fK 1/04 Statements

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Kurzinterviews und Statements von Mitgliedern des Deutschen Bundestages zum Wahlrecht von Geburt an

Parteien müssten ihre Programmatik stärker auf Familien ausrichten

Fragen an Ina Lemke MdB, familienpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion, zum Wahlrecht von Geburt an

Sie gehören zu den Unterzeichnern des Antrags „Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an“. Was hat Sie dazu bewogen, diese Initiative zu unterstützen?

Als familienpolitische Sprecherin der FDP-Bundestagsfraktion begrüße ich die fraktionsübergreifende Initiative. In einer Gesellschaft mit immer mehr älteren Menschen und immer weniger jungen Menschen werden durch ein „Wahlrecht von Geburt an“ die Interessen der nachwachsenden Generationen politisch repräsentiert. Das „Wahlrecht von Geburt an ist ein wichtiger Beitrag zur dringlichen Diskussion über die Gerechtigkeit zwischen den Generationen.

Was würde sich durch ein Wahlrecht von Geburt an Ihrer Meinung nach ändern?

Durch ein Wahlrecht von Geburt an würde das politische Gewicht der Familien stärker werden. Parteien müssten, um Wählerinnen und Wähler zu gewinnen, ihre Programmatik stärker auf Familien ausrichten. Nicht nur die finanzielle, sondern auch infrastrukturelle Familienförderung, zum Beispiel die Schaffung von deutlich mehr Kinderbetreuungseinrichtungen zur Vereinbarung von Familie und Beruf, müsste dann in den Vordergrund treten, um die stärker gewordene Wählergruppe anzusprechen.

Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten des Antrags im Deutschen Bundestag?

Es ist noch einige Überzeugungsarbeit im Kollegenkreis zu leisten. Ich beurteile die Chancen der Annahme gegenwärtig fünfzig zu fünfzig.

Kinder sind Bürger mit einem Recht auf eine selbst bestimmte Zukunft

Fragen an Rainer Eppelmann MdB, Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, zum Wahlrecht von Geburt an

Sie gehören zu den Unterzeichnern des Antrags „Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an“. Was hat Sie dazu bewogen, diese Initiative zu unterstützen?

Mein Engagement liegt zu einem nicht unerheblichen Anteil darin begründet, dass ich selbst fünffacher Vater bin. Und daher weiß ich, dass Kindern in unserer Gesellschaft noch immer viel zu wenig Rechte eingeräumt werden. Ich denke, es muss Schluss sein mit dem, was Professor Oberender von der Universität Bayreuth einmal „altersbedingte Diskriminierung“ nannte.

Was würde sich durch ein Wahlrecht von Geburt an Ihrer Meinung nach ändern?

Kinder sind dann endlich Bürger mit einem Recht auf eine selbst bestimmte Zukunft. Und unsere Demokratie würde ein deutliches Zeichen setzen, dass sie bereit und in der Lage ist, sich zu ändern, sich weiterzuentwickeln. Durch ein Wahlrecht für Kinder würden die Familien aufgewertet, und wenn Kinder eine Macht darstellen, dann ist Schluss mit kinderunfreundlichem Verhalten, kinderfremden Entscheidungen und Debatten, die am Wohl und an den Interessen unserer Kinder vorbei gehen.

Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten des Antrags im Deutschen Bundestag?

Ich weiß, dass es in den Bundestagsfraktionen seit geraumer Zeit eine intensive und sachliche Diskussion über das Thema gibt. Und es ist gut, dass es im deutschen Parlament überhaupt zu einem Thema geworden ist. Dies liegt sicherlich auch am Engagement der Deutschen Liga für das Kind. Wie dem auch sei: Ich will keine Kaffeesatzleserei betreiben. Doch ich werde mich sehr darum bemühen, dass der Deutsche Bundestag ein allgemeines Wahlrecht für Kinder von Geburt an beschließt, das von den Eltern wahrgenommen werden soll.

Eltern sind Vorbild für die Kinder, bis diese ihr Wahlrecht selbst ausüben

Fragen an Dirk Niebel MdB, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, zum Wahlrecht von Geburt an

Sie gehören zu den Unterzeichnern des Antrags „Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an“. Was hat Sie dazu bewogen, diese Initiative zu unterstützen?

Kinder haben nicht nur eine große Bedeutung für die Sicherung der Sozialsysteme, sondern für alle Bereiche unseres gesellschaftlichen Lebens. Deshalb müssen sie früher als bisher an Entscheidungsprozessen beteiligt werden. Und sie wollen beteiligt werden und Verantwortung übernehmen. Das zeigen Kindergartenaktionen, schulinterne Initiativen, bürgerschaftliches Engagement und Protestaktionen.

Was würde sich durch ein Wahlrecht von Geburt an Ihrer Meinung nach ändern?

Eltern oder Erziehungsberechtigte nehmen für ihre Kinder das Wahlrecht wahr. Sie sorgen als Lobbyisten dafür, dass die Interessen der jüngeren Generation besser vertreten werden und gewinnen dadurch mehr Einfluss auf politische Entscheidungen. Bei der kritischen Auseinandersetzung über strittige Themen sind sie für die Kinder Vorbild, bis diese ihr Wahlrecht selbst ausüben können. Ich hoffe, dass dann auch die Wahlbeteiligung höher ausfällt.

Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten des Antrags im Deutschen Bundestag?

Wie bei allen radikalen Neuerungen überwiegen erst einmal Skepsis und Widerstand. Ich vermute, dass mehrere Anläufe nötig sind, um dieses Vorhaben gesetzlich umzusetzen.

Junge Menschen wollen ihre Welt mitgestalten

Fragen an Hans-Michael Goldmann MdB, Sprecher für Ernährung und Landwirtschaft der FDP-Bundestagsfraktion, zum Wahlrecht von Geburt an

Sie gehören zu den Unterzeichnern des Antrags „Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an“. Was hat Sie dazu bewogen, diese Initiative zu unterstützen?

Der vorliegende Antrag zum Wahlrecht ab Geburt will die Rechte von Kindern und Jugendlichen stärken. Diejenigen in unserem Volk, deren Stimmen derzeit bei unseren Wahlen übergangen werden, sollen Gehör finden. Ich denke, dass wir dringend Reformen dieser Art brauchen, um Generationengerechtigkeit herzustellen. Kindern und Jugendlichen müssen die ihnen zustehenden Beteiligungschancen an unserer Gesellschaft eingeräumt werden. Junge Menschen wollen Verantwortung tragen und ihre Welt mitgestalten. Sie erheben zu Recht Anspruch auf Teilhabe und Beteiligung. Um dieses Potenzial zu nutzen, müssen ihnen ernst gemeinte und auf sie zugeschnittene, altersdifferenzierte Angebote zur Teilhabe am politischen und gesellschaftlichen Leben gemacht werden. Sie wollen als eigene Persönlichkeiten, Träger von Rechten und Pflichten wahrgenommen und integriert werden. Dann sind sie auch bereit, einen Beitrag zur Gestaltung der Gesellschaft zu leisten und Verantwortung zu übernehmen.

Was würde sich durch ein Wahlrecht von Geburt an Ihrer Meinung nach ändern?

Ein Familienwahlrecht, das tatsächlich Eltern zusätzliche eigene Wählerstimmen gewährte, wäre nicht mit dem demokratischen Prinzip des „one man – one vote“ vereinbar. Es wird nach diesem Konzept nicht den Eltern eine bloße Stimmenmehrung zugestanden, sondern den Kindern ein eigenes Wahlrecht gewährt, das die Eltern treuhänderisch ausüben. Bei der Ausübung dieses Wahlrechts müssen sich die Eltern – wie bei allen anderen das Kind betreffenden Entscheidungen – einzig am Wohl ihres Kindes orientieren. Wie in allen Angelegenheiten der elterlichen Sorge haben die Eltern dabei nach § 1626 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln zu berücksichtigen. Die Wahlentscheidung sollte also von den Eltern, soweit es nach dem Entwicklungsstand des Kindes angezeigt ist, mit diesem besprochen werden. Ich will auch nicht ausschließen, dass darüber hinaus ein noch konkret zu formulierender Gesetzentwurf für die Einführung des Wahlrechts ab Geburt Regelungen enthalten wird für den Fall, dass Eltern und ihre Kinder hinsichtlich der Abgabe der Kinderstimme uneins sind.

Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten des Antrags im Deutschen Bundestag?

Für die Einführung eines solchen Wahlrechts wäre die Änderung des Grundgesetzes notwendig und damit eine Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag. Das wird nicht einfach werden. Allerdings glaube ich, dass mit einer solchen Änderung die Politik sich stärker als bislang an den Interessen und Bedürfnissen der jungen Generation orientieren würde.

Die Interessen zukünftiger Generationen stärker berücksichtigen

Fragen an Harald Leibrecht MdB, Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion, zum Wahlrecht von Geburt an

Sie gehören zu den Unterzeichnern des Antrags „Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an“. Was hat Sie dazu bewogen, diese Initiative zu unterstützen?

„Kinder sind unsere Zukunft“ – wir alle kennen diesen Spruch. Doch sehe ich nicht, dass die politisch Verantwortlichen hier in Deutschland danach ihre Entscheidungen treffen. Die Lösung vieler Probleme, wie z.B. der Abbau des riesigen Schuldenbergs des Staates oder der ungebremste Verbrauch von fossiler Energie und die dramatischen Auswirkungen der Umweltverschmutzung werden auf zukünftige Generationen abgewälzt. Als Vater von vier Kindern sehe ich solche Entwicklungen kritisch. Bei meinen politischen Entscheidungen ist ausschlaggebend, dass diese den kommenden Generationen helfen oder zumindest nicht schaden.

Was würde sich durch ein Wahlrecht von Geburt an Ihrer Meinung nach ändern?

Zukünftige Generationen können die Lasten der fehlgeleiteten Sozialpolitik in Deutschland nicht alleine schultern. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit, aber vor allem wegen der demografischen Entwicklung in unserem Land funktioniert der so genannte Generationenvertrag nicht mehr. Darum müssen heute die politischen Weichen richtig gestellt werden mit dem Ziel, weitreichende und zukunftsgerichtete Reformen durchzusetzen. Der Sozialstaat muss umgebaut werden. Wir müssen weg vom Umlageverfahren hin zu einem modernen Kapitaldeckungsverfahren. Durch mehr Stimmen bei der Bundestagswahl hätten Eltern mehr Gewicht diese Forderungen einzuklagen.

Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten des Antrags im Deutschen Bundestag?

Ich habe immer wieder gesehen, dass neue Ideen und Initiativen, die zunächst von vielen Politikern nicht ernst genommen wurden, später dann doch politisch umgesetzt wurden. Denken Sie nur an die Ladenöffnungszeiten, den Katalysator im Auto, das zwölfjährige Abitur oder eine gemeinsame europäische Währung, um nur einige Beispiele zu nennen. Eine gute Idee, die auf einem absolut berechtigten Anliegen basiert, wird sich im Laufe der Zeit durchsetzen. Somit glaube ich an den Erfolg dieses Antrages; wenn nicht gleich, dann doch bald – Sie werden es sehen!

Die politische Kraft von Familien und Alleinerziehenden stärken

Fragen an Uwe Schummer MdB, Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, zum Wahlrecht von Geburt an

Sie gehören zu den Unterzeichnern des Antrags „Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an“. Was hat Sie dazu bewogen, diese Initiative zu unterstützen?

Außerhalb von Sonntagsreden kommt die Familienförderung immer wieder zu kurz. So sind es die Gerichte, die die Politik zu neuen Anstrengungen auffordern. Im Wettbewerb der Finanzströme versickert dieses Anliegen im Konkreten. Ein Familienwahlrecht würde die politische Kraft und Bedeutung von Familien und Alleinerziehenden mit Kindern stärken.

Was würde sich durch ein Wahlrecht von Geburt an Ihrer Meinung nach ändern?

Eltern müssten sich intensiver mit ihren Kindern über politische und gesellschaftliche Fragen auseinandersetzen. Kinderreiche Familien würden von den politischen Parteien stärker umworben und in der konkreten Umsetzung ihrer Politik häufiger beachtet. Das Familienwahlrecht steigert die Lobbykraft für nachfolgende Generationen.

Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten des Antrags im Deutschen Bundestag?

Da es einer Zweidrittelmehrheit bedarf, um eine Verfassungsänderung herbei zu führen, sehe ich geringe Erfolgsaussichten. Doch schon die Debatte über dieses Thema ist ein Erfolg. Jeder Mensch soll seine Lebensoption frei wählen. Wer sich für Kinder entscheidet, der hat ein Anrecht, als „Schutzmacht“ für das Leben besonders gefördert und gehört zu werden. Dabei geht es nicht um die Bewertung von Liebe, sondern um die Schutzfunktion der Eltern für das Kind.

Die Gruppe der Nichtvolljährigen nicht von Wahlen ausschließen

Fragen an Ingrid Arndt-Brauer MdB, Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion, zum Wahlrecht von Geburt an

Sie gehören zu den Unterzeichnern des Antrags „Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an“. Was hat Sie dazu bewogen, diese Initiative zu unterstützen?

Als Mutter von vier Kindern möchte ich die Gruppe der Nichtvolljährigen nicht von Wahlen ausschließen. Die Eltern sollten stellvertretend – wie in vielen anderen Bereichen – die Interessen ihrer Kinder vertreten.

Was würde sich durch ein Wahlrecht von Geburt an Ihrer Meinung nach ändern?

Die Interessen der Familien würden noch mehr im Mittelpunkt des gesellschaftlichen und politischen Diskussionsprozesses stehen.

Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten des Antrags im Deutschen Bundestag?

Wenn es einen gesamtgesellschaftlichen Unterstützungsprozess gibt, halte ich es für realistisch, dass wir ein Wahlrecht von Geburt an bekommen.

Gesetze und die öffentliche Meinung werden überwiegend von Kinderlosen gemacht

Fragen an Sibylle Laurischk MdB, Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion, zum Wahlrecht von Geburt an

Sie gehören zu den Unterzeichnern des Antrags „Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an“. Was hat Sie dazu bewogen, diese Initiative zu unterstützen?

Meine Beweggründe für die Unterzeichnung des Antrages „Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an“ waren, dass ich sowohl in der Rolle als dreifache Mutter als auch als Anwältin mit dem Schwerpunkt Familienrecht feststellen muss, dass die Rechte von Kindern und Jugendlichen und den sie stärkenden Familien bei der bisherigen Machtverteilung durch ein Wahlrecht erst vom Erwachsenenalter an nicht ausreichend berücksichtigt werden. Die Gesetze und die öffentliche Meinung werden überwiegend von Kinderlosen gemacht, die der Erfahrung und den Bedürfnissen von Familien mit Kindern fern stehen. Kinder sind Privatsache, ihre Existenz ist jedoch von großer gesellschaftlicher Wirkung, und noch mehr in Zukunft ihre Nicht-Existenz. So ist es nur konsequent, Kinderrechte in den politischen Willensbildungsprozess angemessen einfließen zu lassen.

Was würde sich durch ein Wahlrecht von Geburt an Ihrer Meinung nach ändern?

Ändern würde sich die Wahrnehmung von Kindern. Schon die Reaktion auf unsere Initiative hat mir gezeigt, dass es dringend an der Zeit ist, Kinder in den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Interesses zu stellen, was übrigens nicht gleichbedeutend mit staatlichem Interesse sein muss. Die „Lufthoheit über den Kinderbetten“ überlasse ich doch gern den sorgeberechtigten Eltern.

Die um die Wählergunst buhlenden Parteien müssten ihre Programme stärker an den Interessen von Kindern und Familien ausrichten. Aktive Politiker könnten nicht mehr, wie ich es auf kommunaler Ebene erlebt habe, den Spielplatzetat der Stadt für die Gestaltung des Marktplatzes anzapfen etc. Auch die absurden Forderungen nach Ausgangssperren für Jugendliche würden wohl unterlassen werden.

Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten des Antrags im Deutschen Bundestag?

Die Aussichten auf Durchsetzung sind in dem Maße schlecht, wie Kinderlose in der Mehrheit sind, zumal eine notwendige Verfassungsänderung nur mit Zweidrittelmehrheit vollzogen werden könnte. Aber auch das Frauenwahlrecht stieß vor Jahrzehnten auf völliges Befremden und Ablehnung, und das hat sich nun doch geändert….

Das Bewusstsein für Gemeinwesen und Demokratie würde von Anfang an geweckt

Fragen an Dr. Antje Vogel-Sperl MdB, Mitglied der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, zum Wahlrecht von Geburt an

Sie gehören zu den Unterzeichnern des Antrags „Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an“. Was hat Sie dazu bewogen, diese Initiative zu unterstützen?

In Artikel 20 des Grundgesetzes ist der Satz „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ enthalten. Juristisch gesehen sind bislang aber jene 20 Prozent der Bevölkerung ausgeschlossen, die unter 18 Jahre alt sind. Mit dem Wahlrecht von Geburt an würden wir eine größere Partizipation am Wahlrecht erreichen. Außerdem würde Artikel 20a erheblich gestärkt. Dieser beinhaltet, dass der Staat die Verpflichtung hat, sich für nachfolgende Generationen einzusetzen.

Was würde sich durch ein Wahlrecht von Geburt an Ihrer Meinung nach ändern?

Es wäre ein wichtiger Baustein zu einer kinder- und familienfreundlichen Gesellschaft durch die Stärkung der Familienpolitik sowie gleichzeitig eine Antwort auf die demographische Entwicklung. Im Jahr 2030 wird jeder dritte Bundesbürger über 60 Jahre alt sein. Familien mit Kindern bilden derzeit nur noch ein Drittel aller Haushalte. Mit der Einführung des Wahlrechts von Geburt an würde ein Ausgleich zwischen den Generationen stattfinden. Uns Grünen geht es dabei um die Nachhaltigkeit, um den Dreiklang von Ökonomie, Ökologie und Sozialem.

Durch das Wahlrecht von Geburt an würde das Bewusstsein für Gemeinwesen und Demokratie von Anfang an geweckt. Es wäre notwendig, Politik in der Schule verstärkt zu vermitteln. Das würde dazu führen, dass das Interesse an der Politik steigen würde und der Wissensstand ein anderer wäre als heute, zumal dann auch in der Familie mehr über Politik diskutiert werden müsste.

Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten des Antrags im Deutschen Bundestag?

Wir brauchen eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag und im Bundesrat. Das ist eine hohe Hürde, dessen bin ich mir bewusst. Aber solche Prozesse brauchen Zeit – man denke nur an das Frauenwahlrecht, das erst seit hundert Jahren besteht. Wenn allein die Debatte um das Familienwahlrecht zu einer intensiven Diskussion darüber führt, wie wichtig Familienpolitik ist und wie sie verändert werden muss, dann ist das schon sehr positiv.

Der Zukunft eine Stimme geben

Fragen an Dr. Heinrich L. Kolb MdB, Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion, zum Wahlrecht von Geburt an

Sie gehören zu den Unterzeichnern des Antrags „Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an“. Was hat Sie dazu bewogen, diese Initiative zu unterstützen?

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland stellt in Artikel 20 Absatz 2 eindeutig fest, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht; die Einschränkung, dass es sich dabei um das „volljährige Volk“ handelt, ist im Grundgesetz nicht getroffen. Ein Vorenthalten des Wahlrechts für Kinder und Jugendliche stellt somit eine Ungleichheit innerhalb der Staatsbürgerschaft dar, das heißt für mich auch, dass es insoweit keine tatsächliche rechtliche Gleichheit der Staatsbürger gibt. Dies sollte geändert werden.

Mit der Einführung des Kinderwahlrechts kann darüber hinaus ein Beitrag in Richtung Generationengerechtigkeit geleistet werden. Angesichts der hochaktuellen Probleme innerhalb unserer sozialen Sicherungssysteme ist auch im alltäglichen Leben ein gerechter Ausgleich zwischen den Generationen immer schwerer zu erkennen. Wahlrecht von Geburt an bedeutet daher: Der Zukunft eine Stimme geben. Damit wird der Generationenvertrag mit neuem Leben erfüllt; die Politik wird nachhaltiger und zukunftsorientierter.

Was würde sich durch ein Wahlrecht von Geburt an Ihrer Meinung nach ändern?

Neben den oben erwähnten rechtlichen und sachlichen Gründen halte ich die Einführung eines Kinderwahlrechts für einen Akt mit hoher Symbolkraft. Wir setzen damit ein Zeichen und räumen Eltern und Kindern – also der Familie – einen höheren Stellenwert ein. Damit geben wir den Familien die Chance, auf politische Entscheidungen stärker als bisher Einfluss zu nehmen. Als Konsequenz daraus werden sich meines Erachtens die Prioritäten in der Politik verschieben, und zwar in allen Bereichen. Aufgrund einer signifikant veränderten Wählerstruktur werden alle politischen Parteien ihr Handeln deutlicher als jetzt an dieser neuen Zielgruppe ausrichten: die Politik wird deutlich zukunftsorientierter gestaltet werden, die Konsequenzen für nachfolgende Generationen bekämen einen höheren Stellenwert.

Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten des Antrags im Deutschen Bundestag?

Wie die Erfolgsaussichten des Antrages zu beurteilen sind, vermag ich aus heutiger Sicht nicht zu sagen. Tatsache ist, dass der Antrag von 46 Abgeordneten parteiübergreifend unterschrieben wurde. Angesichts einer Gesamtzahl von 603 Abgeordneten ist das noch ein geringer Prozentsatz. Der Erfolg des Antrages wird letztlich von der Überzeugungskraft jedes einzelnen Befürworters abhängen.

Das Wahlrecht ab der Geburt wird ebenso selbstverständlich sein wie das Frauenwahlrecht

Fragen an Klaus Haupt MdB, Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion, zum Wahlrecht von Geburt an

Sie gehören zu den Unterzeichnern des Antrags „Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an“. Was hat Sie dazu bewogen, diese Initiative zu unterstützen?

Ich habe diesen Antrag erarbeitet und gemeinsam mit meinem Kollegen, Bundestagsvizepräsident Dr. Hermann Otto Solms, im Frühjahr vergangenen Jahres erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt. Dafür gibt es drei einfache Gründe:

(1) Das Wahlrecht ist die zentrale Frage der Demokratie. Obwohl das Grundgesetz festlegt, dass alle Staatsgewalt vom Volk ausgeht, werden 20 Prozent des Staatsvolkes von diesem entscheidenden Grundrecht ausgeschlossen. Damit wird Kindern und Jugendlichen eine angemessene Beteiligung am politischen Willensbildungsprozess unserer Gesellschaft verwehrt. Der Grundsatz „Jeder Mensch eine Stimme“ wird verletzt und die prinzipielle Gleichheit der Staatsbürger in Frage gestellt.

(2) Die aktuelle Debatte um Generationengerechtigkeit in Deutschland gewinnt immer stärker an Bedeutung. Grundfehler der heutigen Politik ist, dass sie nur auf zwei Generationen fokussiert ist. Nur die Generation der Erwerbstätigen und die Rentnergeneration sind im Generationenvertrag berücksichtigt. Die junge Generation wird nicht gebührend berücksichtigt, was, wie man an der Gestaltung unserer Sozialsysteme sehen kann, zu einer gravierenden Benachteiligung führt. Der Generationenvertrag setzt jedoch ein solidarisches Miteinander von drei Generationen voraus. Derzeit besteht politisch die starke Tendenz, Gegenwartsinteressen zu Lasten von Zukunftsinteressen durchzusetzen. Das erfordert, der Zukunft eine Stimme zu geben!

(3) Obwohl das Grundgesetz in Artikel 6 die Familie unter besonderen staatlichen Schutz stellt, haben sich die Lebensverhältnisse der Familien im Vergleich zum Durchschnitt der Bevölkerung in den vergangenen Jahren kontinuierlich verschlechtert. Kinder sind inzwischen eines der größten Armutsrisiken in unserer Gesellschaft – vor allem für Alleinerziehende. Doch nicht nur die Familien von heute leiden unter dieser Verteilungsungerechtigkeit, auch die Kinder als die Erwachsenen von morgen finden ihre Interessen in der Politik nicht angemessen berücksichtigt. Nur 24 Prozent der Wahlbevölkerung sind Eltern mit minderjährigen Kindern. Ihr Einfluss auf politische Entscheidungen ist relativ gering. Aufgrund der demographischen Entwicklung wird er noch dramatisch zurückgehen. Wir können die Zukunft der Familien und damit unserer ganzen Gesellschaft nur sichern, wenn wir durch ein Wahlrecht ab Geburt das politische Gewicht von Familien und Kindern ihrer gesellschaftlichen Bedeutung entsprechend erhöhen. In vielen Bereichen werden immense Lasten in die Zukunft verschoben – zum Nachteil künftiger Generationen.

Was würde sich durch ein Wahlrecht von Geburt an Ihrer Meinung nach ändern?

Mit einem Wahlrecht ab der Geburt wird der Grundsatz „Jeder Mensch eine Stimme“ verwirklicht und unser Wahlrecht zu einem wirklich allgemeinen Wahlrecht. Damit wird auch der jungen Generation die Chance gegeben, ihre Interessen in der Politik zur Geltung zu bringen. Die Prioritäten der gesamten Politik werden sich dann ändern: Politik würde nachhaltiger und zukunftsfähiger, nicht nur die Familien-, sondern auch z.B. die Bildungs-, Finanz-, und Umweltpolitik, übrigens zum Vorteil der gesamten Gesellschaft. Deutschland würde kinder- und familienfreundlicher. Der Generationenvertrag wird so mit neuem Leben erfüllt.

Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten des Antrags im Deutschen Bundestag?

Ich mache mir keine Illusionen: hier sind noch dicke Bretter zu bohren. Aber ich freue mich auf eine vorurteilsfreie Diskussion in den parlamentarischen Gremien. Die Initiative für ein „Wahlrecht ab der Geburt“ ist mutig quergedacht, und so etwa braucht viel Überzeugungsarbeit. Aber unser Antrag ist parteipolitisch neutral und birgt große Zukunftschancen. Er ist schon jetzt ein großer Erfolg, denn er hat schon jetzt eine breite Debatte ausgelöst über die Zukunft unserer Gesellschaft. Er verlässt die eingetretenen Pfade der Verfassungsinterpretation und wirft Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Schon das ist ein bedeutsamer Schritt in einem Land, das sich selbst mit den zaghaftesten Reformen so unendlich schwer tut wie derzeit Deutschland. Die Debatte dieses Antrages im Plenum und auch die Ausschussberatungen und Expertenanhörungen werden weiter das Bewusstsein dafür schärfen, dass Deutschland um fundamentale Reformen, auch im Bereich seiner politischen Entscheidungsfindung, nicht herumkommt. Früher oder später wird das Wahlrecht ab der Geburt ebenso kommen, wie das allgemeine und gleiche Wahlrecht für Männer im 19. Jahrhundert oder das Frauenwahlrecht im 20. Jahrhundert, und es wird bald ebenso selbstverständlich sein.

Die Politik raubt den künftigen Generationen Zukunftschancen

Fragen an Dr. Hermann Otto Solms MdB, Vizepräsident des Deutschen Bundestages und Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion, zum Wahlrecht von Geburt an

Sie gehören zu den Unterzeichnern des Antrags „Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an“. Was hat Sie dazu bewogen, diese Initiative zu unterstützen?

Eine besonders herausgehobene Stellung kommt in unserer Verfassung dem Demokratieprinzip nach Artikel 20 Absatz 2 GG zu. Es bestimmt, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht. Nicht von Teilen des Volkes, sondern vom ganzen Volk – von jedem Mitglied ab seiner Geburt. Wenn aber die gesamte im Staat vorhandene Herrschaftsgewalt vom Volke ausgeht, müssen alle zu diesem Staatsvolk gehörenden Menschen als prinzipiell gleich angesehen und in das Wahlrecht einbezogen werden. Paradoxerweise wird an anderer Stelle im Grundgesetz, in Artikel 38 Absatz 2, das wahlberechtigte Staatsvolk beschränkt auf Bürger, die das 18. Lebensjahr vollendet haben. Die knapp 16 Millionen Minderjährigen sind von der Teilnahme an Wahlen ausgeschlossen, dabei sind Kinder zweifelsohne Mitglieder des Staatsvolkes. Nur etwa 80 Prozent des Volkes legitimieren die Staatsgewalt – und das mit Wirkung auch für die nicht beteiligten 20 Prozent. Ob diese Einschränkung überhaupt zulässig ist, haben Verfassungsjuristen nie ernsthaft geprüft.

Was würde sich durch ein Wahlrecht von Geburt an Ihrer Meinung nach ändern?

Das Grundgesetz stellt in Artikel 6 die Familie unter besonderen staatlichen Schutz. Trotzdem haben sich die Lebensverhältnisse der Familien in den letzten Jahren und Jahrzehnten im Vergleich zum Durchschnitt der Bevölkerung kontinuierlich verschlechtert. Eines der bedeutendsten Armutsrisiken in unserer Gesellschaft ist es, Kinder zu haben. Die Politik raubt den künftigen Generationen Zukunftschancen, wenn sie in vielen Bereichen immense Lasten in die Zukunft verschiebt. Die Einführung eines Wahlrechts ab Geburt ist eine gute Möglichkeit, die Politik in Deutschland zu bewegen, wieder mehr Rücksicht auf die Belange der Familien und der zukünftigen Generationen zu nehmen. Wären die Familien mit ihren Kindern und die Kinder und Jugendlichen selbst dank eines Wahlrechts ab Geburt eine bedeutendere politische Größe, bestünde eher die Chance, ihren Interessen im politischen Prozess Geltung zu verschaffen. Die politischen Parteien würden ihr Handeln deutlicher als jetzt auf diese Wählergruppen ausrichten, weil sich politische Entscheidungen in der Demokratie eben nicht nur an ihrer sachlichen Notwendigkeit, sondern auch an der Wählerwirksamkeit orientieren.

Kinder sollen deshalb Inhaber eines Wahlrechts werden, das aber treuhänderisch von den Eltern beziehungsweise den Sorgeberechtigten ausgeübt wird, bis ihre Kinder die Volljährigkeit erreicht haben.

Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten des Antrags im Deutschen Bundestag?

Obwohl Abgeordnete aller Fraktionen den Antrag unterstützen, rechne ich nicht damit, in naher Zukunft eine verfassungsändernde Mehrheit im Deutschen Bundestag zu erreichen. Wichtig ist aber, die Abgeordneten und auch die Menschen in unserem Land für die Themen Generationengerechtigkeit und familienfreundliche Politik zu sensibilisieren.

Familien würden zu einer bedeutenden Wählerklientel

Fragen an Christa Reichard MdB, Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, zum Wahlrecht von Geburt an

Sie gehören zu den Unterzeichnern des Antrags „Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an“. Was hat Sie dazu bewogen, diese Initiative zu unterstützen?

Weil die Interessen der Familien mit Kindern trotz vollmundiger Wahlversprechen vernachlässigt werden. Kinder sind in Deutschland Armutsrisiko Nr. 1 und diesen Zustand können wir nicht länger dulden. Familien und Kinder werden in unserer Gesellschaft benachteiligt und die Probleme immer weiter in die Zukunft verschoben. Von 1950 bis heute ist der Wahlanteil der Eltern von über 50% auf unter 30% geschrumpft und fällt weiter. Mangels Familienwahlrecht haben also Familien mit Kindern erheblich weniger Wählerstimmen, als es ihrem Anteil an der Bevölkerung entspricht. Das Ringen um politische Mehrheiten erfordert die Konzentration auf die Wünsche der Wähler. Das sind aber immer weniger die Kinder und immer seltener die Eltern. Ein Wahlrecht, welches den Eltern eine Stimmberechtigung für ihre Kinder bis zum 18. Lebensjahr erteilt, wäre eine Möglichkeit, dieses Problem zu mildern und den Widerspruch zwischen Artikel 20 GG und Artikel 38 GG aufzulösen.

Was würde sich durch ein Wahlrecht von Geburt an Ihrer Meinung nach ändern?

In Deutschland gäbe es wieder mehr Kinder. Eltern würden mehr Geld für den inländischen Konsum ausgeben, der Wohnungsbedarf würde steigen, Kindergärten und Schulen müssten nicht geschlossen werden, die Arbeitslosigkeit würde durch einen größeren Konsum-, Betreuungs-, Bildungs- und Wohnungsbedarf sinken, das Wirtschaftswachstum würde steigen, mittelständische Unternehmen, die ihren Absatzmarkt im Inland haben, hätten einen größeren Absatzmarkt aufgrund steigender Nachfragen, die Verschuldung der öffentlichen Hand würde sinken, die Finanzierungskonflikte in der Steuer- und Sozialpolitik würden sich verringern, die Renten würden sicherer werden; kurzum: Wir könnten mit einer deutlich steigenden Geburtenrate unser Wohlstandsniveau langfristig wieder sichern. Die Einführung des Familienwahlrechts könnte uns diesem Ziel näher bringen. Familien würden mit der Einführung eines Wahlrechts von Geburt an zu einer bedeutenden Wählerklientel, die keine Partei vernachlässigen wird, wenn sie erfolgreich sein will.

Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten des Antrags im Deutschen Bundestag?

Die derzeitigen Mehrheitsverhältnisse im Deutschen Bundestag sprechen nicht für eine erfolgreiche Durchführung des Antrags. Aber Politik bedeutet das Bohren dicker Bretter.

Die Kinderfreundlichkeit könnte sich schrittweise verbessern

Fragen an Jürgen Türk MdB, Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion, zum Wahlrecht von Geburt an

Sie gehören zu den Unterzeichnern des Antrags „Mehr Demokratie wagen durch ein Wahlrecht von Geburt an“. Was hat Sie dazu bewogen, diese Initiative zu unterstützen?

Anfangs hatte ich einige Zweifel an der Initiative „Wahlrecht von Geburt an“, weil ich, wie viele Bürger, der Meinung war, dass man „bewusst“ wählen sollte. Nachdem ich mich längere Zeit mit diesem Gedanken befasst hatte, habe ich jedoch die Initiative „Wahlrecht von Geburt an“ unterstützt, weil ich der Meinung bin, dass Eltern ohnehin bis zur Volljährigkeit schwerwiegende Entscheidungen für ihre Kinder treffen müssen, so dass es auch Sinn macht, dass sie das Wahlrecht mit für sie ausüben, damit die Interessen der Kinder mehr politisches Gewicht bekommen.

Was würde sich durch ein Wahlrecht von Geburt an Ihrer Meinung nach ändern?

Das Wahlrecht von Geburt an könnte mit dazu beitragen, dass die Kinderfreundlichkeit in Deutschland sich schrittweise verbessert. Das heißt, dass sich die Parteien verstärkt um bessere Rahmenbedingungen für Kinder und Eltern bemühen werden, weil sie von ihnen gewählt werden wollen.

Wie beurteilen Sie die Erfolgsaussichten des Antrags im Deutschen Bundestag?

Die Erfolgsaussichten des Antrags im Deutschen Bundestag sind derzeit noch schlecht. Sie werden aber wachsen, je intensiver der Dialog darüber unter den Abgeordneten und in der Gesellschaft geführt wird.

Die Gesellschaft kinder- und familienfreundlicher gestalten

Ich sehe in dem Schritt, Kindern das Wahlrecht von Geburt an zuzugestehen und durch die Eltern vertreten zu lassen, eine Möglichkeit, unsere Gesellschaft kinder- und familienfreundlicher zu gestalten.

Markus Löning MdB ist Sprecher für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der FDP-Bundestagsfraktion

Eltern würden ein überproportionales Gewicht in der Wählerschaft bekommen

Es ist eine zentrale Errungenschaft moderner Demokratien, dass Wählerstimmen nur gezählt, nicht aber gewogen werden. Die Entscheidung in Artikel 38 unseres Grundgesetzes für ein allgemeines, unmittelbares, freies, gleiches, und geheimes Wahlrecht ist also zugleich eine Absage an jede Form der wahlrechtstechnischen Privilegierung partikularer Interessen, die „man“ für besonders wertvoll erachtet. Ein Beispiel hierfür war das in Preußen bis 1918 geltende Dreiklassenwahlrecht.

Auch ist die Bezeichnung als „Wahlrecht von Geburt an“ in der Sache irreführend, denn auch in Zukunft würde niemand vor seinem 18. Lebensjahr wählen dürfen.

So sehr auch mich die demografischen Veränderungen in unserem Land und die damit absehbaren längerfristigen Veränderungen in der Wählerschaft beunruhigen, so skeptisch bleibe ich doch gegenüber dem Vorschlag, den Eltern minderjähriger Kinder durch Zusatzstimmen ein überproportionales Gewicht in der Wählerschaft zu verschaffen.

Hinzu kommt: Für die geforderte Grundgesetzänderung zur Änderung des Wahlrechts wäre eine Zweidrittelmehrheit im Deutschen Bundestag nötig. Für eine bessere Kinder-, Jugend- und Familienpolitik dagegen reicht die einfache Mehrheit. Darauf sollten wir unsere politischen Kräfte konzentrieren.

Hartmut Koschyk MdB ist innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Noch offene Fragen sprechen gegen ein Familienwahlrecht

Nach Artikel 38 Absatz 2 Grundgesetz ist jeder Bundesbürger ab dem 18. Lebensjahr aktiv wahlberechtigt. Die Zahl der Haushalte mit Kindern sinkt. Vor diesem Hintergrund wurde gerade in den letzten Monaten immer wieder diskutiert, diese Regelung zu ändern.

Unser derzeitiges Verfassungsrecht steht dieser Forderung jedoch entgegen. Da Kinder selbst nicht wählen können, würden Eltern mehrere Stimmen erhalten. Es widerspricht jedoch Grundüberzeugungen unserer Demokratie, nach denen jeder mündige Bürger nur eine Stimme hat.

Es stellt sich die Frage, wie das Familienwahlrecht ausgeübt werden kann, wenn sich die Eltern z.B. bei der Ausübung des Wahlrechts nicht einigen können oder das von den Eltern beabsichtigte Abstimmungsverhalten dem Willen des Kindes widerspräche.

Obwohl es familienpolitisch durchaus beachtenswerte Argumente für die Einführung eines Familienwahlrechts gibt, sprechen die noch offenen Fragen für mich gegenwärtig mehr gegen als für ein Familienwahlrecht.

Maria Eichhorn MdB ist Vorsitzende der Arbeitsgruppe Familie, Senioren, Frauen und Jugend der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

Wir brauchen altersadäquate Beteiligungsmöglichkeiten

Auch wenn eine breite Diskussion über die Lage unserer Kinder und Familien wichtig und notwendig ist, begegne ich – ebenso wie ein Großteil meiner Fraktion – dem Vorschlag eines Kinderwahlrechts außerordentlich skeptisch.

Aus unserer Sicht ist das vorgeschlagene Kinderwahlrecht verfassungsmäßig höchst problematisch. Es untergräbt das Prinzip der Höchstpersönlichkeit des Wahlrechts. Kern des Kinderwahlrechts ist die Übertragung des Stimmrechts von den Kindern auf die Eltern. Dies ist nicht vergleichbar mit der bestehenden Regelung, bei denen Gebrechliche oder Behinderte eine technische Hilfestellung durch andere Personen bei der Stimmabgabe erhalten können. Auch verstößt der Vorschlag gegen die Gleichheit der Wahl, da Eltern faktisch über mehrere Stimmen verfügen. Ein potenziertes Wahlrecht ist aber mit guten Gründen der Historie überlassen und vom Grundgesetz ausgeschlossen worden.

Jenseits der formal-rechtlichen Frage beschäftigen uns weitere Schwierigkeiten. Wir sehen nicht, wie das Kinderwahlrecht garantieren kann, dass die durch die Eltern treuhänderisch wahrgenommenen Stimmen dem Kindeswunsch entsprechen. Was bei einem Kleinkind noch nachvollziehbar ist, wird bei zunehmendem Alter der Kinder und Jugendlichen immer fragwürdiger. Viele Jugendliche haben eine von den Eltern abweichende politische Meinung. Auch wenn Kinder ihre Interessen und eine Wahlabsicht reflektieren und äußern können, bliebe es ihren Eltern überlassen, diesem Wunsch zu entsprechen oder nach eigenen Erwägungen zu wählen.

Ganz entschieden sind wir dafür, die direkten und aktiven Beteiligungsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen auf allen politischen Ebenen zu stärken und auszubauen. Kinder und Jugendliche wollen ihre Interessen möglichst eigenständig vertreten können. Durch vernünftige, altersadäquate Beteiligungsmöglichkeiten eignen sie sich darüber hinaus frühzeitig demokratische und tolerante Denk- und Verhaltensweisen an. Dies ist der Weg, auf dem wir weiter voranschreiten sollten.

Ekin Deligöz MdB ist kinder- und familienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen

Das Kinderwahlrecht wirkt demokratisierend

Ich kann mir gut vorstellen, dass bereits die strittige öffentliche Debatte darüber, aber vor allem die Verwirklichung des Kinderwahlrechts selbst, Prozesse in Bewegung setzt, die in den meisten Familien, zwischen zunehmend reifer werdenden Kindern und ihren Eltern, und dann in viele gesellschaftliche Bereiche hinein politisierend und demokratisierend wirken wird.

Das Wahrnehmungsrecht der Eltern für das Wahlrecht ihrer Kinder würde ihnen mehr Verantwortung im Sinne einer geforderten und reflektierten „Pflicht“ auferlegen. Erzwingen kann man das sicherlich nicht, aber einen Versuch wäre es wert.

Rolf Stöckel MdB ist ist Mitglied der SPD-Bundestagsfraktion

Kinderwahlrecht: Gut gemeint ist nicht gut

Ich halte den Vorschlag eines Wahlrechts von Geburt an eher für gut gemeint, denn gut getan. Dies aus mehreren Gründen:

Erstens verstärkt diese Idee ein Demokratie- und Gesellschaftsverständnis, das mich erschaudern lässt. Implizit besagt dieser Vorschlag nämlich, dass wir uns alle nur solange um ein Anliegen kümmern, wie wir selbst unmittelbar betroffen sind. Also ich stimme für eine kinderfreundliche Politik nur solange, wie ich selber Kinder habe.

Zum zweiten führt dieser Vorschlag zwangsläufig zu einer Fehlentwicklung in unserer Parteienlandschaft, nämlich hin zu Ein-Themen-Parteien. Wenn diese Idee wirksam wäre, dann würden also alle Parteien ihr Gewicht auf ein Thema legen.

Drittens bezweifle ich die Wirksamkeit dieses Mehrstimmenrechtes im Sinne einer kinderfreundlichen Politik. Derjenige, der aus vielfältigen Gründen die SPD wählen möchte, wird nicht deshalb für die Kinder CDU wählen, weil diese Partei angeblich oder tatsächlich etwas kinderfreundlicher ist. Nein, hier wird das Wahlrecht wie ein Depotstimmrecht zur Vergrößerung des eigenen Einflusses gebraucht.

Ganz absurd wird diese Idee viertens, wenn ich an die Umsetzung denke. Ich stelle mir den strammen CSU-Kreisvorsitzenden vor, dessen Sohn ebenso begeisterter Juso geworden ist. Vor der Wahl befürchte ich schlimmes für Leib und Leben von Jugendlichen und Eltern gerade in politisch interessierten und engagierten Familien.

Mein Fazit: die Förderung der Kinderfreundlichkeit in unserer Gesellschaft muss anders laufen.

Dr. Rainer Stinner MdB ist Mitglied der FDP-Bundestagsfraktion

Die herannahende demografische Katastrophe muss uns sensibilisieren und elektrisieren

Die Zeiten ändern sich und mit ihnen ändern sich die Probleme, und deswegen müssen sich auch die Antworten der Politik und die Argumente des politischen Gemeinwesens von Zeit zu Zeit verändern.

Eines der größten Probleme, vor der unsere Gesellschaften in Europa stehen, ist die demografische Entwicklung. Die herannahende demografische Katastrophe muss uns sensibilisieren und elektrisieren. Durch sie werden die Machtverhältnisse in der Gesellschaft zugunsten der Alten und zu Lasten der Jungen verändert.

Eine der wesentlichen wenn nicht einzigen Triebfeder für Menschen, Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen, über die eigene physische Existenz hinaus, ist ihre Verantwortung für ihre Kinder und Enkel. Diese wesentliche Triebfeder fehlt für die wachsende Zahl der Kinderlosen in Deutschland.

„Kinder haben keine Lobby“ ist eine oft gehörte These. Ich halte sie für falsch, denn Kinder haben eine sogar sehr starke Lobby – nämlich ihre Eltern. Es muss uns darum gehen, die Rechte der Eltern zu stärken und ihnen im politischen Wettbewerb das Gewicht zu verschaffen, das ihrer Verantwortung für die Zukunft gerecht wird.

2003 hat sich die öffentliche Hand mit zusätzlich 80 Milliarden Euro verschuldet, 2004 werden es bereits 90 Milliarden Euro sein, und diejenigen, die es in der Zukunft ausbaden werden müssen, liegen in den Windeln. Deswegen müssen wir ihnen über ihre gesetzlichen Vertreter, nämlich ihre Eltern, das Recht einräumen, an ihrer Zukunft mitzuarbeiten.

Die Initiative „Mehr Demokratie durch ein Wahlrecht von Geburt an“ ist gleichzeitig auch ein Plädoyer für eine neue Familienpolitik: Die wichtigste Zukunftsinvestition für eine Nation und für ein Volk sind Kinder!

Eine Gesellschaft, in der die Mehrheit der Menschen jung ist, das Leben vor sich hat, Chancen annimmt, Innovationen gegenüber aufgeschlossen und bereit ist, aktiv die Zukunft zu gestalten, hat ein anderes Gesicht als die Gesellschaft mit überwiegend älteren Menschen, die ihr Leben lang gearbeitet haben und zu Recht die Früchte der Arbeit im Alter genießen wollen.

Das Problem besteht aber darin, dass unsere Gesellschaft momentan dabei ist, nur noch Früchte zu genießen, und diese Früchte werden bald aufgegessen sein. Deshalb müssen wir die stärken, die morgen die Saat für neue Früchte ausbringen, um die Zukunft unserer Gesellschaft zu sichern.

Dr. Hans-Peter Friedrich MdB ist Mitglied der CDU/CSU-Bundestagsfraktion

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