fK 2/10 Lebenshilfe

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Leben so normal wie möglich

Die Vereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung tritt für Inklusion und Selbstbestimmung ein

Als Katrin vor einem Jahr zur Welt kam, löste die Diagnose der Ärzte einen schweren Schock bei den Eltern aus: Ihre Tochter hat das Down-Syndrom – eine Störung des Erbguts, die Katrins geistige und motorische Entwicklung hemmen wird. In ihrer Verzweiflung wandten sich die Eltern an die Vereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung, der bundesweit mehr als 135.000 Mitglieder angehören: Eltern von Menschen mit geistiger Behinderung, Fachleute, Förderer und zunehmend auch geistig behinderte Menschen selbst. Hier schöpften Mutter und Vater von Katrin wieder Mut; heute sagen sie: „Das Gesicht unseres Kindes. Kein hässliches oder gar missgestaltetes Gesicht. Lediglich ein anderes, ein fremdes Antlitz. So eines, wie wir es bei Babys noch nie gesehen haben.“

Ziel der Lebenshilfe ist, alles dafür zu tun, dass Menschen mit geistiger Behinderung so selbständig wie möglich leben können, dass sie so viel Schutz und Hilfe erhalten, wie sie brauchen. Menschen mit geistiger Behinderung benötigen – wie alle anderen auch – liebevolle Zuwendung. Sie wollen Freundschaften schließen, spielen, Spaß haben, arbeiten. Und zwar nicht nur unter sich, sondern gemeinsam mit nicht behinderten Menschen. Inklusion (früher Integration) – wie sie in der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen gefordert wird – gehört deshalb zu den Grundsätzen der Lebenshilfe.

Geistige Behinderung ist keine Krankheit, sie bedeutet vor allem eine Beeinträchtigung der intellektuellen Fähigkeiten eines Menschen. Schon im ersten Lebensjahr erhält Katrin so genannte Frühförderung durch die Lebenshilfe, um später den Kindergarten und die Schule besuchen zu können. In vielen Gemeinden haben Eltern mittlerweile die Wahl zwischen integrativen und speziellen Einrichtungen, die sich ausschließlich um geistig behinderte Menschen kümmern. Initiatoren und Träger solcher Betreuungs- und Bildungsangebote sind häufig soziale Verbände wie die Lebenshilfe. Von den etwa 420.000 Menschen mit geistiger Behinderung in der Bundesrepublik nutzen mehr als 170.000 die Betreuung und Förderung der rund 3200 Dienste und Einrichtungen der Lebenshilfe.

Katrin soll nicht im Heim, sondern in ihrer Familie aufwachsen können. Ihre Eltern nehmen daher gern den Familienentlastenden Dienst (FeD) der Lebenshilfe in Anspruch, um auch einmal ausspannen zu können.

Später kann Katrin ihren Fähigkeiten entsprechend in einer Lebenshilfe-Werkstatt arbeiten, vielleicht schafft sie sogar mit individueller Begleitung den Sprung auf den freien Arbeitsmarkt. Wenn sie erwachsen ist, hat Katrin die Möglichkeit, ihr Elternhaus zu verlassen und in ihrer eigenen Wohnung oder in einer kleinen Wohngruppe zu leben. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Lebenshilfe sind zur Stelle, wenn Katrin Unterstützung braucht.

Doch die Lebenshilfe sieht es nicht allein als ihre Aufgabe an, Hilfsangebote bereitzustellen. Sie setzt sich auch gegen Diskriminierung von Menschen mit geistiger Behinderung ein. Vor dem Hintergrund, dass in Nazi-Deutschland mehr als 100.000 Menschen wegen ihrer Behinderung ermordet wurden und heute vorgeburtliche Untersuchungen am Erbgut des Fötus‘ den Menschen nach Maß heraufbeschwören, fordert die Lebenshilfe unmissverständlich: Das Recht auf Leben darf behinderten Menschen von niemandem und mit keiner Begründung abgesprochen werden!

Darüber hinaus leistet die Lebenshilfe auch internationale Hilfe. Sie unterstützt derzeit vor allem Angehörige geistig behinderter Menschen in Osteuropa, Indien und Afrika, damit dort ähnlich gut funktionierende Strukturen der Behindertenhilfe wie in der Bundesrepublik aufgebaut werden.

Bundesvereinigung Lebenshilfe für Menschen mit geistiger Behinderung e.V.
Leipziger Platz 15, 10117 Berlin
Tel.:030-20 64 11-0
www.Lebenshilfe.de

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