fK 1/06 Schneider

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Leben an zwei Orten

Die Folgen beruflicher Mobilität für Familie und Partnerschaft

von Norbert F. Schneider

Ein wesentliches Merkmal des Wandels der Erwerbsarbeit in den industrialisierten Ländern in den letzten Jahren ist die so genannte „Entgrenzung“ der Arbeitsverhältnisse. Entgrenzung bezeichnet dabei einen umfassenden sozialen Prozess, in dem sich die Arbeitsorganisation, die Arbeitsinhalte, die individuell einzubringenden Qualifikationen und die vom arbeitenden Subjekt abverlangte Verfügbarkeit nachhaltig verändern. Die sich ausbreitenden neuen Formen der Arbeitsorganisation beeinflussen unmittelbar das Verhältnis von Arbeit und Privatleben, von Beruf und Familie in einer ambivalenten und vielfach unbestimmten Form. So ist die Flexibilisierung von Arbeitszeiten einerseits ein wichtiger Mechanismus zur besseren Vereinbarung von Familie und Beruf, sie kann andererseits aber auch dazu führen, dass Dauer, Lage und Rhythmus individueller Arbeitszeiten unter den Familienmitgliedern kaum noch zu harmonisieren sind und dadurch das Familienleben beeinträchtigen.

Mobilität in der Moderne: Wachsende Anforderungen bei sinkender Bereitschaft?

Mehr noch als die entstandardisierte Zeitgestaltung tangiert die zunehmende Ablösung der Arbeit von einem dauerhaften konkreten Arbeitsort die alltägliche Lebensgestaltung und die Entwicklung von Familie und Partnerschaft. Die früher verbreitete Konstellation, dass die Arbeit ein ganzes Arbeitsleben lang an einem Arbeitsort oder in einer Region geleistet wurde, löst sich aus vielfältigen Gründen auf. Eine Ursache dieser Entwicklung besteht darin, dass die Zahl der Beschäftigten zunimmt, die ihre Tätigkeiten an wechselnden Einsatzorten zu erbringen haben, was mit wiederkehrenden längeren Abwesenheiten vom Wohnort verbunden ist. Eine zweite Ursache ist in der „Auflösung der Normalarbeitsverhältnisse“ zu sehen, was in diesem Zusammenhang bedeutet, dass sich derzeit viele Arbeitnehmer in zeitlich befristeten und instabilen Arbeitsverhältnissen befinden und im Laufe ihres Erwerbslebens mehrfach ihren Arbeitgeber und damit häufig verbunden auch ihren Arbeitsort wechseln (müssen). Entscheidend ist bei diesem Argument nicht die Annahme, dass Beschäftigte heute öfters als in der Vergangenheit Job, Beruf oder Arbeitgeber wechseln. Aufgrund fehlender Daten sind solche Aussagen nicht zu treffen und es gibt sogar Hinweise, dass die „Lebensstellung“ auch früher eher die Ausnahme bildete und Jobwechsel keine Erscheinung der Moderne sind. Wesentlich in unserer Argumentation ist die These, dass ein Wechsel des Arbeitgebers heute mehr als früher mit einem Wechsel des Arbeitsortes und der Region verbunden ist und dadurch erhöhte räumliche Mobilität entsteht.

Eine dritte Ursache resultiert aus dem sektoralen Strukturwandel der Arbeit, der zu einem Bedeutungsrückgang des primären und jüngst vor allem des sekundären Sektors geführt hat, mit der Folge, dass in vielen Regionen die Nachfrage nach Arbeitskraft zurückgegangen ist. Räumliche Mobilität in Form von Umzug oder in Form von zirkulärer Mobilität, das heißt täglichem oder wochenweisem Pendeln zwischen Wohn- und Arbeitsort, ist hier ein bedeutender Mechanismus zur Reduzierung regionaler Differenzen bei Nachfrage und Angebot auf dem Arbeitsmarkt. Demgemäß wird in der gezielten Förderung der Mobilität der Erwerbspersonen ein wichtiges Instrument zur Verringerung der Arbeitslosigkeit und zur Vorbeugung gegen einen drohenden Arbeitskräftemangel in manchen Branchen und Regionen gesehen.

Belege für die besondere Bedeutung, die einer erhöhten Mobilitätsdynamik zugemessen wird, sind auf europäischer Ebene das im Jahr 2002 gestartete Aktionsprogramm „Qualifikation und Mobilität“ sowie, auf nationaler Ebene, die deutlich ausgebauten so genannten Mobilitätshilfen der Arbeitsämter. Im Jahr 2003 haben die Arbeitsämter in Deutschland, nach Angaben der Süddeutschen Zeitung vom 17.12.2003, rund 180 Millionen Euro für Mobilitätshilfen an Arbeitnehmer ausgeschüttet. Etwa 278.000 Personen haben entsprechende Mittel in Anspruch genommen. Im Vergleich zum Jahr 2001 haben sich die Ausgaben damit fast verdoppelt und die Zahl der unterstützten Personen ist um circa 75 Prozent gestiegen. Diese Entwicklung spiegelt die veränderte Förderpraxis und die seit dem Jahr 2003 im Arbeits- und Sozialrecht deutlich erhöhten Mobilitätsanforderungen wider. Die neuen Bestimmungen gehen davon aus, dass Arbeitslosen Mobilität grundsätzlich zuzumuten ist, um einen (neuen) Job zu bekommen. Wenn nicht familiale Belange (z.B. Pflege von Angehörigen, Kinderbetreuung) Ausnahmen erlauben, wird ein Umzug ebenso für zumutbar erachtet wie doppelte Haushaltsführung oder tägliches Pendeln, wobei im letztgenannten Fall eine tägliche Fahrtzeit von bis zu 2,5 Stunden für den Weg zum Arbeitsplatz und zurück bei einer Vollzeitbeschäftigung als vertretbar angesehen wird.

Die Mobilitätshilfen, im Fall von täglichem oder wöchentlichem Pendeln auf einen Zeitraum von bis zu sechs Monaten beschränkt, sollen Anreize schaffen, um die insgesamt weiterhin eher geringe Mobilitätsbereitschaft der Arbeitslosen in Deutschland zu erhöhen. Ein Beleg für die wenig ausgeprägte Mobilitätsbereitschaft sind die Ergebnisse einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) aus dem Jahr 2000. Danach würden 63 Prozent der befragten Arbeitslosen einen Wechsel des Wohnortes, um einen neuen Job zu bekommen, „auf keinen Fall in Kauf nehmen“. Einen längeren Weg zu einer potentiellen neuen Arbeitsstätte würden 58 Prozent nur „ungern“ oder „gar nicht“ akzeptieren.

Die Ergebnisse dieser Studie bestätigen auch den bekannten Zusammenhang, dass familiale Bindungen die Mobilitätsbereitschaft einschränken. 77 Prozent der Arbeitslosen mit Kind und einem berufstätigen Partner sind zu einem Umzug aus beruflichen Gründen nicht bereit. Die Ergebnisse machen aber ebenfalls deutlich, dass die Mobilitätsbereitschaft auch dort relativ gering ist, wo solche Bindungen nicht vorliegen. Immerhin vierzig Prozent der kinderlosen Personen ohne Partner wollen „auf keinen Fall“ umziehen und 65 Prozent der kinderlosen Personen mit einem nicht berufstätigen Partner sind ebenfalls nicht umzugswillig.

Die Mobilitätsbereitschaft ist, aus handlungstheoretischer Sicht, durch die subjektiv antizipierten Kosten und Vorzüge beruflicher Mobilität im Vergleich zur Sesshaftigkeit beeinflusst. Diese subjektiven Kosten-Nutzen-Kalküle sind durch die Attraktivität der potentiellen neuen Arbeitsstelle und des neuen Arbeitsortes sowie durch die erwarteten direkten und indirekten Kosten der Mobilität bestimmt, welche ihrerseits abhängig sind von Faktoren wie Lebensalter, familialen Bindungen und individuellen, häufig durch frühere Mobilitätserfahrungen beeinflussten, Dispositionen. Geschlecht scheint dagegen, nach den Ergebnissen einer niederländischen Studie keinen unmittelbaren Einfluss auf die Mobilitätsbereitschaft zu haben. Kinderlose Frauen ohne Partner sind danach mobiler als Männer in vergleichbarer Lebenssituation; allerdings führt Partnerschaft und mehr noch Elternschaft bei Frauen zu einem weit stärkeren Rückgang der Mobilitätsbereitschaft als bei Männern und damit in der Summe zu einer geringeren beruflichen Mobilität bei Frauen. Dieses Ergebnis verweist darauf, dass sich im Bereich der geschlechtstypischen Zuständigkeit für Haushalts- und Familienarbeit bei allen Entgrenzungstendenzen wenig gewandelt hat. Die Berufskarriere der Männer verläuft weitgehend unabhängig von familialen Übergängen, dagegen ist die der Frauen dadurch nach wie vor unmittelbar und nachhaltig tangiert. Karriereorientierte Frauen, denen dieser Sachverhalt nicht unbekannt ist, sehen sich damit weit stärker als Männer vor die Alternative ‚Berufserfolg oder Familie’ gestellt. Ein Beleg für die stark eingeschränkten Möglichkeiten zur Vereinbarung von Berufserfolg und Familie für Frauen ist in der mittlerweile weithin bekannten Entwicklung zu sehen, dass etwa vierzig Prozent der Akademikerinnen in Deutschland dauerhaft kinderlos bleiben.

Die Vereinbarkeit von Arbeit und Familie wird durch die jüngsten Tendenzen in Beruf und Erziehung weiter verkompliziert. Auf dem Arbeitsmarkt steigen die Anforderungen an die Beschäftigten. Viele Jobs stellen so hohe Anforderungen hinsichtlich Verfügbarkeit, Belastbarkeit und Flexibilität, dass sie einem betrieblichen Totalzugriff auf die Person gleichkommen. Derart strapazierte Erwerbstätige haben im Wesentlichen zwei Optionen. Sie benötigen im Hintergrund eine Person, die sich um alle familialen Belange kümmert, das ist die hauptsächlich von Männern gewählte Variante, oder sie gehen keine familialen Bindungen ein, häufig die einzige, karriereorientierten Frauen zur Verfügung stehende Alternative.

Aber auch in der Familie steigen die Anforderungen im Rahmen der Partnerschaft und mehr noch im Zusammenhang mit Elternschaft. Gelingende Erziehung, verantwortete Elternschaft, wachsende Professionalisierung der elterlichen Erziehungstätigkeit und die erhöhten Elternpflichten zum Wohl des Kindes sind Manifestationen dieser neuen Erwartungen, die, wenn man die Analogie herstellen möchte, den familialen Totalzugriff auf die Person, konkreter auf die Frau und Mutter, bedeuten.

Teilzeitarbeit und flexible Beschäftigungsverhältnisse erscheinen für Frauen in dieser Situation als gangbarer Weg berufstätig zu sein, obwohl sie hauptsächlich für Haushalt und Familie zuständig sind. Flexible Beschäftigungsverhältnisse sind aber bis heute verbreitet ein Karrieregift und werden in der Regel nur für untergeordnete Tätigkeiten angeboten. Jedoch reichen solche Tätigkeiten vielfach aus, um Umzugsmobilität von Paaren oder Familien einzuschränken, da Frauen wegen ihrer Berufstätigkeit heute eben nicht mehr selbstverständlich mit ihrem Partner mitziehen. Die relativ geringe Umzugsbereitschaft wird in Zeiten erhöhter Mobilitätserfordernisse zunehmend substituiert durch andere, zirkuläre Mobilitätsformen wie Fern- und Wochenendpendeln, die als „moderne“ Lösungen fungieren, um Beruf, Mobilitätserfordernisse, Familie und die Berufstätigkeit beider Partner zu vereinbaren. Mobilsein ist in diesen Fällen durch den Wunsch zurückzukehren und durch die Disposition zur Sesshaftigkeit motiviert.

Diese zirkulären Mobilitätsformen entstehen vielfach aufgrund einer tiefen Uneindeutigkeit und Ambivalenz im Hinblick auf Mobilität und Immobilität, Bewegung und Beweglichkeit. Zu beobachten sind fast paradox anmutende Konfigurationen, zum Beispiel die hoch mobilen Immobilen, etwa in Form von Fernpendlern, die in ihrem Arbeitsleben gewaltige räumliche Entfernungen überwinden, gerade weil sie von ihrer Disposition her immobil und intensiv an ihren Wohnort gebunden sind. Ein anderes Beispiel sind die immobilen Mobilen, etwa in Form von Wochenendpendlern, die keine besondere soziale und emotionale Ortsgebundenheit und eine hohe Mobilitätsbereitschaft aufweisen, aber z.B. über die Berufstätigkeit des Partners räumlich gebunden sind.

Im 20. Jahrhundert galt Mobilität weithin als Symbol für Freiheit und Unabhängigkeit. In Zeiten der Globalisierung beginnt diese Symbolhaftigkeit zu verblassen. Die rasche Zunahme beruflicher Mobilitätserfordernisse bei nur langsam steigender Mobilitätsbereitschaft hat zur Folge, dass Mobilität auch den Beigeschmack von Zwang und Fremdbestimmung erhält. Der mobile Mensch in der Moderne, darauf hat Richard Sennett eindrucksvoll aufmerksam gemacht, leidet unter einem Autonomieverlust und unter einer verminderten sozialen Integration. Nicht das autonome Subjekt ist in Bewegung, sondern strukturelle, situative, familiale und emotionale Faktoren erzeugen oder verhindern Mobilität. Mobil sein heißt in der Moderne eben nicht nur sich bewegen, es bedeutet auch bewegt zu werden.

In der Vergangenheit war die Welt hauptsächlich um Sesshaftigkeit organisiert, in Zeiten der Globalisierung ist sie mehr um Mobilität organisiert. Gerade zirkuläre Mobilitätsformen verweisen jedoch darauf, dass sich auch und gerade in Zeiten erhöhter Mobilität die Bedeutung eines Ortsbezugs für große Teile der Bevölkerung nicht auflöst. Mobilität und Sesshaftigkeit gehen neue Verbindungen ein, die der technologische Fortschritt in Verkehr und Kommunikation erst ermöglicht. Residenzielle Mobilität, besonders in Form langer Umzugsbiografien, wie man sie etwa bei Berufssoldaten oder Angehörigen des Diplomatischen Dienstes verbreitet antrifft, ist nicht zwangsläufig ohne eine Art von Ortsbezug. Dieser kann in Form des Haushalts und der Familie bestehen, die sich, um es bildhaft auszudrücken, wie ein Schiff im Meer bewegen. Die Umgebung ändert sich, die angelaufenen Häfen ebenfalls, aber das Leben an Bord ist relativ stabil, einigermaßen vorhersehbar und verleiht ein ausreichendes Maß an Orientierung und Integration.

In Zukunft wird möglicherweise weniger die Mobilität selbst, also die tatsächliche Bewegung im sozialen und im geografischen Raum, weiter an Bedeutung gewinnen, sondern die Beweglichkeit, im Sinne der Fähigkeit von Menschen, sich in Bewegung setzen zu können. Beweglichkeit, verstanden als Mobilitätspotential erscheint als eine Art sozialer Kompetenz, wenn nicht sogar sozialen Kapitals, für horizontale und vertikale Mobilität. Die Beweglichkeit ist beeinflusst durch persönliche Kompetenzen, die aktuelle Lebenssituation und durch soziale Strukturen, die die Menschen befähigen oder behindern, mobil zu werden oder zu sein. Das Konzept der Beweglichkeit oder der „Motility“ wurde jüngst unter anderem von Kaufmann (2002) und Bonß und Kesselring (2004) weiter ausgearbeitet. Die „Beweglichkeit“ wird danach durch Optionen und Restriktionen des Zugangs zu bestimmten Mobilitätsformen (access) beeinflusst. Dieser Zugang ist in erster Linie von den technischen Möglichkeiten des Verkehrs und der Kommunikation geprägt, die mit der räumlichen Infrastruktur und dem technologischen Entwicklungsstand variieren. Neben den technischen und infrastrukturellen Gegebenheiten ist der Zugang zu Formen der Mobilität bestimmt durch die Kenntnisse und Fähigkeiten des Individuums im Hinblick auf die Nutzung dieser Angebote (competence). Wer keinen Führerschein besitzt, kann nicht Auto fahren und wer keinen Computer und kein Handy hat, kann nicht via E-Mail kommunizieren. Soziologisch und für die hier interessierende Fragestellung von besonderem Interesse ist jedoch die Aneignung und Bewertung von Mobilitätsoptionen (appropriation). Hier sind die materielle Situation der Individuen bedeutsam, aber auch ihre Bedürfnisse, Präferenzen, Persönlichkeitsmerkmale, die soziale Einbindung und lieb gewonnene Gewohnheiten. Gerade im Familienkontext kommt hinzu, dass Bewegung und Beweglichkeit von mehreren Personen miteinander abgestimmt werden müssen und es ist unmittelbar plausibel, dass die Bewegung eines Akteurs, z.B. des berufstätigen Vaters, die Beweglichkeit anderer Akteure, z.B. der Ehefrau und Mutter, einschränken kann und damit das soziale Kapital dieser Person vermindert. Andererseits kann die eigene geringe Beweglichkeit mit Verweis auf die sozial besser legitimierte eingeschränkte Mobilitätsfähigkeit anderer Personen, etwa der Kinder, kaschiert werden. Die Mobilitätsbereitschaft und die Mobilitätsfähigkeit einer Person sind individuell und sozial geformt. Sie sind das Resultat individueller Dispositionen, situativer Gelegenheiten und Einschränkungen sowie struktureller Optionen und Restriktionen.

Berufsmobilität und Lebensform – Zum Design der Studie
Raum und Zeit strukturieren das Leben der Menschen in vielfältiger Weise. Die Entfernung zwischen dem Wohnort und dem Arbeitsplatz, so die These, hat unmittelbare Auswirkungen auf die Alltagsgestaltung, die ökonomischen Ressourcen, die Familienentwicklung und auf die psychische und physische Befindlichkeit der mobilen Person und die der anderen Familienmitglieder. Einblicke in die Beschaffenheit einiger dieser Zusammenhänge zu geben, ist das Anliegen des vorliegenden Beitrags. Die Analysen beruhen auf den Daten der Studie „Berufsmobilität und Lebensform“, einer breit angelegten empirischen Untersuchung zur Lebenssituationen mobiler Menschen und ihrer Familien in Deutschland. Die Studie wurde vom Bundesfamilienministerium und vom Bayerischen Staatsministerium für Arbeit und Soziales finanziert. Im Blickpunkt der Studie stehen fünf mobile und, als Vergleichsgruppe, zwei nicht mobile Lebensformen. Grundgesamtheit der Studie sind beruflich mobile berufstätige oder in Ausbildung befindliche Personen zwischen 20 und 59 Jahren mit oder ohne Kinder, die zum Befragungszeitpunkt im Jahr 2000 in einer partnerschaftlichen Beziehung lebten. Personen ohne Partner, d.h. Singles und Alleinerziehende, waren von der Befragung ausgeschlossen. Im Rahmen der Studie wurden standardisierte und leitfadengestützte Interviews mit mobilen und nicht mobilen Personen und ihren Partnern geführt. Insgesamt liegen 1.095 verwertbare Interviews vor. Tabelle 1 vermittelt einen Überblick über Art und Anzahl der durchgeführten Befragungen.

Berufliche Mobilität ist nicht, wie in der bisherigen sozialwissenschaftlichen Mobilitätsforschung verbreitet, auf Umzugsmobilität zu beschränken. Je nachdem, ob Mobilität residenziell oder zirkulär erfolgt, ob sie täglich, wöchentlich oder in anderen Abständen stattfindet, ergeben sich unterschiedliche „mobile Lebensformen“. Mobile Lebensformen sind Manifestationen des mobilen Lebens, mehr oder weniger stabile Formen der Vereinbarung von Beruf, Mobilität, Partnerschaft und Familie, die als eine Form des Risiko- und Unsicherheitsmanagements in Zeiten von Individualisierung und Globalisierung interpretiert werden können. Mobile Lebensformen repräsentieren spezifische Arrangements der Raum- und Zeitgestaltung. Sie sind als individuell optimierte Lösungen zu verstehen, um persönliche Ziele und Präferenzen mit strukturellen Zwängen und Anforderungen in Einklang zu bringen. Mobile Lebensformen verkörpern typische Formen, mit denen subjektiv akzeptable Verbindungen zwischen wahrgenommenen Mobilitätserfordernissen und individueller Mobilitätsbereitschaft hergestellt werden.

Mobile Lebensformen sind das Ergebnis individueller Handlungswahlen. In welcher Lebensform die Menschen leben, ist durch strukturelle Zwänge, die im Zusammenhang mit den Gegebenheiten des Arbeitsmarkts und der aktuellen Lebenssituation auftreten, beeinflusst. Insbesondere wenn sich Mobilitätserfordernisse unerwartet, etwa nach dem plötzlichen Verlust des Arbeitsplatzes, einstellen und rasch Entscheidungen zu treffen sind, kann dies zu Mobilitätsformen führen, die so eigentlich nicht gewollt sind. Verbreitet entstehen mobile Lebensformen auch dort ungeplant, wo sie sich „prozessproduziert“ entwickeln. Konkret heißt das, dass sich Mobilitätserfordernisse schleichend erhöhen können und sich nicht abrupt einstellen. So kann die Notwendigkeit mobil zu werden zunächst nur sporadisch auftreten und sich langsam intensivieren. Fast unbemerkt entwickelt sich die Situation eines mobilen Beschäftigten. In anderen Fällen, etwa bei befristeten Arbeitsverhältnissen, wird die Entscheidung für eine mobile Situation explizit unter der Vorgabe getroffen, dass es sich um eine zeitlich begrenzte Phase handelt.

Gegen Ende der Vertragsdauer wird dann eine Weiterbeschäftigung angeboten und es kommt zur Verstetigung der mobilen Situation. 29 Prozent der Befragten in unserer Studie beschreiben die Entstehung ihrer mobilen Lebensform als prozessproduzierte Entwicklung, die anfangs als Übergangs- oder Testphase geplant war und nun länger als vorgesehen aufrechterhalten wird oder werden muss. Im Vergleich mit nicht mobilen Lebensformen, die weitgehend unabhängig von strukturellen Zwängen autonomer gestaltet werden können, erscheinen mobile Lebensformen polarisiert: Ein Teil ist als moderne Antwort auf die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu interpretieren, ein anderer Teil, nach unseren Daten etwa 38 Prozent, erscheint als Reflex auf gestiegene Strukturzwänge.

In umfangreicheren Voruntersuchungen wurde erkennbar, dass empirisch von sieben Figurationen mobilen Lebens auszugehen ist, wovon fünf im Rahmen der Studie näher betrachtet wurden. Bei den beiden nicht untersuchten Formen handelt es sich um Auslandsmobilität, d.h. um Beschäftigte, die von ihrem Unternehmen für einen längeren Zeitraum, zumeist zwischen einem und fünf Jahren ins Ausland entsendet wurden und um so genannte „Jobnomaden“, d.h. um berufstätige Personen, die an ständig wechselnden Orten tätig sind und keinen regelmäßigen Aufenthaltsort haben. Folgende Lebensformen waren Gegenstand der Untersuchung:
(1) Fernbeziehungen: Bei diesen Paaren verfügt jeder der Partner über einen eigenen Haushalt, einen gemeinsamen „Haupthaushalt“ gibt es nicht. Die Partner treffen sich, in der Regel wöchentlich, an einem der beiden Orte.
(2) Wochenendpendler (Shuttles): Personen, die an ihrem Arbeitsort einen Zweitwohnsitz unterhalten und die Wochenenden am Ort des „Familienhaushalts“ verbringen.
(3) Fernpendler: Sie benötigen täglich mindestens zwei Stunden für den Weg zum Arbeitsplatz und zurück.
(4) Umzugsmobile: Paare bzw. Familien, die am gemeinsamen Haushalt festhalten und bei beruflichen Mobilitätserfordernissen ihren Hauptwohnsitz verlagern.
(5) Varimobile: Personen, die an wechselnden Orten beruflich tätig sind und in dieser Zeit in Hotels, Gemeinschaftsunterkünften etc. untergebracht sind; neben dem Arbeitsort kann auch die Zeit der beruflich bedingten Abwesenheit vom gemeinsamen Wohnort variieren. Solche Mobilitätserfordernisse sind häufig ein charakteristisches Merkmal bestimmter Berufsgruppen.
Um die spezifischen Lebensumstände mobiler Lebensformen besser herausarbeiten zu können, wurden als Vergleichsgruppe auch nicht mobile Personen befragt. Unterschieden wurden zwei nicht mobile Lebensformen:
(6) Ortsfeste: Personen, die bislang nicht mit beruflichen Mobilitätserfordernissen konfrontiert und noch nie mobil waren.
(7) Rejectors: Sie haben berufliche Mobilitätserfordernisse, zum Teil unter Verzicht auf eine berufliche Karriere, zugunsten der Familie zurückgewiesen.

Über die Verbreitung mobiler Lebensformen liegen für Deutschland keine verlässlichen Daten vor. Nach unseren Berechnungen mit den Daten des Mikrozensus und des Sozioökonomischen Panels ist davon auszugehen, dass etwa jeder sechste (16 Prozent) Erwerbstätige im Alter zwischen 20 und 59 Jahren in einer der von uns untersuchten Lebensformen mobil ist. Dabei stellen beruflich bedingte Fernbeziehungen mit fünf Prozent die größte Gruppe dar. Fernpendler bilden mit vier Prozent die zweitgrößte Gruppe. Danach folgen Varimobile mit drei Prozent sowie Shuttles und Umzugsmobile mit jeweils zwei Prozent. Die weitaus häufigste Lebensform bilden gleichwohl ortsfeste Personen. Von den 20- bis 59-jährigen Befragten des Sozioökonomischen Panels leben nach eigenen Angaben 45 Prozent seit ihrer Geburt im gleichen Ort bzw. in der gleichen Region.

Mobilität und ihre Folgen für Partnerschaft, Familie und Gesundheit
Mobilität ist ein ambivalentes Phänomen. Besonders zirkuläre Mobilitätsformen wie Shuttles oder Varimobile verkörpern diese Ambivalenz unmittelbar: Sie sind gekennzeichnet durch die Gleichzeitigkeit von Globalität und Lokalität, von An- und Abwesenheit, von Nähe und Distanz, von Mobilität und Sesshaftigkeit. Noch in einer anderen Hinsicht ist Mobilität ein ambivalentes Phänomen: Es kann sich dabei um eine erfolgreiche Strategie für beruflichen Aufstieg oder um die beste Lösung zur Vereinbarung von Familie und Beruf für beide Partner handeln. Mobilität kann aber auch gleichbedeutend sein mit einem stressrelevanten Ereignis oder einem sehr belastenden Zustand. Wenn es um die Integration beruflicher Mobilitätserfordernisse in das Familienleben geht, werden erprobte Verfahren der Alltagsgestaltung außer Kraft gesetzt. Häufig fehlen Leitbilder und Modelle gelingender Bewältigung. Das erschwert den Umgang mit Mobilitätsanforderungen. Die Paare bzw. Familien müssen sich eigene Spielregeln, eine eigene Ordnung schaffen. Für mobile Lebensformen erscheinen die gemeinsame Wirklichkeitskonstruktion und die Herstellung gemeinsamer Zeit eine wesentliche und jeweils individuell zu lösende Aufgabe zu sein.

Wie die Integration von Mobilität in den Alltag gelingt, ist von strukturellen und individuellen Gegebenheiten abhängig. Auf der individuellen Ebene sind besonders die subjektive Bewertung der Lebenssituation, die familialen Umstände sowie die persönlichen Ressourcen und Präferenzen bedeutsam. Die Bewältigung zirkulärer Mobilität wird dadurch erschwert, dass sie häufig mit typischen Risikofaktoren, namentlich Stresserleben und Zeitknappheit, einhergeht. Daraus resultieren Belastungen für die mobile Person, aber auch für deren Partner, die sich auf das psychische und physische Wohlbefinden, auf die Partnerbeziehung, auf die Eltern-Kind-Beziehung und auf die Einbindung in soziale Netzwerke nachteilig auswirken kann. Immerhin 69 Prozent der mobilen Befragten in unserer Studie berichten über entsprechende Konsequenzen ihrer Lebensform, während dies nur bei zwanzig Prozent der nicht mobilen Befragten der Fall ist.

Mobilität und Partnerschaft
Die Mobilität, das betonen 62 Prozent der von uns Befragten, hat unmittelbare Auswirkungen auf die Gestaltung und das Erleben ihrer Partnerschaft. Die Beschaffenheit des Zusammenhangs zwischen Mobilität und Partnerschaftsentwicklung ist abhängig von der Mobilitätsform und entfaltet sich in zwei unterschiedliche Richtungen. Der größere Teil der Befragten, 35 Prozent, schildert positive Auswirkungen auf die Partnerschaft, ein etwas kleinerer Teil, 27 Prozent, betont nachhaltige negative Auswirkungen. Positive Folgen werden vor allem von Umzugsmobilen dargestellt. Siebzig Prozent der Umzugsmobilen sprechen von positiven und nur fünf Prozent von negativen Folgen. Nahezu ausgeglichen ist das Verhältnis von günstigen und ungünstigen Folgen bei Fernbeziehungen und Varimobilen, während Shuttles und Fernpendler mehrheitlich negative Konsequenzen (35 Prozent) und weniger positive Folgen (22 Prozent) darstellen. Wie kommen nun positive und negative Auswirkungen auf die Partnerschaft zustande?

Positive Auswirkungen werden zumeist in Zusammenhang mit der Zufriedenheit im Beruf und mit der guten materiellen Situation gebracht. Beides wirkt sich bereichernd auf die Beziehung zum Partner aus, die als entspannt und gelöst wahrgenommen wird. Entsteht berufliche Mobilität mit dem Eintritt ins Erwerbsleben, wird dies häufig insofern als förderlich für die Partnerschaft gesehen, als der Erwerbsbeginn partnerschaftliche Entscheidungen, etwa die Gründung eines gemeinsamen Haushalts oder auch die Eheschließung, positiv beeinflusst hat.

Werden hauptsächlich negative Konsequenzen der mobilen Situation auf die Partnerschaft geschildert, wird stets das gleiche Argumentationsmuster erkennbar: Mobilitätsbedingter Stress und chronische Zeitknappheit, die als zentrale Belastungsfaktoren dargestellt werden, erzeugen zermürbende Alltagswidrigkeiten und sind wesentlich dafür mitverantwortlich, dass die Bedürfnisse nach Nähe und gemeinsamer Zeit nicht ausreichend befriedigt werden können. Es kommt zu wechselseitigen Entfremdungstendenzen und das Interaktionsgeschehen in der Partnerschaft wandelt sich: An die Stelle eines aufmerksamen oder zugewandten Verhaltens treten Kritik, Vorwürfe oder Rückzug. Mobilitätsinduzierte Stressoren führen zu einer Verringerung der Partnerschaftszufriedenheit und können das Trennungsrisiko erhöhen.

Eine weitere wesentliche Konsequenz beruflicher Mobilität betrifft die Aufgabenteilung zwischen den Partnern im Hinblick auf die Haus- und Familienarbeit. Sind Männer mobil, führt dies zumeist zu ihrer weitgehenden oder völligen Befreiung von Hausarbeit durch ihre Partnerinnen. Im Fall mobiler Frauen etabliert sich dagegen bei achtzig Prozent der Paare ein egalitäres Modell, in dem beide Partner etwa zu gleichen Teilen Hausarbeit leisten. Bei nicht mobilen Paaren ist bei jedem vierten eine egalitäre Aufgabenteilung anzutreffen. Männliche Mobilität begünstigt also eine Traditionalisierung der Geschlechterrollen, weibliche Mobilität fördert dagegen eine moderne Aufgabenteilung.

Mobilität und Familienentwicklung
Während die Folgen beruflicher Mobilität für die Partnerschaft sehr unterschiedlich sein können und positive und negative Konsequenzen nicht abschließend zu bilanzieren sind, sind die Folgen beruflicher Mobilität für die Familienentwicklung eindeutig interpretierbar: Wenn berufliche Mobilität, wie bei knapp jeder zweiten mobilen Lebensform der Fall, Einfluss auf die Familienentwicklung nimmt, dann in Form einer Verzögerung oder einer Verhinderung. Kinder werden entweder später geboren oder die Paare entscheiden sich mobilitätsbedingt gegen Elternschaft. Die Stärke des Einflusses beruflicher Mobilität auf die Familienentwicklung ist vor allem durch drei Faktoren bestimmt: Durch den Zeitpunkt, an dem die Mobilität einsetzt, durch das Geschlecht der mobilen Person und, im Falle von Frauen, durch die Mobilitätsform.

Wenn Mobilitätserfordernisse biografisch gesehen früh, d.h. vor dem dreißigsten Lebensjahr auftreten, also in einem Alter, in dem gegenwärtig die Mehrzahl der Männer und Frauen noch kinderlos ist, dann ist von einem intensivierten Wirkungszusammenhang auszugehen. Bei mobilen Männern ist dieser Zusammenhang schwächer, bei mobilen Frauen ist er dagegen stark ausgeprägt. 42 Prozent der mobilen Männer und 69 Prozent der mobilen Frauen berichten, dass sich die Mobilität hemmend auf die Familienentwicklung auswirkt oder ausgewirkt hat. Bei Frauen führt Mobilität aber nicht nur zu einer Verzögerung der Familienentwicklung, wie dies bei einem Teil der Männer der Fall ist, sondern vielfach dazu, dass die Frauen ganz auf Kinder verzichten (müssen). 62 Prozent der berufsmobilen Frauen sind kinderlos, aber nur 27 Prozent der mobilen Männer. Speziell für Wochenendpendlerinnen und varimobile Frauen scheinen Beruf und Elternschaft besonders schwer vereinbar zu sein. Bei einem Durchschnittsalter von etwa 36 Jahren sind in unserer Stichprobe mehr als 75 Prozent von ihnen kinderlos (vgl. Tabelle 2). Im Unterschied zu den Frauen besteht bei Männern in den verschiedenen mobilen Lebensformen keine signifikante Differenz des Anteils Kinderloser.

Mobilität hat, folgt man den Aussagen der Befragten, nicht nur die bisherige Familienentwicklung beeinflusst, auch die zukünftige Familienplanung wird vom weiteren Berufsverlauf abhängig gemacht. Zwischen Männern und Frauen sind hierbei keine relevanten Unterschiede feststellbar. Signifikante Unterschiede sind jedoch in Abhängigkeit von der Lebensform anzutreffen (vgl. Tab. 3). Während bei den mobilen Lebensformen verbreitet eine enge bis sehr enge Verknüpfung besteht, zwei Drittel aller Mobilen machen die (weitere) Familienplanung von ihrer zukünftigen beruflichen Entwicklung abhängig, scheint die große Mehrheit der nicht mobilen Beschäftigten (69 Prozent) ihre Familienplanung unabhängig von ihrer weiteren beruflichen Entwicklung zu betreiben bzw. sie befinden sich in einer Situation, in der jene vorhersehbar erscheint.

Die bisherigen Betrachtungen waren auf Wirkungen beruflicher Mobilität auf die Partnerschafts- und die Familienentwicklung gerichtet. Welche Folgen berufliche Mobilität auf andere Lebensbereiche hat, soll im Weiteren im Hinblick auf die berufliche Entwicklung, die finanzielle Situation und die Beziehungen zum Partner, zu den eigenen Kindern und zu Freunden untersucht werden. Als Grundlage der Betrachtung dienen subjektive Einschätzungen der Auswirkungen der aktuellen Lebensformen auf die genannten Lebensbereiche, die anhand 5-stufiger Ratingskalen vorgenommen und nach Lebensformen differenziert wurden.

Betrachten wir zunächst die einzelnen Lebensformen im Hinblick auf ihre Folgen für die ausgewählten Lebensbereiche (vgl. Tabelle 4). Fernpendeln wirkt sich am ehesten positiv auf die berufliche Situation aus. Für die drei untersuchten Formen sozialer Beziehungen (Partner, Kinder, Freunde) ist Fernpendeln mit spürbaren negativen Konsequenzen verbunden. Ein vergleichbares Muster ist bei Varimobilen und bei Shuttles zu beobachten. Fernbeziehungen weichen vor allem in einem Punkt von diesem Muster ab: Die finanziellen Folgen dieser Lebensform werden als sehr negativ beurteilt. Umzugsmobilität zeigt ein völlig anderes Profil. Mit einer Ausnahme werden in allen Bereichen positive bis sehr positive Wirkungen berichtet.
Nur die Beziehungen zu Freunden leiden auch bei dieser Mobilitätsform. Die beiden nicht mobilen Lebensformen ähneln sich bis auf eine Ausnahme. Die finanziellen Folgen der Mobilitätsverweigerung werden als deutlich negativ bewertet. Dagegen sind die Folgen für die Gestaltung der untersuchten sozialen Beziehungen offenkundig sehr positiv.

Bei einer Gesamtbetrachtung der Auswirkungen der aktuellen Lebensform auf unterschiedliche Lebensbereiche ist festzuhalten, dass die Lebensform in Bezug auf die berufliche und die finanzielle Situation keine besondere Erklärungskraft besitzt. Im Hinblick auf Partnerschaft und Kinder können mit der Kenntnis der Lebensform 27 bzw. 28 Prozent der Varianz erklärt werden. Die Beziehungen zu den Familienmitgliedern sind bei den mobilen im Vergleich zu den nicht mobilen Beschäftigten spürbar negativ tangiert. Besonders folgenreich ist Mobilität, und das gilt für alle Mobilitätsformen, für die Beziehungen zu Freunden. Mobilität führt offensichtlich zu einer deutlichen Beeinträchtigung von Freundschaftsbeziehungen. Allein durch die Kenntnis der aktuellen Lebensform ist fast die Hälfte der festgestellten Varianz der Variablen „Qualität der Freundschaftsbeziehungen“ erklärbar.

Wechselt man die Perspektive und betrachtet die einzelnen Lebensbereiche, so ist festzustellen, dass sich signifikante Unterschiede im beruflichen und im finanziellen Bereich nur zwischen Rejectors auf der einen und Umzugs- sowie Varimobilen auf der anderen Seite ergeben. Bei den Beziehungen zum Partner und zu den Kindern sind im Wesentlichen zwei Gruppierungen erkennbar. Nicht mobile Formen und Umzugsmobile unterscheiden sich stark von allen anderen Mobilitätsformen. Bei den Freundschaftsbeziehungen führt Mobilität in jeder Form im Vergleich zu den nicht mobilen Gruppen zu negativen Folgen.

Mobilität, so lässt sich zusammenfassend an dieser Stelle festhalten, führt zu einer Beeinträchtigung der privaten sozialen Beziehungen, insbesondere der Beziehungen zu Personen außerhalb der eigenen Familie. Bei einer Bewertung der Lebensformen nach den subjektiv wahrgenommenen Konsequenzen auf die untersuchten Lebensbereiche schneidet Umzugsmobilität als die eindeutig günstigste Mobilitätsform ab. Allerdings weisen beide nicht mobilen Lebensformen in der Summe noch eine etwas bessere Bilanz auf. Eindeutig zeichnen sich zwei Verlierer ab. Bei Fernpendlern und mehr noch bei Wochenendpendlern überwiegen eindeutig die negativen Konsequenzen.

Mobilität und Gesundheit
Die persönlichen Präferenzen der Mehrzahl der Beschäftigten in Deutschland sind so beschaffen, dass Umzugsmobilität als eine wenig attraktive Mobilitätsform erscheint. Wenn Mobilität aus beruflichen Gründen unvermeidlich ist, werden zirkuläre Mobilitätsformen bevorzugt. Damit werden Alternativen gewählt, die, über längere Zeiträume praktiziert, zu Beeinträchtigungen der Gesundheit und des psychischen und physischen Wohlbefindens führen können. Während annährend jeder dritte Befragte aus einer nicht mobilen Lebensform nicht über gesundheitliche Beeinträchtigungen klagt, sind es bei den Fernpendlern nur acht und bei den Shuttles nur 15 Prozent (vgl. Tabelle 5). Abgesehen von den Fernbeziehungen mit ihrem deutlich jüngeren Altersdurchschnitt, sind die beobachteten Differenzen nicht durch unterschiedliche Altersverteilungen erklärbar und können als Lebensformeffekt interpretiert werden.

Auf dem Weg zu einer besseren Work-Life Balance: Weniger Mobilität und mehr Familienfreundlichkeit in den Unternehmen
Berufliche Mobilität hat in den 1990er Jahren einen ganz erstaunlichen Bedeutungswandel erfahren, der im Wesentlichen durch Veränderungen im Wirtschaftssystem ausgelöst wurde. Werte wie Loyalität, Unternehmensbindung und innerbetriebliche Erfahrungen, bis dahin hoch geschätzt, wurden rasch verdrängt. An ihre Stelle trat die Stilisierung des Wechsels zum Selbstzweck. Mobilität wurde zum Imperativ und die Erfolgsformel lautet nun: Keine Karriere ohne Mobilität. Viele Unternehmen haben dabei verkannt, welche Investitionen erforderlich sind, um den mit dem Wechsel der Mitarbeiter verbundenen Verlust an Kenntnissen und Fertigkeiten auszugleichen. Zahlreiche hoch mobile Beschäftigte, die sich dem Mobilitätsdruck bereitwillig gestellt haben, haben die negativen Auswirkungen auf Familie und Partnerschaft unterschätzt und finden sich nun in biografischen Situationen wieder, die ihren eigentlichen Vorstellungen widersprechen. Auch in der beruflichen Praxis wird zunehmend deutlich, dass die Verheißung, Mobilität wirke karrierefördernd, nicht immer eintritt.

Die hohe Mobilitätsdynamik ist oftmals eine mehr oder weniger direkte Reaktion auf Arbeitslosigkeit oder auf die betrieblich eingeforderten Mobilitätserfordernisse und weniger Ergebnis einer freien Entscheidung. Mobilität hat heute mehr mit der Unterwerfung unter die Pressionen der Wirtschaft und des Erfolgs zu tun als mit ihrer Überwindung. Die Personen, das zeigen die Ergebnisse unserer Studie, die ihr Leben relativ frei und unabhängig gestalten können, kombinieren Mobilität mit Sesshaftigkeit. Sie schaffen für sich und für ihre Familie ein räumliches Zentrum, eine Art Fixpunkt in ihrem ansonsten bewegten Leben.

Tatsächlich sind bereits erste Anzeichen erkennbar, dass erneut ein Umdenken einsetzt: Die Zahl der Führungskräfte, die nicht mehr bereit sind, ihre privaten und familialen Belange gänzlich ihrem Berufsleben unterzuordnen, wächst. Die Tendenz, hohen Mobilitätsanforderungen entgegenzutreten und lieber auf weitere berufliche Aufstiege zu verzichten, lässt sich vornehmlich als Reaktion auf die negativen Folgen ausgeprägter Mobilität für Partnerschaft, Familie und Gesundheit interpretieren. Die Auswirkungen beruflicher Mobilität auf Familie und Partnerschaft wurden im empirischen Teil näher untersucht.

Auch Unternehmen scheinen wieder dauerhaftere Beschäftigungsverhältnisse schätzen zu lernen und sich in diesem Zusammenhang auch verstärkt für eine familienfreundliche Personalpolitik zu interessieren. Befördert wird dieses Interesse durch die mittlerweile als gut abgesichert anzusehenden Ergebnisse amerikanischer Studien, die auf vielfältige positive Effekte familienorientierter Personalpolitik verweisen. Nach diesen Ergebnissen steigt die Arbeitszufriedenheit der Beschäftigten, ihr Stressempfinden nimmt ab und die Loyalität mit dem Unternehmen wächst. Weitere Effekte bestehen in einer erhöhten Leistungsbereitschaft und in einer Verringerung krankheitsbedingter Fehlzeiten. Alles in allem sind entsprechende Maßnahmen rentabel, denn die Kosten werden durch die erhöhte Produktivität mehr als kompensiert. Im Mittelpunkt familienfreundlicher Personalmaßnahmen stehen bisher in erster Linie Modelle zur flexiblen Gestaltung der Arbeitszeit sowie betriebliche, an die Arbeitsorganisation angepasste Angebote zur Kinderbetreuung. Die Absenkung von Mobilitätserfordernissen und die Verringerung mobilitätsinduzierter Belastungen könnten hier, das zeigen die Ergebnisse unserer Studie, einen weiteren wichtigen Beitrag leisten.

Die vollständige Fassung einschließlich der Literaturangaben ist über die Geschäftsstelle erhältlich.

Prof. Dr. Norbert F. Schneider ist Hochschullehrer für Soziologie an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz.

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