30 Jun fK 4/08 Hirsch
Interaktive Ausstellungen für Kinder
Der KINDEROLYMP im Altonaer Museum
von Vanessa Hirsch
Mit dem KINDEROLYMP hat das Altonaer Museum den Beweis angetreten, dass ein Museumsbesuch überhaupt nicht öde und langweilig ist, sondern Kindern und Eltern großen Spaß macht. Wie das funktioniert? Auf der 400 Quadratmeter großen Fläche werden regelmäßig Ausstellungen gezeigt, die ausdrücklich für Kinder zwischen 4 und 10 Jahren konzipiert sind. Den Anfang machte 2006 „Weltenbummel. Eine Reise in die Welt der Sinne“ zum Thema Reise, und aktuell, seit Februar 2008 lädt „Piraten. Klar zum Entern!“ zur Beschäftigung mit der Welt der Seeräuber ein.
Dieser Ansatz geht auf – seit Eröffnung der Abteilung ist jeder dritte Museumsbesucher ein Kind. Die Ausstellungen im KINDEROLYMP stoßen auf großes Interesse, und zwar an den Vormittagen bei Gruppen aus Kitas und Schulen, und an den Nachmittagen und am Wochenende bei Familien. Damit kommt das Museum seiner Aufgabe als interdisziplinärer Lernort für die junge Generation nach, denn Hemmschwellen, die einem Museumsbesuch sonst häufig entgegenstehen, werden in der attraktiven Abteilung explizit umgangen.
Das Konzept des KINDEROLYMP basiert auf der These, dass Kinder sich in Ausstellungen häufig deshalb langweilen, weil auf ihre spezifischen Bedürfnisse nicht eingegangen wird. Üblicherweise verlangt das Museum seinen Besuchern spezielle Verhaltensregeln ab. Das Gebot nach geflüsterter Konversation und leisen, vorsichtigen Schritten sowie ein Berührungsverbot für alle Exponate lassen Kindern kaum eine Möglichkeit zur Entfaltung. Langeweile ist fast eine natürliche Folge dieser Regeln, sofern es nicht gelingt, die Inhalte einer Ausstellung im Rahmen einer Führung anschaulich und kindgerecht zu vermitteln. Um das Altonaer Museum zu einer zeitgemäßen und besucherorientierten Institution zu machen, hat es sich der KINDEROLYMP auf die Fahnen geschrieben, die kindlichen Besucher an ihrem jeweiligen Entwicklungsstand abzuholen und spielerische Elemente zur Grundlage einer Ausstellungskonzeption zu machen. Die klassischen Museumsregeln des Nicht-Berührens und des motorischen Stillstandes werden bewusst gebrochen zugunsten eines interaktiven Ansatzes.
In „Piraten. Klar zum Entern!“ sind die Kinder zum Mitmachen und Ausprobieren aufgefordert. Die Gegenstände dürfen, ja müssen angefasst werden und laden in einigen Fällen sogar zu Gruppenspielen ein. Dabei ist auch für ein angemessenes Maß an Bewegung gesorgt. Die Inhalte vermitteln sich nicht – wie in einem „Erwachsenen-Museum“ üblich – über das Anschauen von Bildern, Schrifttafeln und Vitrinen, sondern über Erlebnisstationen, wo typische Phänomene aus Seefahrt und Piraterie ausprobiert werden können. Spielerisch tauchen die Kinder in die Piratenrolle ein und erleben die Ausstellung sozusagen als Beteiligte. Zum einen ist dies spannender und unterhaltsamer als ein passiver Informationserhalt, zum anderen ist der Lerneffekt durch eigenes Tun erfahrungsgemäß deutlich nachhaltiger.
Wie läuft nun ein Ausstellungsbesuch ab? Schon auf der Treppe werden die Besucher von einem Höhlenportal empfangen, das den Blick freigibt auf einen Südseestrand mit Schatzkiste. Man geht vorbei an einer Galerie historisch belegter Piratenfiguren, welche die Ausstellung historisch im Goldenen Zeitalter der Piraterie verorten. Die Ausstellung selbst teilt sich in zwei Räume: der erste befasst sich mit dem Leben auf Deck, den zweiten hat man sich als einen Blick in den Schiffsrumpf vorzustellen.
Gleich im ersten Raum schlüpfen die Kinder in ein Piratenkostüm und erkunden das große, bekletterbare Piratenschiff. Ein Fernrohr auf dem Ausguck erlaubt die Kommunikation mit einer „Nachbarinsel“ per Flaggenalphabet. Außerdem kann auf einem Wackelbrett ausprobiert werden, wie gut man bei Seegang das Gleichgewicht halten kann oder ob man auch mit einem Auge (das zweite ist mit einer Augenklappe verdeckt) ein Ziel treffen kann. Über das Problem der Orientierung auf See kann man sich an einem Kartentisch informieren. Bewusst knapp gehaltene Wandtexte verorten das Phänomen der Piraterie historisch und erläutern die wichtigsten Kampftechniken und die Bedeutung von Kaperbriefen.
Im zweiten Raum kann die Ladung in einem Schiffsquerschnitt bestaunt und beklettert werden: die Hängematten sind zur Benutzung freigegeben. Außerdem gibt es ein Piratenquiz und ein echtes kleines Holzboot mit zwei Hörstationen. In den mit verteilten Rollen gesprochenen Geschichten unterhalten sich ein alter Pirat und ein Schiffsjunge. Es geht darum, dass jeder an Bord seine Aufgabe hat und dass auch unangenehme Pflichten erfüllt werden müssen. Auch die gefahrvollen Seiten des Piratenlebens werden angesprochen. Auf Wandtexten wird erklärt, was alles zur Beute von Piraten werden konnte und welche Nahrung auf Segelschiffen üblich war.
Der KINDEROLYMP wird von speziell geschulten Aufsichten betreut, den Scouts, die Hilfestellung an den Objekten leisten, Spiele anregen und Erläuterungen zur Ausstellung anbieten. An den Wochenenden gibt es außerdem zwei kostenlose pädagogische Angebote: samstags von 14 bis 17 Uhr ein Kreativangebot mit wechselnden Themen und sonntags um 15 Uhr und um 16 Uhr zwei einstündige Kurse zu seemännischen Techniken.
Abschließend noch einige Worte zur Themenwahl der Piraten-Ausstellung: Neben „Harry Potter“ und „Dinosaurier“ gehört „Piraten“ zu den Stichworten, die Kinderaugen mit einiger Sicherheit zum Leuchten bringen. Eigentlich ein Klassiker unter den Kinderspielen, der aber derzeit dank einer Serie von Hollywood-Kassenschlagern ungeheure mediale Verstärkung erhalten hat. Was liegt also näher, als ein Thema, das die Phantasie von Kindern so ungeheuer beschäftigt, in einer Ausstellung aufzugreifen? Dabei kann einiges an Hintergrundwissen vermittelt werden, das im Kino nicht vorkommt, das für das Verständnis des Phänomens der Piraterie aber entscheidend ist. In der Ausstellung nämlich wird gezeigt, dass ein Piratenleben – anders als im Film – sehr viele negative Aspekte hatte. Dabei geht es auch um Phänomene, die typisch sind für die Seefahrt allgemein, z.B. die Enge an Bord oder bestimmte Gesundheitsgefahren.
Keinesfalls soll das Piratenwesen historisch aufgearbeitet und in all seinen Facetten dargestellt werden. So bleibt auch die Brutalität der Piratenüberfälle ausgespart, die heutzutage noch die zivile Seefahrt bedroht und Menschenleben kostet. Es gilt, dem Interesse der Kinder am Thema mit einer dosierten Auswahl an Fakten zu begegnen, die wiederum als Anregung zu einer weiteren, intensiveren Beschäftigung auch nach dem Museumsbesuch dienen kann. Außerdem bietet die Ausstellung viele Anknüpfungspunkte zu den ständigen Sammlungen des Altonaer Museums, die dank dieser Verknüpfung für Kinder noch interessanter werden. Ein wiederholter Museumsbesuch steht somit ganz automatisch auf dem Plan. Mit dem KINDEROLYMP präsentiert sich das Altonaer Museum als interaktiver und interdisziplinärer Ort des Lernens – die Institution Museum baut Barrieren ab und wird fit gemacht für die Zukunft.
www.altonaermuseum.de
Angebote für Gruppen und Schulklassen: www.museumsdienst-hamburg.de
Dr. Vanessa Hirschist Kuratorin des KINDEROLYMP im Altonaer Museum in Hamburg.
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