19 Jun fK 6/10 Peschel-Gutzeit
Die Veränderung der Stellung des Vaters im Recht
Wer profitiert davon?
Von Lore Maria Peschel-Gutzeit
Vor wenigen Wochen hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Elternrecht des Vaters eines nichtehelichen Kindes aus Art. 6 Abs. 2 GG dadurch verletzt ist, dass er nach geltendem Recht ohne Zustimmung der Mutter generell von der Sorgetragung für sein Kind ausgeschlossen ist und dass er gerichtlich nicht überprüfen lassen kann, ob es aus Gründen des Kindeswohls angezeigt ist, ihm zusammen mit der Mutter die Sorge für sein Kind einzuräumen oder ihm sogar anstelle der Mutter die Alleinsorge für sein Kind zu übertragen.
Wenige Monate vorher hatte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in einem deutschen Fall ähnlich entschieden: Der Gerichtshof gelangte im Fall Zaunegger zu dem Ergebnis, dass deutsche Väter außerehelich geborener Kinder beim Zugang zur gemeinsamen elterlichen Sorge diskriminiert würden. In der entsprechenden deutschen gesetzlichen Regelung liege eine Verletzung der Art. 14 und 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention.
Es besteht also Handlungsbedarf und dementsprechend ist die Gesetzgebungsmaschine angesprungen – innerhalb und außerhalb des Deutschen Bundestages wird heftig diskutiert, wie eine Lösung für nichteheliche Väter aussehen muss, die mit der deutschen Verfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention übereinstimmt.
Worum geht es aktuell?
Es geht um Kinder, deren Eltern nicht miteinander verheiratet sind oder waren; bis vor kurzem wurden sie nichteheliche Kinder genannt, bei Inkrafttreten des Bonner Grundgesetzes im Jahre 1949 hießen sie uneheliche Kinder. Für diese Kinder waren die Eltern zu keiner Zeit in gleicher Weise rechtlich zuständig.
Bei Inkrafttreten des ersten allgemeinen deutschen Zivilrechts am 1.1.1900, welches die Partikularrechte aus der Zeit vor der deutschen Reichsgründung, also vor 1871, ablöste, nahm der Vater eines unehelichen Kindes an dessen Erziehung, an Fürsorge und Versorgung in keiner Weise teil. Nach dem Gesetz galt er als mit seinem Kind nicht verwandt. Stand er als Vater fest – was mangels zuverlässiger wissenschaftlicher Untersuchungen nicht einfach war –, so schuldete er dem Kind Unterhalt, bis das Kind 16 Jahre alt war. Die Mutter erhielt keinerlei Unterstützung von dem Vater, insbesondere keinen Unterhalt, sieht man einmal davon ab, dass der Vater der Mutter die Entbindungskosten und einen Unterhalt für die ersten sechs Wochen nach der Entbindung schuldete. Wir haben vor uns das klassische Modell des bloßen Zahlvaters, des Erzeugers, der sein Kind häufig überhaupt nicht kannte, es oft auch gar nicht sehen wollte, im übrigen hatte er auch kein Besuchsrecht, konnte sein Kind also, selbst wenn er zu dem Kind Kontakt herstellen wollte, gegen den Widerstand der Mutter nicht sehen, nicht kennenlernen.
Diese uns heute geradezu unmenschlich vorkommende Regelung hatte viele Gründe. Tatsächlich lag ihr die Annahme zugrunde, dass ein junger Mann aus gutem Hause sich mit einem Dienstmädchen eingelassen hatte, dessen uneheliches Balg sollte an der Vaterfamilie auf keinen Fall partizipieren, weder im persönlichen Bereich, noch vor allem im Bereich des Vermögens. Das Kind war deshalb schon damals rechtlich allein der Mutter zugeordnet, es erhielt deren Familiennamen, die Mutter und ihr soziales Milieu entschieden über das Aufwachsen und Fortkommen des Kindes, das Kind hatte weder zu Lebzeiten des Vaters noch nach dessen Tod Anteil an seinem Vermögen. War also die Mutter allein zuständig, so stand ihr doch nicht die elterliche Gewalt über ihr eigenes Kind zu. Sie hatte lediglich das Recht und die Pflicht, für die Person des Kindes zu sorgen, gesetzliche Vertreterin ihres Kindes war sie nicht, das Kind brauchte einen Vormund.
Diese gesamte Regelung, also die Stellung des unehelichen Kindes am 1.1.1900, entsprach damaligem gesellschaftlichem Konsens. Eine uneheliche Geburt war und blieb eine Schande und eine Schmach, für die Mutter ebenso wie für das Kind, während sie dem Vater gesellschaftlich grundsätzlich nicht schadete. Viele der unehelichen Kinder wurden zu Heimkindern, weil deren Mütter die persönliche und wirtschaftliche Last des Aufziehens eines solchen Kindes nicht tragen konnten oder wollten. So gab es bis ins Jahr 1969 etwa 800.000 bis 900.000 uneheliche Kinder aller Altersklassen, von den nichtehelichen Säuglingen kamen seinerzeit immerhin 12.000 in ein Heim.
Dieser gesellschaftliche Grundkonsens überdauerte, aus unserer heutigen Sicht erstaunlicherweise, nicht nur den Ersten, sondern auch den Zweiten Weltkrieg und vier politische Systeme in Deutschland, also das Kaiserreich, die Weimarer Republik, das Hitlerregime und die Bonner Republik, also den Beginn der Bundesrepublik, ohne dass sich Entscheidendes änderte. Erst im Jahre 1970, also gerade einmal vor 40 Jahren, schaffte der Deutsche Bundestag erste zaghafte Schritte im Verhältnis zwischen unehelichem Vater und unehelichem Kind, um diese einander rechtlich näher zu bringen.
Dies tat der Deutsche Bundestag freilich nicht freiwillig und auch nicht aus Überzeugung, sondern gezwungenermaßen: Stand doch in dem Bonner Grundgesetzt von 1949 in Art. 6 Abs. 5 der Befehl des Verfassungsgesetzgebers, dass den unehelichen Kindern durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen seien wie den ehelichen Kindern. Diesen Verfassungsauftrag auszuführen, bemühte sich der Deutsche Bundestag seit 1956, jedoch ohne durchschlagenden Erfolg. Streitig war vor allem, welche Rechtsstellung die Mutter erhalten sollte, etwa die volle elterliche Sorge oder doch eine amtliche Mitwirkung, hier also eine Amtspflegschaft für das Kind. Ebenso streitig war die Frage, welchen Unterhalt das Kind erhalten sollte, gemessen etwa am väterlichen Standard oder an dem der Mutter? Eine dritte große Streitfrage betraf die eigene Versorgung der Mutter, also deren Unterhalt.
Ein jahrelanger Beratungsmarathon im Bundestag und Bundesrat begann, der schließlich durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von Januar 1969, immerhin 20 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes, verkürzt und beendet wurde, weil das Verfassungsgericht eine Umsetzung von Art. 6 Abs. 5 GG bis zum Ende der laufenden Wahlperiode verlangte und zugleich anordnete, dass anderenfalls das entgegenstehende Familienrecht nicht mehr angewendet werden dürfe und die Rechtsprechung den Willen der Verfassung ohne entsprechende gesetzliche Regelung umzusetzen habe. Da die laufende Legislatur im Herbst 1969 endete, war also höchste Eile geboten. Diese höchstrichterliche Ohrfeige, anders kann man es nicht ausdrücken, führte endlich dazu, dass im Laufe des Jahre 1969 das so genannte Nichtehelichengesetz im Deutschen Bundestag verabschiedet wurde, das sodann am 1.7.1970 in Kraft trat.
sind, dass das Kind, das nun nicht länger „unehelich“, sondern „nichtehelich“ hieß, nach wie vor nicht unter der elterlichen Gewalt, die später elterliche Sorge hieß, der Mutter stand, sondern dass der Mutter ein Pfleger zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben bestellt werden musste, dass der Familienname des Kindes der der Mutter war, dass das Kind Unterhalt vom Vater erhielt und auch die Mutter einen einjährigen Unterhalt. Besonders wichtig: Erstmals erhielt der Vater das Recht zum persönlichen Verkehr mit dem Kind, allerdings nur, wenn die Mutter ihm hierzu Gelegenheit gab. Gab die Mutter ihre Zustimmung zu diesem persönlichen Kontakt nicht, so konnte das Vormundschaftsgericht den Umgang anordnen, wenn dies dem Wohl des Kindes diente. Erstmals wurde das Kind nun auch an der Vaterfamilie beteiligt. Es wurde zwar nicht erbberechtigt nach dem Vater, aber es erhielt einen sogenannten Erbersatzanspruch und einen Anspruch auf vorzeitigen Erbausgleich. Damit war ein Riesenschritt getan in Richtung Teilhabe des Vaters am Leben des Kindes und vice versa Teilnahme des Kindes am Leben und an der Familie des Vaters.
Die Entwicklung in der DDR
In der DDR verlief diese Entwicklung gänzlich anders: Nach Art. 33 der DDR-Verfassung durfte die außereheliche Geburt weder dem Kind noch seinen Eltern zum Nachteil gereichen. Entgegenstehende Gesetze waren automatisch aufgehoben. In dem Gesetz über den Mutter- und Kindesschutz vom 27.9.1950 hieß es: „Die nichteheliche Geburt ist kein Makel. Der Mutter eines nichtehelichen Kindes stehen die vollen elterlichen Rechte zu, die nicht durch Einsetzung eines Vormundes geschmälert werden dürfen.“ Der Unterhaltsanspruch des Kindes richtete sich nach der wirtschaftlichen Lage beider Eltern. Das Familiengesetzbuch der DDR von 1965 gestattete dem Vater den persönlichen Verkehr mit dem Kind, aber nur, wenn und soweit die Mutter zustimmte. Das Kind war wie ein eheliches Kind des Vaters erbberechtigt.
Da die nichteheliche Mutter in der DDR die volle elterliche Sorge innehatte, während die nichteheliche Mutter aus der Bundesrepublik noch immer mit der Amtspflegschaft belastet war, traten die eben geschilderten Regeln des BGB zunächst, einer entsprechenden Regelung im Einigungsvertrag folgend, in dem Beitrittsgebiet nicht in Kraft, die nichteheliche DDR Mutter blieb also volle Inhaberin der elterlichen Gewalt, auch die übrigen eben genannten Regeln der DDR galten für nichteheliche Kinder aus der DDR weiter. Diese Gabelung zwischen Ost und West, also eine völlig unterschiedliche Rechtsstellung des nichtehelichen Vaters wie auch der nichtehelichen Mutter, je nachdem, ob die Eltern im Osten oder Westen lebten, hielt immerhin acht Jahre an.
Veränderungen in der alten Bundesrepublik
Wie ausgeführt, war in der Bundesrepublik am 1.7.1970 ein Schritt zur Gleichstellung des nichtehelichen Kindes und seiner Eltern mit der Stellung der ehelichen Kinder getan. Aber es war noch ein langer steiniger Weg bis zu der Rechtslage, die das Bundesverfassungsgericht in seiner jüngsten, eingangs erwähnten Entscheidung dargestellt und erneut kritisiert hat.
Am 1.1.1980 trat in der Bundesrepublik das Sorgerechtsänderungsgesetz in Kraft, das das Umgangsrecht des nichtehelichen Vaters stärkte. Zwar war er insoweit immer noch von der Zustimmung der Mutter abhängig. Aber erstmals wurde in jenem Gesetz, soweit es das Umgangsrecht des Vaters anging, auf die Vorschrift verwiesen, die für den Umgang geschiedener Eltern mit ehelichen Kindern galt, § 1634 BGB. Nunmehr konnte das Vormundschaftsgericht, das damals noch zuständig war, dem Vater auch gegen den Willen der Mutter ein Umgangsrecht einräumen, wenn der Umgang zwischen Vater und Kind dem Wohl des Kindes diente.
Die Entwicklung im vereinigten Deutschland
Bis zur gemeinsamen elterlichen Sorge nichtehelicher Eltern sollte es aber noch fast 20 weitere Jahre dauern: Erst das Kindschaftsrechtsreformgesetz von 1997, in Kraft seit dem 1.7.1998, brachte nicht nur die Neuerung, dass die Eltern eines ehelichen Kindes auch bei Trennung und Scheidung grundsätzlich gemeinsam sorgeberechtigt blieben. Sondern es brachte auch die ganz neue Regelung, dass nun auch nicht miteinander verheiratete Eltern erstmals gemeinsam sorgeberechtigt werden konnten. § 1626a BGB bestimmt, dass Eltern, die bei der Geburt des Kindes nicht miteinander verheiratet sind, die elterliche Sorge dennoch gemeinsam zusteht, wenn sie erklären, dass sie die Sorge gemeinsam übernehmen wollen (Sorgeerklärung) oder wenn sie einander heiraten. Fehlt beides, so steht das Kind unter der alleinigen vollen elterlichen Sorge der Mutter.
Diese Neuregelung war eine Sensation und sie ist gerade einmal zwölf Jahre alt! Dem waren heftigste Debatten im parlamentarischen und im außerparlamentarischen politischen Raum vorausgegangen, Mütterfronten stritten mit Väterfronten, die einen sprachen von der Entrechtung der Mutter, die anderen von Vätern zweiter Klasse – ein Zustand übrigens, der bis heute anhält. Alsbald erhob sich die Frage, ob die Regelung von 1998, nach welcher der nichteheliche Vater nur unter bestimmten Voraussetzungen an der elterlichen Sorge für das Kind beteiligt werden kann, mit der deutschen Verfassung übereinstimmt. Im Januar 2003 äußerte sich das Bundesverfassungsgericht hierzu erstmals. Es bejahte die Verfassungskonformität, fügte aber hinzu, der Gesetzgeber müsse beobachten, ob die Väter von den Müttern tatsächlich und wenn in welchem Umfang an der elterlichen Sorge beteiligt werden. Das Verfassungsgericht fügte hinzu, falls dies nicht oder nicht in ausreichendem Umfang der Fall sei, müsse der Gesetzgeber andere Regeln finden, die dem verfassungsrechtlichen Elternrecht des Vaters gerecht werden.
An dieser Stelle stehen wir heute. Seit der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 2003 sind – wie vom Bundesverfassungsgericht verlangt – rechtstatsächliche Erhebungen angestellt worden, die in der jetzigen neuesten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von Juli diesen Jahres teilweise wiedergegeben sind. Danach hat im Jahre 2008 gut die Hälfte aller Eltern eines nichtehelichen Kindes, genau 50,7 Prozent, eine gemeinsame Sorgeerklärung abgegeben. Das bedeutet auf der anderen Seite, dass knapp die Hälfte aller nichtehelichen Väter an der elterlichen Sorge für ihr Kind nicht beteiligt worden sind. In der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werden auch Ausführungen über die Gründe und Motive dieser Entwicklung gemacht. Danach sind es zum Teil kindbezogene Gründe, die die Mutter davon abhalten, einer gemeinsamen Sorgeerklärung zuzustimmen, es sind aber durchaus auch eigene Gründe, die die Mütter anführen. So ist die Rede davon, dass die in Frage kommenden Mütter im Konfliktfall allein entscheiden wollen und darüber hinaus kehrt häufig die Wendung wieder, sie wollten mit dem Mann nichts mehr zu tun haben.
Klingt das zunächst einmal sehr egoistisch, muss doch weiter gefragt werden, was dieser Haltung denn zugrunde liegt. Harmonisch miteinander lebende Eltern eines gemeinschaftlichen Kindes werden, ebenso wie miteinander verheiratete Eltern, kaum je in die Lage kommen, dass einer der Elternteile den Wunsch hat, eine Entscheidung für oder gegen das Kind allein zu treffen und ebenso wenig wird es in solchen partnerschaftlichen Situationen dazu kommen, dass etwa die Mutter des Kindes erklärt, sie wolle mit dem Vater des Kindes nichts mehr zu tun haben. Folglich muss es sich um Konfliktfälle handeln.
Und eben dies bestätigt eine von einer früheren Bundesregierung in Auftrag gegebene rechtstatsächliche Untersuchung aus den 1990er Jahren (Vascovics/Rost/Rupp, 1997). Hiernach bestand schon bei der Geburt des nichtehelichen Kindes zwischen den Eltern in 17 Prozent der Fälle keine Partnerschaft mehr und in den ersten sechs Monaten nach der Geburt des Kindes stieg die Zahl der Trennungen auf über 50 Prozent in der Bundesrepublik und auf 35 Prozent in der ehemaligen DDR. Mit anderen Worten: Etwa ein halbes Jahr nach der Geburt des nichtehelichen Kindes lebten nach dieser Untersuchung nur noch in jedem zweiten Fall die Eltern zusammen. Dann aber stellt sich die Frage nach der gemeinsamen elterlichen Sorge gänzlich anders.
Ausgehend von dem Wohl des Kindes – unser Thema lautet bekanntlich, wer profitiert von der veränderten, um nicht zu sagen gestärkten Stellung des Vaters –, müssen wir fragen, ist es für das Kind nützlich und von Vorteil, wenn die Eltern, trotz Paarkonflikts, rechtlich gemeinsam zuständig werden, wenn der abwesende Elternteil in allen wichtigen Entscheidungen von dem betreuenden Elternteil gefragt werden muss?
Derzeit werden im politischen Raum vor allem zwei Regelungsmodelle diskutiert, das so genannte automatische Modell und das Antragsmodell. Beim automatischen Modell sollen das Vaterschaftsanerkenntnis und die Sorgeerklärung des Vaters automatisch zur gemeinsamen Sorge für das Kind führen. Widerspricht die Mutter, so soll das gemeinsame Sorgerecht entfallen und die Mutter soll allein sorgeberechtigt werden. Nun soll der Vater das Recht erhalten, das Familiengericht anzurufen und dieses entscheidet dann darüber, ob im Interesse und zum Wohl des Kindes die Eltern gemeinsam sorgeberechtigt werden sollen oder ob die Mutter allein sorgeberechtigt bleiben soll.
Das zweite Modell, das so genannte Antragsmodell, schlägt vor, es bei der Alleinsorge der Mutter und des Kindes zu belassen. Gibt jetzt der Vater eine Sorgeerklärung ab und anerkennt er das Kind, so hat die Mutter zwei Möglichkeiten. Stimmt sie zu, kommt es – wie schon jetzt nach geltendem Recht – zur gemeinsamen elterlichen Sorge. Stimmt die Mutter nicht zu, soll der Vater das Familiengericht anrufen können, das dann wiederum entscheidet, ob er an der elterlichen Sorge beteiligt wird oder nicht. Die Einzelheiten beider Modelle sind noch hoch streitig, wir aber müssen uns fragen, wer von welchem Modell, wenn es denn in Kraft tritt, profitiert, das ist ja unser Thema.
Rechtliche Entwicklungen mit Bezug zu ehelichen Eltern
Insoweit sind wir nicht auf Spekulationen oder Vermutungen angewiesen, weil wir seit zwölf Jahren rechtstatsächliche Erfahrungen sammeln konnten. Hierfür müssen wir einen großen Schritt hinüber zu den ehelichen Eltern tun. Denn diese bleiben wie ausgeführt auch im Falle ihrer Trennung oder Scheidung grundsätzlich seit nunmehr zwölf Jahren gemeinsam sorgeberechtigt. Wir schauen uns also an, wie sich dieses Modell insbesondere in Konfliktfällen bewährt hat.
Auch soweit es um eheliche Eltern geht, gibt es interessante historische Entwicklungen, die zu kennen nützlich ist, um die jetzige Rechtslage zu verstehen: Seit dem 1.1.1900, also seit Inkrafttreten des BGB, war der eheliche Vater der patriarchalische Alleinherrscher in der Familie. Er allein war der Inhaber der elterlichen Gewalt für eheliche Kinder, die Mutter hatte eine Art Nebengewalt, sie war es, die die Kinder tatsächlich versorgte. Aber der Vater entschied allein über alle Angelegenheiten des Kindes, also seinen Wohnsitz, seine Erziehung, Schule und Ausbildung, er allein war der gesetzliche Vertreter des Kindes, er verfügte auch allein über das Vermögen des Kindes.
Auch diese Regelung entsprach gesellschaftlichem Konsens im Jahre 1900, also zur Kaiserzeit. Sie blieb unangefochten in Kraft bis hinein in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts, überdauerte also ebenfalls das Kaiserreich, die Weimarer Republik, das Naziregime und die Anfänge der Bundesrepublik. Erst seit 1953 sind die miteinander verheirateten Eltern faktisch in der Erziehung ihrer Kinder gleichberechtigt. Das Gleichberechtigungsgesetz von 1957, in Kraft seit dem 1.7.1958, sprach dies zwar aus, nahm aber wichtige Bereiche von der gemeinsamen elterlichen Gewalt, wie sie seinerzeit noch hieß, aus, nämlich die Letztentscheidung und die gesetzliche Vertretung. Beides wurde dem Vater vorbehalten. Wieder war es das Bundesverfassungsgericht, das 1959 entschied, diese dem Vater vorbehaltenen Regelungsbereiche verstießen gegen Art. 3 Abs. 2 GG, also gegen den Gleichberechtigungsgrundsatz und seien daher nichtig. Es dauerte 20 weitere Jahre, bis in dem Sorgerechtsgesetz von 1979, in Kraft seit dem 1.1.1980, die vollständige Gleichberechtigung der beiden ehelichen Eltern hergestellt wurde.
Wurde damals eine Ehe geschieden – bis zum Jahre 1977 herrschte bekanntlich das so genannte Schuldprinzip in der Scheidung –, wurde die elterliche Gewalt einem Elternteil allein übertragen, und zwar grundsätzlich dem schuldlosen Teil. Der andere Elternteil verlor die elterliche Gewalt, das Kind hatte von Stund an nur noch einen für alle Bereiche zuständigen erziehungsberechtigten Elternteil. Das blieb auch noch so, als 1977 das Scheidungsrecht reformiert und die Zerrüttungsscheidung eingeführt wurde. Zwar konnte man die alleinige elterliche Gewalt nun nicht mehr an die Frage der Scheidungsschuld knüpfen, aber der Gesetzgeber blieb dabei, dass infolge der Scheidung der Elternehe nur noch ein Elternteil für das Kind zuständig wurde. Jetzt, also seit 1977, übertrug das neu geschaffene Familiengericht die elterliche Gewalt für eheliche Kinder dem Elternteil, bei dem das Wohl der Kinder am besten gewährleistet war.
Wieder war es das Bundesverfassungsgericht, das diese Reduzierung der Elternzuständigkeit auf einen Elternteil allein wegen Scheidung der Elternehe nicht billigte: Im Jahre 1982 entschied es, dass die Bestimmung, wonach im Falle der Scheidung die elterliche Sorge einem Elternteil allein zu übertragen sei, es war § 1671 Abs. 4 BGB a. F., mit Art. 6 Abs. 2 GG, also dem Elternrecht des anderen Elternteils, unvereinbar und daher nichtig sei.
Diese Entscheidung war zugleich die Geburtsstunde der gemeinsamen elterlichen Sorge trotz Scheidung der Elternehe, die dann 16 Jahre später in dem Kindschaftsrechtsreformgesetz von 1997, in Kraft seit dem 1.7.1998, gesetzlich verankert wurde. Seither unterstehen alle ehelichen Kinder während ihrer Minderjährigkeit der elterlichen Sorge beider Eltern, unabhängig davon, ob diese zusammen leben oder nicht. Trennen sich die Eltern oder lassen sie sich scheiden, so musste bei verbliebener gemeinsamer elterlicher Sorge eine Regelung gefunden werden, die den Alltag des Kindes lebbar macht. Deshalb heißt es in § 1687 BGB, dass die so genannte Alltagssorge bei demjenigen Elternteil liegt, bei dem das Kind lebt. Das sind also all die Angelegenheiten, die tagtäglich im Leben eines Kindes vorkommen wie Kindergarten, Schulbesuch, Arzttermine, Sport, usw. Bei Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung müssen die getrennt lebenden Eltern jedoch Einvernehmen erzielen, auch das steht so im Gesetz. Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung sind vor allem der Aufenthalt des Kindes, die Gesundheitsfürsorge, die Beschulung und Ausbildung.
Seit nunmehr zwölf Jahren haben getrennt lebende und geschiedene eheliche Eltern Erfahrungen mit dem Institut der verbliebenen gemeinsamen elterlichen Sorge gemacht. Diese Erfahrungen sind erwartungsgemäß sehr unterschiedlich. Durchgesetzt hat sich generell das Bewusstsein, dass trotz Trennung oder Scheidung einer Ehe beide Eltern grundsätzlich gleichmäßig zuständig bleiben. Der alte Kampf um das Kind zur Zeit des Schuldscheidungsrechts, etwa in der Art, dass es hieß, Du nimmst das Haus und ich nehme die Kinder oder so ähnlich, ist seither vorbei.
Erhebliche Schwierigkeiten bereiten aber die Fälle, in denen die Eltern ihren Paarkonflikt nicht gelöst haben. Nicht selten streiten sich solche Eltern über viele Jahre vor dem Familiengericht darüber, wer über den Aufenthalt des Kindes bestimmen darf, wer über die Schulart, Internat, Privatschule, religiöse Kindertagesstätte das letzte Wort hat, wie und in welcher Form die Gesundheitsfürsorge auszuführen ist usw., oft über mehrere Jahre und zwei Instanzen. Ich selbst habe in meiner Rechtsanwaltskanzlei mit diesen Fällen in großer Zahl zu tun und weiß daher aus der Praxis, dass hier erbitterte Elternkonflikte leider nicht selten sind.
Die gesetzliche Lösung liegt darin, dass in einem solchen Fall einem Elternteil vom Familiengericht der streitige Teil der gemeinsamen elterlichen Sorge allein übertragen wird, dass z. B. der Elternteil, bei dem das Kind lebt, allein über die Wahl der Schule entscheiden darf oder über die Frage, ob ein Kind zur Psychotherapie gehen soll oder nicht. Nicht selten kommt es in solchen Konfliktfällen aber auch dazu, dass ein Elternteil schließlich beantragt, ihm die gesamte alleinige elterliche Sorge zu übertragen, weil es an einem Grundkonsens, an einer minimalen Kommunikation mit dem anderen Elternteil fehlt. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat immer wieder entschieden, dass für die Ausübung der gemeinsamen elterlichen Sorge trotz Elterntrennung eine gewisse Kommunikation zwischen den Eltern unerlässlich ist, fehlt sie, so kann zum Wohle des Kindes die gemeinsame Sorge kaum oder in vielen Fällen auch gar nicht ausgeübt werden.
Neuregelung der gemeinsamen elterlichen Sorge bei nicht miteinander verheirateten Eltern
Diese Erfahrungen, die vor allem die tatsächliche Umsetzung der gemeinsamen elterlichen Sorge im Alltag, also die Ausübung betrifft, sollten unbedingt berücksichtigt werden, wenn es um die jetzt erforderliche Neuregelung der gemeinsamen elterlichen Sorge bei nicht miteinander verheirateten Eltern geht.
Was soll z. B. gelten, wenn die getrennt lebenden, nichtehelichen Eltern bei gemeinsamer elterlicher Sorge grundlegend unterschiedliche Auffassungen über die Wahl des Kindergartens oder der Schule haben? Der Vater ist für einen anthroposophischen Kindergarten, die Mutter für den nächstgelegenen städtischen Kindergarten – die Mutter bevorzugt eine Montessori Schule, der Vater will keine elitäre Erziehung des Kindes? Die Mutter, bei der das Kind lebt, findet Jahre nach der Geburt eine Arbeitsmöglichkeit in einer weit entfernt liegenden Region, wohin sie mit dem Kind umziehen möchte, um ihre eigene wirtschaftliche Lage zu verbessern. Der Vater will dies nicht, weil er seinen Umgang auf diese Weise erschwert sieht. Die Mutter hat das Empfinden, das Kind müsse unbedingt kindertherapeutisch behandelt werden, weil es im Kindergarten und in der Schule auffällig ist. Der Vater hält von derartigen Maßnahmen im Kindesalter überhaupt nichts und gibt sein Einverständnis nicht. Dies sind die wirklichen Probleme, die sich im Alltag stellen und die dadurch verstärkt werden, dass die Eltern eben nicht zusammen leben, ja sich oft im Konflikt getrennt haben.
Aus meiner Sicht bleibt deshalb überhaupt nur die Lösung, dass das Familiengericht auf Antrag des Vaters entscheidet, ob die gemeinsame elterliche Sorge dem Wohl des Kindes dient oder nicht. Das Wohl des Kindes muss alleiniger Maßstab sein, dem Kind ist nicht gedient, wenn der abwesende Vater zwar eine Rechtsposition hat, die aber im täglichen Leben des Kindes zu teils unüberwindlichen Schwierigkeiten führt. Auf der anderen Seite muss selbstverständlich der Vater auch die Möglichkeit haben, die Alleinsorge für sich zu beantragen und zu erhalten, wenn dies für das Wohl des Kindes erforderlich ist. Beide Fälle hat das Bundesverfassungsgericht vorläufig dahin geregelt, dass dem Vater der Zugang zu den Familiengerichten eröffnet wird.
Wir sind also mitten im brodelnden Fluss der gesetzlichen Neuregelung und das meine ich, ist wirklich aufregend. Selten kann eine Tagung so aktuell sein wie die unsrige, also wie der Ruf nach Vätern in neuer Verantwortung. Die Reformen im Familienrecht, insbesondere bezogen auf das Eltern-Kind-Verhältnis, sind damit nicht erschöpft.
Weitere rechtliche Reformen mit Bezug zu Vätern
So hat das Gewaltächtungsgesetz von November 2000 endlich ein absolutes Gewaltverbot in der Erziehung gebracht. Seither, also seit zehn Jahren, haben Kinder ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Zugleich ist den Eltern jede körperliche Bestrafung, seelische Verletzung und jede andere entwürdigende Maßnahme verboten, § 1631 Abs. 2 BGB. Mit dieser Neuregelung ist die Rechtsstellung des Kindes gestärkt und sind zugleich beide Eltern in die Pflicht genommen worden, unabhängig davon, ob sie je miteinander verheiratet waren oder nicht.
Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Entscheidung vom 9.4.2003, also nunmehr vor sieben Jahren (FamRZ 2003, 816) mit einer anderen höchst schwierigen Frage befasst: Es ging um die Rechtsstellung des so genannten biologischen Vaters und speziell um dessen Umgangsrecht und Anfechtungsrecht. Beides sind Fälle, in denen ein Kind in der Ehe der Mutter lebt, der Ehemann der Mutter ist zwar der rechtliche, nicht aber der tatsächliche Vater, vielmehr ist der Erzeuger des Kindes ein Dritter, der so genannte biologische Vater. Das Bundesverfassungsgericht sagt, in Fällen, in denen der rechtliche und der biologische Vater auseinanderfallen, muss Letzterem verfahrensrechtlich die Möglichkeit eröffnet werden, selbst auch die rechtliche Vaterposition zu erlangen, vorausgesetzt, der Schutz einer familiären Beziehung zwischen Kind und dem rechtlichen Vater steht dem nicht entgegen. Bemerkenswerterweise heißt es in dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass auch der biologische Vater mit seinem Kind eine von Art. 6 Abs. 1 GG geschützte Familie bilde, wenn zwischen dem Vater und dem Kind eine sozial-familiäre Beziehung besteht. Das Bundesverfassungsgericht zieht daraus die Konsequenz, es verstoße gegen Art. 6 Abs. 1 GG, wenn der biologische Vater auch dann vom Umgang mit dem Kind ausgeschlossen werde, wenn dieser Umgang dem Wohl des Kindes diene. Wie stets in solchen Fällen, hat das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber aufgegeben, bis April 2004 eine verfassungsgemäße Regelung zu treffen, und zwar einerseits in Bezug auf das Umgangsrecht des biologischen Vaters und andererseits in Bezug auf sein Recht, die Abstammung des Kindes anzufechten.
Dementsprechend hat der Deutsche Bundestag rechtzeitig ein Gesetz verabschiedet, nach welchem der biologische Vater ein Umgangsrecht in Bezug auf sein Kind hat, unter der Voraussetzung, dass der biologische Vater für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat (sozial-familiäre Beziehung). Das Gesetz definiert auch, was das bedeutet, tatsächliche Verantwortung für ein Kind zu übernehmen: Es führt in § 1685 BGB aus, eine solche Übernahme der Verantwortung sei dann anzunehmen, wenn der biologische Vater mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.
Und soweit es das Anfechtungsrecht des biologischen Vaters angeht, ist durch dasselbe Gesetz mit Wirkung ab 30.4.2004 geregelt, dass auch er, genauso wie der rechtliche Vater, die Vaterschaft anfechten darf, vorausgesetzt, er versichert an Eides statt, dass er der Mutter des Kindes während der Empfängniszeit beigewohnt hat, § 1600 Abs. 1 Ziff. 2 BGB. Diese Anfechtung setzt allerdings voraus, dass zwischen dem Kind und dem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung besteht oder im Zeitpunkt seines Todes bestanden hat und außerdem, dass der Anfechtende der leibliche Vater des Kindes ist. Wieder definiert das Gesetz, dass eine sozial-familiäre Beziehung besteht, wenn der rechtliche Vater zum maßgeblichen Zeitpunkt für das Kind tatsächlich Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine solche tatsächliche Verantwortung wird angenommen, wenn der rechtliche Vater mit der Mutter verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.
Auch mit dieser Neuregelung ist die Rechtsstellung des nichtehelichen Vaters weiter gestärkt worden. Betroffen sind von dieser Neuregelung vor allem solche Kinder, die in keiner sozialen Familie mit dem rechtlichen Vater leben oder gelebt haben, die vielmehr allein von ihren Müttern aufgezogen werden. Diese Kinder haben seither in der Tat die Chance, ihren biologischen Vater kennenzulernen, immer vorausgesetzt, dieser hat überhaupt ein Interesse daran.
Eine weitere Neuregelung hat große Wellen geschlagen: Gemeint ist die Ermöglichung von Vaterschaftsfeststellungen: Auch hier war es das Bundesverfassungsgericht, das mit seiner Entscheidung vom 13.2.2007 (FamRZ 2007, 441) den Gesetzgeber aufgefordert hatte, einen Verfahrensweg zu eröffnen, der es Männern leichter als bisher ermöglichen sollte, ihre Vaterschaft überprüfen zu lassen. Bekanntlich gab und gibt es eine große Zahl so genannter heimlicher Vaterschaftstests, die also ohne Wissen der Mutter durchgeführt werden und diese Übung hat das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig verworfen, meines Erachtens zu Recht. Denn mit einem solchen Verfahren wird nicht nur in die Rechtsstellung des Kindes eingegriffen, sondern zugleich auch in Grundrechte der Mutter.
Bis zur Neuregelung gab es zwar eine gesetzliche Möglichkeit für den Ehemann und Vater, seine Vaterschaft feststellen zu lassen, jedoch bedeutete die Feststellung der Nichtvaterschaft stets zugleich die rechtliche Trennung des Vaters von dem Kind. Das wollten viele Väter nicht, weil sie eine soziale Bindung an das Kind hergestellt hatten. Durch das Gesetz zur Klärung der Vaterschaft, unabhängig vom Anfechtungsverfahren, vom 26.3.2008 (BGBl I, 441), ist ein Verfahren in das BGB eingefügt worden, das die Klärung der leiblichen Abstammung des Kindes unabhängig von der Anfechtung, also unabhängig von seiner Statusveränderung ermöglicht: Nach § 1598a BGB können nunmehr seit dem 1.4.2008 der rechtliche Vater des Kindes, die Mutter und das Kind zur Klärung der leiblichen Abstammung des Kindes die Einwilligung in eine genetische Abstammungsuntersuchung jeweils voneinander verlangen. Das derart in Anspruch genommene Familienmitglied muss die Entnahme einer geeigneten genetischen Probe dulden. Mit dieser gesetzlichen Regelung ist der Gesetzgeber über die unmittelbaren Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinausgegangen. Denn nun kann nicht nur der Vater die biologische Abstammung klären lassen, sondern auch die Mutter und das Kind selbst.
Wie nicht anders zu erwarten, ist diese Regelung auf große Skepsis getroffen. Die Begründung, die das Gesetz gibt, auf diese Weise würden die Dialogbereitschaft in der Familie und der autonome Umgang der Familienmitglieder mit der Klärung der leiblichen Abstammung gefördert, wird nicht ernst genommen, weil sie an der sozialen Wirklichkeit vorbeigeht. Denn mit einem solchen Vorgehen werden selbstverständlich der Familienfrieden und der soziale Zusammenhalt innerhalb der Familie nachhaltig gefährdet.
Mit diesen Überlegungen soll die tour d´horizon durch die Veränderungen der Rechtsstellung der Väter im deutschen Recht hier beendet werden. Ich meine, dass sich die Stellung des nichtehelichen Vaters in geradezu atemberaubender Weise verändert, und zwar verbessert hat. Dagegen ist die alleinige und vorherrschende Rechtsstellung des ehelichen Vaters erheblich zurückgeschnitten zugunsten der gleichmäßigen Teilhabe der ehelichen Mutter.
Wer profitiert von der veränderten Rechtsstellung der Väter?
Unsere Frage lautet: Wer profitiert von der veränderten Stellung der Väter im deutschen Recht? Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Sicher profitieren die nichtehelichen Kinder davon, dass sie seit nunmehr 40 Jahren einen Vater haben, mit dem sie rechtlich verwandt sind, einen Vater, der seit 1998 an der elterlichen Sorge gemeinsam mit der Mutter beteiligt werden kann, einen Vater, der ebenso wie das Kind einen absoluten Umgangsanspruch hat, kurz, einen Vater, der diesen Namen nicht nur rechtlich, sondern auch in sozialer Hinsicht verdient.
Das eheliche Kind profitiert davon, dass die Eltern, wenn sie sich trennen oder gar scheiden lassen, jedenfalls gemeinsam verantwortlich bleiben, was sich immer dann zum Wohle des Kindes auswirkt, wenn die Eltern imstande sind, jedenfalls diese gemeinsame Sorge einigermaßen konfliktfrei auszuüben. Es ist eben nicht mehr so, dass bei einer Scheidung ein Elternteil quasi verschwindet, der abwesende Elternteil bleibt gleichmäßig zuständig, abgesehen von seinem umfassenden Umgangsrecht, auf das eben auch das Kind ein eigenes Recht hat.
Alle Kinder profitieren davon, dass sie seit zehn Jahren gesetzlich verankert ein Recht auf Gewaltfreiheit in der Erziehung haben, gleichzeitig verpflichtet dieses Gewaltverbot alle Eltern, diesem Verbot zu gehorchen, unabhängig davon, ob sie miteinander verheiratet sind oder nicht. Ob die Anfechtungsmöglichkeit des biologischen Vaters dem Wohl des Kindes dient, kann – da erst relativ kurz in Kraft – noch nicht abschließend beurteilt werden, es dürfte sich eher um seltene Fälle handeln. Die Möglichkeit der Abstammungsüberprüfung ohne Anfechtung, im Gesetz nun seit zwei Jahren verankert, dürfte außerordentlich problematisch werden, wenn und soweit davon insbesondere Männer Gebrauch machen. Niemand kann ernsthaft der Ansicht sein, dass eine solche Familie in ihrem Zusammenhalt nicht gefährdet wird, wenn der Vater – und er wird es meistens sein – den Wunsch äußert, die Abstammung des Kindes klären zu lassen.
Profiteur der erheblichen und bis heute andauernden gesetzlichen Reformen ist mit Sicherheit der Vater, hier an erster Stelle der nichteheliche Vater, dessen Stellung in beeindruckender Weise aufgewertet ist. Erhält er jetzt noch das Recht, auch gegen den Willen der Mutter an der elterlichen Sorge gleichmäßig beteiligt zu werden, was ja unmittelbar bevorsteht, so ist damit eigentlich allen Wünschen aus Vätersicht entsprochen. Gleichzeitig hat die Alleinstellung der nichtehelichen Mutter kontinuierlich abgenommen. Dabei ist, das zeigt unsere Untersuchung, zunächst die Stellung der Mutter durchaus aufgewertet worden, indem sie seit 1998 nicht nur die alleinige Inhaberin der elterlichen Sorge ist, sondern auch die diskriminierende Amtspflegschaft losgeworden ist, so wie es die Mütter aus der DDR niemals gekannt hatten. Diese Alleinzuständigkeit wird, das habe ich ausgeführt, durch das Familiengericht zugunsten einer Mitsorge des nichtehelichen Vaters verändert werden, und zwar in Fällen, in denen die Mutter nicht zustimmt, die gemeinsame elterliche Sorge aber dem Wohl des Kindes dient. Denn wenn sie zustimmt, kann der Vater schon heute beteiligt werden.
Wirklich profitiert von den geschilderten Reformen hat die eheliche Mutter: Sie ist seit den 1950er Jahren gleichberechtigt mit dem Vater in ihrer Rechtsstellung gegenüber dem ehelichen Kind, die Vorherrschaft des ehelichen Vaters ist gänzlich beseitigt. Dass die gemeinsame elterliche Sorge im Falle der Trennung oder Scheidung erhalten bleibt, erscheint aus hiesiger Sicht wertneutral. Diese Regelung kann sich wie ausgeführt segensreich auswirken, sie kann aber auch zu großen Problemen führen.
Auf jeden Fall nimmt der Gesetzgeber die neue Verantwortung der Väter sehr ernst. Er hat im Wesentlichen die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, damit die Väter ihre rechtliche Verantwortung auch tatsächlich wahrnehmen können. Soweit das noch fehlt, sind entsprechende Reformen in Vorbereitung. Stets gilt auch hier: Das Recht kann Rahmenbedingungen schaffen, die es den Menschen ermöglichen, das von ihnen Gewünschte und Gewollte auch zu verwirklichen. Ob von diesen Rahmenbedingungen Gebrauch gemacht wird, ob also in der Praxis die Väter ihre Verantwortung wirklich wahrnehmen, steht auf einem anderen Blatt und ist – um mit Fontane zu sprechen – ein weites Feld.
Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit ist Rechtsanwältin und Senatorin für Justiz a. D. in Berlin.
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