fK 3/00 Nolte

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Stieffamilie zwischen sozialer Wirklichkeit und Recht

von Sigrid Nolte-Schefold

Ehe- und Partnerschaftsmodelle

Die „neue“ Familie ist so neu wie sie alt ist. Familie hat es schon immer gegeben. Dennoch: sie unterliegt einem Wandel in ihrer Struktur. Die einzelnen Familienmitglieder folgen heute anderen Aufgaben als früher. In nur einer Generation hat sich eine entscheidende Veränderung vollzogen. Das Verständnis dafür wie wir leben, welche Ansprüche wir an uns, unsere Partner und Kinder stellen und welche Ansprüche die Gesellschaft an uns stellt, hat sich grundlegend geändert.

Es ist nicht lange her, da hatte die Frau sich zu identifizieren über die Ehe. Sie allein verschaffte der Frau gesellschaftliches Ansehen und den Rahmen für ihr Wirken. Die Spielregeln waren klar: Mit der Eheschließung gehörte die Frau dem Mann, den Kindern und in die Küche. Erst in den letzten fünfundzwanzig Jahren hat der soziale Wandel eingesetzt. Von der reinen Haushaltsführungsehe über die DINK-Ehe (Double Income No Kids) ist heute der Regelfall die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit nach der Kinderbetreuungsphase. Das Heiratsalter lediger Frauen hat sich in den letzten knapp fünfundzwanzig Jahren um fast zehn Jahre erhöht. Wurde früher mit etwa zwanzig Jahren geheiratet, heiratet frau heute mit ca. dreißig Jahren.

Eine Folge ist, daß in den meisten Fällen nicht nur die Berufsausbildung im Zeitpunkt der Eheschließung abgeschlossen ist, sondern schon im erlernten Beruf gearbeitet wurde. Kein Grund also, den Beruf mit der Eheschließung aufzugeben. Eine Änderung steht erst an, wenn Kinder kommen. Dann müssen sich die Eheleute entscheiden, ob eine reine Haushaltsführungsehe mit Kinderbetreuung richtig ist oder die Kinder fremdbetreut werden sollen.

In der sozialen Wirklichkeit kann die Ehe heute nicht mehr auf einen Typus festgelegt werden. Vier Ehemodelle lassen sich im wesentlichen unterscheiden:

1. Die Haushaltsführungsehe

In der Haushaltsführungsehe ist einem Ehegatten allein die Führung des Haushalts übertragen, während der andere Ehegatte einer Erwerbstätigkeit nachgeht und die für den Familienunterhalt erforderlichen Mittel beschafft. Damit leisten beide Ehegatten einen vollwertigen Beitrag zum Familienunterhalt, denn § 1360 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bestimmt:“Ist einem Ehegatten die Haushaltsführung überlassen, so erfüllt er seine Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushaltes.“

2. Die Doppelverdienerehe

Sind beide Ehegatten erwerbstätig, spricht man von einer Doppelverdienerehe. Wie diese Ehe unter juristischen Gesichtspunkten zu führen ist, schreibt das Gesetz nicht vor. Die Verteilung von Haushaltsführung, Kinderbetreuung, Erwerbstätigkeit und Kostenbeteiligung ist Sache von Abreden unter den Ehegatten.

3. Die Zuverdienstehe

Als dritter Typus ist die Zuverdienstehe zu nennen, bei der ein Ehegatte (in der Regel immer noch die Frau) einer Teilzeitbeschäftigung nachgeht. Diese Form entspricht weitgehend der Doppelverdienerehe. Dementsprechend hat der zuverdienende Ehegatte mit seinem Zuverdienst zum Familienunterhalt beizutragen. Wenn dagegen der Zuerwerb die Haushaltstätigkeit nicht beeinträchtigt und lediglich dazu dient, dem Ehegatten ein Taschengeld zu verschaffen, handelt es sich um eine Haushaltsführungsehe. Eine Verpflichtung des zuverdienenden Ehegatten, mit einem Teil seines Zuverdienstes zum Familienunterhalt beizutragen, besteht dann nicht.

4. Mischform mit Babypause

Der vierte Ehetypus – eine Mischform mit Babypause, Haushaltsführungsehe und Wiedereinstieg in den Beruf -, spiegelt die heutige soziale Entwicklung wieder:Die Berufstätigkeit wird für die Dauer der Kinderbetreuung unterbrochen. Für diesen Zeitraum wählen die Ehegatten in der Regel den Ehetypus Haushaltsführungsehe wegen der Notwendigkeit der Kinderbetreuung und weil die Eltern den Wunsch haben, die Kinderbetreuung nicht auf Dritte zu übertragen. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, daß die Eheleute in aller Regel nicht mehr die Vorstellung haben, eine (weitere) berufliche Tätigkeit des Kinder betreuenden Elternteils komme nicht mehr in Betracht, sondern eher die Vorstellung, daß die Eltern nur den Wunsch haben, die Berufstätigkeit für die Dauer der Kinderbetreuung zu unterbrechen, egal wie die Arbeitsmarktlage später sein wird. Diese Entscheidung wird auch erleichtert durch die Haltung vieler Arbeitgeber, denn Arbeitsplätze werden freigehalten während des Babyjahres oder WiedereinsteigerInnen Projekte werden angeboten.

Ob, wann und in welchem Umfang die Rückkehr des Kinder betreuenden Elternteils in den Beruf stattfindet, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Eine wichtige Rolle spielen die Zahl der Kinder, die Vereinbarkeit der Berufsausübung mit der Kinderbetreuung, die Höhe der Kinderbetreuungskosten, die Arbeitsmarktlage und nicht zuletzt das erzielbare Einkommen.

Die „neue“ Familie – Stieffamilie

Zur sozialen Wirklichkeit gehört heute, daß einerseits Ehen auch durchaus mehrfach geschieden werden und daß andererseits auch mehrfach geheiratet wird. Zweit- und Drittehen sind heute keine Seltenheit mehr. Und damit entsteht die Stieffamilie. Was ist darunter zu verstehen?
Sie entsteht aus der alten Familie und ist die neue Lebensgemeinschaft eines Elternteils und seiner Kinder mit einem neuen Partner, der vielleicht auch eigene Kinder in die neue Familie mitbringt. Aber das ist nicht wirklich neu, wie es vielfach scheint. Stieffamilien gibt es seit Menschengedenken. Historisch gesehen waren es vor allem verwitwete Personen, die nach dem oft frühen Tod ihres Ehepartners eine Zweitehe eingingen. Auch aus ökonomischen Gründen wurde wieder geheiratet und weil wegen der Müttersterblichkeit im Kindbett, die noch Anfang des 20. Jahrhunderts sehr hoch war, eine „neue“ Mutter für die Kinder sorgen mußte. So ist uns der Begriff der Stiefmutter vertrauter als der des Stiefvaters, weil es früher einfach mehr davon gab. Die Stiefväter haben aufgeholt und auch um ihre rechtliche Position geht es heute.

Aus der sozialen Wirklichkeit ergibt sich zwangsläufig eine neue Familienform: Eine höhere Lebenserwartung führte allmählich zu einer Abnahme der Verwitwungs-Stieffamilien. Die Liberalisierung des Scheidungsrechts und die damit einhergehende soziale Akzeptanz von Scheidungen führte ebenso zur „neuen“ Familie, zur Scheidungs-Stieffamile. Die Zahl der Stieffamilien ist generell stark am zunehmen, wobei exakte Daten aufgrund z.B. repräsentativer Bevölkerungs-statistiken derzeit noch nicht erhoben werden. Für die Bezeichnung „Stieffamilie“ ist unerheblich, ob in einer Ehe zusammengelebt wird oder in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.

In der Stieffamilie gibt es zahlreiche Varianten. Dazu einige Beispiele:

  • Die Frau bringt leibliche Kinder mit;
  • der Mann bringt leibliche Kinder mit;
  • beide Partner haben gemeinsame Kinder;
  • einer der Partner hat Adoptiv- oder Pflegekinder;
  • die Kinder eines Partners leben beim anderen leiblichen Elternteil und kommen zu Besuch;
  • einer der leiblichen Elternteile ist verstorben;
  • für den einen Partner ist es die erste Ehe für den anderen die vierte;
  • ein Partner hat keine Erfahrung mit Kindern, der andere hat drei Kinder

Schon aus diesen Beispielen wird ersichtlich: Die Familienstruktur kann so bunt sein wie ein Flickenteppich – ein Patchwork. Patchwork, das ist ein Muster, eine Handarbeit, die einzigartig, bunt phantasievoll ist, immer anders, immer neu und alt zugleich. Auch Stieffamilien sind so, deshalb werden sie auch Patchworkfamilien genannt. Im Gegensatz dazu die ursprüngliche Familienform, die „Kernfamilie“, auch „Ursprungsfamilie“ genannt. Sie bezeichnet die Familienform, in der in erster Ehe geheiratet wird und auch leibliche Kinder da sind.

Das Zusammenleben in einer Stieffamilie ist nicht ohne die vorangegangenen Erfahrungen mit der ersten Ehe bzw. Partnerschaft und ihrer Auflösung und der Zeit danach zu verstehen. Das erste Glück ist zerronnen und Vertrauen in ein neues Glück muß erst wieder erlebt und fühlbar gemacht werden. Bis alle ihren Platz in der neuen Familie gefunden haben und sich wohlfühlen, geht es stürmisch zu. Geduld, Einfühlungsvermögen und Toleranz – die Haupttugenden der Stieffamilie – sind einer harten Belastungsprobe unterworfen. Derzeit scheitern noch ca. 50% dieser Ehen. Wichtigster und folgenreichster Unterschied zur Kernfamilie ist, daß es außerhalb des Haushaltes, in dem die Kinder leben, einen weiteren Elternteil gibt. Die Kinder sind in mehr oder weniger großem Umfang Mitglied mindestens zweier Haushalte und abhängig von der Ausgestaltung der elterlichen Sorge, der Besuchsregelung und der wirtschaftlichen Situation. Je nach dem, ob die Eltern der Stieffamilie in einer Ehe leben oder Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft sind, variieren die rechtlichen Probleme.

Rechtsprobleme der Stieffamilie

Einen rechtlichen Komplex „Stieffamilie“, der die Stieffamilie rechtlich zusammenfaßt, gibt es nicht. Das Recht stellt heute zwei Grundtypen für die rechtliche Einordnung zur Verfügung: Die Ehe und die nichteheliche Lebensgemeinschaft. Gerade die Besonderheiten der Stieffamilie mit ihren vielen Varianten lassen sich nicht ohne weiteres diesen beiden Rechtstypen und den dabei vom Gesetzgeber geregelten Rechtsfragen zuordnen.
Gesetzlich geregelt ist das Zusammenleben im Rahmen einer Ehe und unter den besonderen Schutz des Grundgesetzes gestellt. Die nichteheliche Lebensgemeinschaft genießt diesen Schutz nicht, sodaß für die rechtliche Beurteilung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft auf Vertragsrecht, Gesellschaftsrecht und eine entsprechende Anwendung familienrechtlicher Normen zurückgegriffen werden muß.

Für die Lebensformen der Stieffamilie bleibt festzuhalten, daß in der sozialen Wirklichkeit Rechtsfragen zu Bereichen entstehen, wie sie auch bei der Kernfamilie im Vordergrund stehen. Das bedeutet, daß für diese vom Gesetzgeber nicht geregelten Lebenssachverhalte neue Ansätze gefunden werden müssen, um die anstehenden Rechtsfragen zu lösen. Dies deshalb, weil die soziale Wirklichkeit der Stieffamilie andere Voraussetzungen für eine Rechtsfindung hat als die Kernfamilie.

An den Schnittstellen zwischen alter und neuer Ehe bzw. Lebensgemeinschaften entstehen die Probleme. Bereiche in denen es Berührungspunkte gibt, sind vor allem das Namensrecht, das Sorgerecht und das Umgangsrecht, der Unterhaltsbereich sowie das Erbrecht.
Im nachfolgenden einige Beispiele zu den vielen Fragen, die im Alltag einer Stieffamilie entstehen und die juristische Antworten erfordern.

1. Namensrecht

Welchen Namen soll sich eine Stieffamilie geben? Eine Familie mit soviel verschiedenen Namen wie Familienmitglieder ? Oder ist es einfacher, das Zusammenleben unter einem gemeinsamen Namen zu starten und zu dokumentieren, wer jetzt zusammengehört. Andererseits möchte jeder vielleicht seinen Namen behalten, der ihm seit Jahren vertraut ist, zu einem gehört.

Beide Formen der Namensgebung sind möglich. Eine erneute Eheschließung läßt den Kindesnamen unberührt. Damit ist klargestellt, daß ein Kind seinen Geburtsnamen auch dann behält, wenn seine Eltern nach einer Scheidung erneut heiraten und einen anderen oder keinen Ehenamen führen.Mit der Geltung des Kindschaftsrechtsreformgesetzes zum 1.7.1998 hat sich der Gesetzgeber dem Problem gestellt. Das Kind kann auch den Ehenamen aus der neuen Ehe bekommen, so § 1618 Abs. 1 Satz 1 BGB. Dies geschieht durch die sogenannte Einbenennung. Die Namenserteilung begründet weder Rechte noch Pflichten. Mit jeder Wiederheirat ist eine erneute Einbenennung möglich, es entfällt dann jeweils der dem Namen des Kindes vorangestellte oder angefügte Ehename aus der vorherigen Einbenennung.

Der Konflikt ergibt sich aus dem Wunsch der Stieffamilie unter einem gemeinsamen Namen aufzutreten und dem damit einher gehenden Rechtsverlust des leiblichen Elternteils, seinem leiblichen Kind seinen Namen zu erhalten.

2. Sorgerecht

Auch nach Scheidung der Ehe behalten die Eltern im gesetzlich geregelten Normalfall die gemeinsame elterlich Sorge für ihre Kinder. Der Stiefelternteil, in dessen Haushalt das Kind lebt, erhält keine Erziehungsrechte und keine Mitspracherechte, auch wenn er für den Alltag des Kindes von entscheidender Bedeutung ist und de facto Pflichten des abwesenden Elternteils übernimmt.
Im Zusammenleben entsteht aber die Notwendigkeit, daß der Stiefelternteil Entscheidungen auch allein für ein Stiefkind treffen kann, wenn der leibliche Elternteil abwesend oder anderweitig verhindert ist. Nach der derzeitigen Rechtslage gibt es nur den Weg der Vollmacht, die der leibliche Elternteil dem Stiefelternteil ausstellt.

Mit einer Gesetzesinitiative (Bundesrat-Drucksache 369/99 Seite 6) wird vorgeschlagen, den Stiefeltern ein sogenanntes „Kleines Sorgerecht“ für die Kinder ihres Ehepartners zu schaffen, die mit ihnen in einem Haushalt leben. Damit soll der Stiefelternteil automatisch mit der Eheschließung die Möglichkeit erhalten, über Dinge des Alltags allein entscheiden zu können.

Der Konflikt ergibt sich aus dem Spannungsfeld zwischen dem Sorgerecht des leiblichen Elternteils, bei dem das Kind nicht lebt und der tatsächlich ausgeübten Sorge des Stiefelternteils, bei dem das Kind lebt und der keinerlei Sorgerecht hat. Mit der Gesetzesinitiative wird der Konflikt für den Alltagsbereich zwar entschärft. Für die Entscheidung in wichtigen und grundlegenden Fragen bleibt der Stiefelternteil rechtlos.

3. Verbleibensanordnung

In bestimmten Fällen ( §1682 BGB) wird die Stieffamilie und die Beziehung des Kindes zu seinem Stiefelternteil vom Gesetz geschützt. Nämlich dann, wenn infolge der tatsächlichen Verhinderung, des Ruhens der elterlichen Sorge oder des Todes eines Elternteils der andere Elternteil die elterliche Sorge erlangt und deshalb das Kind aus der Stieffamilie herausnehmen möchte, weil er es jetzt bei ihm wohnen soll.

Durch die Verbleibensanordnung wird dem Kind gestattet, sich zunächst weiterhin bei seinem Stiefelternteil aufzuhalten, obwohl der leibliche Elternteil bereits das Sorgerecht hat. Damit soll dem Kind zunächst die Möglichkeit gegeben werden, sich innerlich auf den Wechsel in den Haushalt des leiblichen Elternteils (wieder) einzustellen und darauf vorzubereiten und die Beziehung zum leiblichen Elternteil aufzubauen bzw. zu erneuern.

Ein dauerhafter Verbleib in der bisherigen Umgebung -also in der Stieffamilie – ist grundsätzlich nicht selbstverständlich, da dadurch der leibliche Elternteil endgültig von seinem Sorgerecht, das auch das Aufenthaltsbestimmungsrecht umfaßt, ausgeschlossen wäre. Üblicherweise ist eine Verbleibensanordnung daher befristet. Das Gericht kann sie allerdings verlängern, wenn das Kindeswohl durch den Umzug zum leiblichen Elternteil gefährdet wäre.

Der Konflikt ergibt sich daraus, daß ein Kind, das längere Zeit mit seinem Stiefelternteil zusammengelebt hat, wegen des automatischen Sorgerechts eines ihm vielleicht völlig fremden leiblichen Elternteils, die unter Umständen vertrautere Stieffamilie verlassen muß.Um diesen Problemen zu entgehen, überlegen sich viele Stiefeltern, ob sie ihre Stiefkinder adoptieren sollten, um darüber eine Gleichstellung mit leiblichen Kindern zu erhalten.

4. Umgangsregelung

Wer darf zu wem und wie lange? Eine einfache Frage – frustrierende Antworten. Trennung und Scheidung der Eltern verursachen einen oftmals erbitterten Streit um die Besuchsrechte. Das Bemühen der Kindschaftsrechtsreform vom 1.7.1998 geht dahin, den Umgang des Kindes mit seiner Familie zu stärken. Der Umgang mit beiden Elternteilen gehört nach § 1626 Abs. 3 Satz 1 BGB zum Kindeswohl. Nicht nur den Eltern steht deshalb ein Anspruch auf Umgang zu, auch das Kind selbst ist anspruchsberechtigt, § 1684 Abs. 1 BGB.

Mit dieser Ausgestaltung des Umgangsrechtes des Kindes will der Gesetzgeber erreichen, daß die Eltern sich bewußt machen, daß der Kontakt zwischen Eltern und Kindern wichtig ist. Der Anspruch des Kindes steht in Wechselwirkung zur Pflicht der Eltern, den Umgang zu gestatten und vor allem auch selbst zu pflegen.

Und dann kommt auch noch der neue Partner der Mutter bzw. die neue Partnerin des Vaters dazu und mischt mit. Sie können sich dem kaum entziehen, denn die Besuche beeinflussen ihren Alltag genauso wie den der Ursprungsfamilie. Der Gesetzgeber hat sich darauf eingestellt und räumt auch den Stiefeltern ein in § 1685 BGB geregeltes Umgangsrecht ein.

Für Stiefeltern gilt: Hat das Kind längere Zeit mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft gelebt, und dient der Umgang dem Wohl des Kindes, steht dem Besuchsrecht grundsätzlich nichts im Wege. Aber: Eine Umgangspflicht – so wie die Eltern – haben Stiefeltern nicht. Ebensowenig hat das Kind ein eigenständiges Recht – wie gegenüber seinen Eltern – auf diesen Umgang. Wird den Stiefeltern das Umgangsrecht grundlos verweigert, müssen sie – genau wie leibliche Eltern auch -, gerichtliche Hilfe in Anspruch nehmen.

5. Unterhalt

Widmet sich der Vater zweier Kinder aus erster Ehe in seiner zweiten Ehe der Erziehung der Kinder seiner zweiten Ehefrau und der gemeinsamen weiteren Kinder, kann er das nicht uneingeschränkt tun, wenn er gegenüber seinen Kindern aus erster Ehe und seiner ersten Ehefrau unterhaltsverpflichtet ist. Von ihm wird verlangt, eine Erwerbstätigkeit auszuüben, die es ermöglicht, der Erstfamilie Unterhalt zu zahlen.

Hier ergibt sich ein Konflikt mit der neuen Familie, die vielleicht so angelegt ist, daß er als Hausmann die Familie versorgt.In einer Stieffamilie kann eine große wirtschaftliche Belastung dadurch entstehen, daß die neue Familie sich vergrößert. Eine größere Wohnung wird benötigt, es steigen die Mietkosten. Es gibt mehr Esser am Tisch, sei es daß Stiefkinder im Haushalt leben, sei es, daß sie regelmäßig zu Besuch kommen oder gemeinsam Urlaub gemacht wird. Deshalb sind Unterhaltsfragen von existenzieller Wichtigkeit.

Eine gesetzliche Unterhaltsverpflichtung seitens des Stiefelternteils gegenüber seinem Stiefkind besteht nicht. Im Lebensalltag sieht es aber so aus, das praktisch aus einem Topf gewirtschaftet wird. Ist z.B. die Stiefmutter berufstätig finanziert sie automatisch die Stiefkinder mit, da ihr Einkommen in der Regel mit in den Familientopf fließt, aus dem dann Miete, Reisen, Taschengeld, Kleidung etc. bezahlt werden.

Der Konflikt ergibt sich einerseits aus dem Spannungsfeld zwischen dem leiblichen Elternteil, der verpflichtet ist Unterhalt für sein Kind zu bezahlen, es aber nicht tut oder nicht in ausreichendem Umfang und dem Stiefelternteil, der das Stiefkind, das in seinem Haushalt lebt mit finanziert.Eine Lösung bietet das Gesetz für den Fall, daß der leibliche Elternteil keinen Unterhalt für sein Kind zahlt. Der Stiefelternteil kann den von ihm für sein Stiefkind gezahlten Unterhalt vom leiblichen unterhaltsverpflichteten Elternteil zurückverlangen. Aber maximal nur in Höhe des gesetzlichen Unterhaltsanspruches des Kindes. Es handelt sich um einen gesetzlichen Forderungsübergang, der dann greift, wenn der Stiefelternteil für das Stiefkind, das in seinem Haushalt lebt, entweder Barunterhalt leistet oder das Kind betreut, geregelt in § 1607 Abs. 3 BGB. Erhält das Kind den gesetzlichen Unterhalt, kann der Stiefelternteil darüber hinaus nicht mehr erhalten, auch wenn er weitere Aufwendungen für sein Stiefkind macht.

Auf seiten der leiblichen Mutter, die in zweiter Ehe die Kinder betreut ergibt sich ein Konflikt daraus, daß der Stiefelternteil weder während des Bestehens der Beziehung noch nach deren Scheitern wirtschaftliche Verpflichtungen gegenüber seinem Stiefkind hat und die leibliche Mutter den Unterhalt für ihr Kind nicht mehr bestreiten kann, weil sie z.B. ihren Beruf aufgegeben hat, um sowohl die Kinder des neuen Ehepartners, ihre eigenen Kinder und gegebenenfalls auch gemeinsame weitere Kinder zu betreuen. Als Lösung aus diesem Dilemma bietet sich zur Zeit nur eine vertragliche Regelung an, mit der Unterhaltsverpflichtungen des Stiefelternteils festgelegt werden. Das ist aber eine freiwillige Regelung der Parteien.

6. Erbrecht

Gerade bei zusammengesetzten Familien sind die Empfindlichkeiten und die Angst, im Erbfall nichts oder zu wenig vom Nachlaß zu bekommen, groß. Es wird befürchtet, daß der Kuchen unter zu vielen Beteiligten aufgeteilt werden muß. Mit einer Zweitehe und jeder weiteren Ehe wächst der Kreis der durch das Gesetz Erbberechtigten, und zwar jeweils um den Ehepartner und gemeinsame Kinder dieser Ehe. Stiefkinder sind nicht gesetzlich erbberechtigt, weil sie mit dem Stiefelternteil nicht verwandt sind. Nur leibliche Abkömmlinge oder ihnen gleichgestellte, z.B. adoptierte Kinder, werden bei der gesetzlichen Erbfolge berücksichtigt.

Das Stiefkind muß nach derzeitiger Rechtslage in Kauf nehmen, daß ein unter Umständen wesentlicher Teil elterlichen Vermögens bei dessen Tod zunächst auf den Ehepartner (Stiefelternteil) übergeht und dann beim späteren Tod des Stiefelternteils in dessen Familie verbleibt. Das Stiefkind hat zwar einen Ausbildungskostenanspruch gegen den Nachlaß, der aber entfällt, wenn die Eheleute Gütertrennung vereinbart hatten.Diese Regelung ist unbefriedigend. Das Stiefkind sollte zumindest mit einem Pflichtteilsanspruch gegen den Stiefelternteil ausgestattet werden, wenn ein Stiefelternteil stirbt, der zuvor von dem leiblichen Elternteil des Stiefkindes Vermögen geerbt hatte.

Zusammenfassung und Ausblick

Das neue Kindschaftsrecht, das am 1.7.1998 in Kraft getreten ist, hat wichtige Änderungen für die Stieffamilie gebracht, z.B. im Bereich Umgang und Namensrecht sowie mit der Verbleibensanordnung. Weitergehende Neuregelungen, insbesondere im Zusammenhang mit der elterlichen Sorge, sieht das Gesetz derzeit nicht vor.

Trotz gewisser Verbesserungen durch die Reform gibt es nach wie vor erhebliche Unterschiede zwischen dem rechtlichen Status von Stiefeltern im Vergleich zu leiblichen Eltern gegenüber ihren Kindern. Anknüpfung für Rechte und Pflichten ist die Verwandtschaft zwischen den Beteiligten, nicht deren emotionale Bindung. Stiefeltern und Stiefkinder werden nicht verwandt miteinander, wenn ein Stiefelternteil den leiblichen Elternteil heiratet oder in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit ihm zusammenlebt. Sie haben aber oftmals eine enge emotionale Bindung zu ihren Stiefkindern. Aber darauf kommt es – juristisch gesehen – nicht an, denn die enge emotionale Bindung schafft weder Rechte noch Pflichten.

Der Gesetzgeber stellt bei der Begründung von Rechten und Pflichten allein auf die Verwandtschaft ab. Das hat zur Folge, daß Stiefeltern nicht verpflichtet sind, Unterhalt an ihre Stiefkinder zu zahlen, und zwar weder während des Zusammenlebens mit dem leiblichen Elternteil noch danach, falls es zu einer Trennung oder Scheidung kommt. Der Gesetzgeber verlangt von einem Stiefelternteil lediglich, daß er sich um die Kinder kümmert, solange sie im gleichen Haushalt leben. Bei Trennung oder Scheidung gibt es zwar ein Umgangsrecht des Stiefelternteils, aber keine Pflicht zum Umgang wie bei einem leiblichen Elternteil. Und es gibt auch kein Sorgerecht, unabhängig davon wie lange das Kind bei seinem Stiefelternteil gelebt hat. Mit Hilfe einer Verbleibensanordnung kann immer nur für einen begrenzten Zeitraum Abhilfe geschaffen werden.
Gemessen an dem, was Stiefeltern für ihre Stiefkinder leisten, sind ihre Rechte minimal – die gesetzlich festgelegten Pflichten allerdings auch. Bei gesetzlicher Festschreibung von Rechten und Pflichten wird man sicherlich nicht umhin kommen, zwei unterschiedlichen Situationen Rechnung zu tragen: Stiefeltern, die „de-facto“-Eltern sind und Stiefeltern, die nicht mit ihrem Stiefkind zusammenleben.

Schließlich bleibt bei allen künftigen Regelungen die Situsation mitzubeachten, daß bei Stieffamilien als „neuer“ Familienform das familienrechtliche Beziehungsgeflecht wesentlich weiter reicht als bei einer Erstfamilie. Besonderheiten ergeben sich aber vor allem auch dann, wenn es zu einem Scheitern der Stieffamilie kommt.

Im Familienrecht sind generell Tendenzen spürbar, sich vom institutionellen Rechtsdenken abzulösen, wenn z.B. neben die Ehe auch andere Rechtsformen des Zusammenlebens treten. Im Bundesstaat Louisiana/USA kann man sich mittlerweile bei der Eheschließung für die jederzeit scheidbare oder die auf Lebenszeit geschlossenen Ehe entscheiden, die nur bei Vorliegen der im Gesetz aufgezählten Gründe scheidbar ist. Schon in Goethes Wahlverwandtschaften wird eine Ehezeit von zunächst fünf Jahren vorgeschlagen, die die Partner dann einvernehmlich verlängern oder auch nicht.

Dem Gedanken der Selbstbestimmung verstärkt Rechnung zu tragen, wie dies z.B. im Namensrecht bereits geschehen ist, könnte auch der Stieffamilie nützen.

Sigrid Nolte-Schefold ist Rechtsanwältin und Bankkauffrau in Frankfurt am Main

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