladens“ – vätergerecht gestaltet, gemeinwesenorientiert vernetzt, mit positiv-ressourcenorientierter Haltung der Mitarbeiter – bietet einen Weg aus der väterlichen Vereinzelung. Mehr davon ist möglich und nötig, wenn Väterlichkeit sich weiter verbreiten soll.

Väterzentrum Berlin/Papaladen
Träger: Mannege e.V.
Marienburger Str. 28, 10405 Berlin
Tel.: (030) 28 38 98 61
E-Mail: info@vaeterzentrum-berlin.de
www.vaeterzentrum-berlind.de
Bank für Sozialwirtschaft (BLZ:10020500), Konto-Nr. 306 87 00

Die Literaturangaben sind über die Geschäftsstelle erhältlich.

Eberhard Schäfer ist Diplom-Politologe und Leiter des Väterzentrums Berlin.

Marc Schulte ist Industriekaufmann, Sozialpädagoge und Local Manager des Väterzentrums Berlin.

No Comments

Post A Comment