24 Jun fK 6/09 Editorial
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser
Etwa jedes fünfte Kind unter drei Jahren in Deutschland wird gegenwärtig in einer Kindertageseinrichtung oder Tagespflegestelle betreut. In wenigen Jahren wird es bereits jedes dritte Kind sein. Inwieweit allerdings die quantitative Ausweitung des Platzangebots für unter Dreijährige tatsächlich den Kindern zugute kommt und welche neuen Risiken damit für diese besonders verletzliche Altersgruppe verbunden sind, hängt entscheidend von der pädagogischen Qualität der Angebote ab.
Unter Fachleuten besteht international große Einigkeit darüber, welche Mindestbedingungen vorhanden sein müssen, damit gute Qualität entstehen kann. Die wichtigsten Eckpunkte lauten: eine Fachkraft für drei bis vier Kinder, angemessene Gruppenstrukturen mit altersangepasster Raumausstattung, gesunde Ernährung, übersichtliche und flexible Tagesgestaltung, Bindungsangebote als Voraussetzung für Bildung, Feinfühligkeit des pädagogischen Perso-nals.
Woran es mangelt, ist der politische Wille, diese Rahmenbedingungen tatsächlich zu gewährleisten. Die Verständigung auf wissenschaftlich anerkannte und bundesweit geltende Qualitätsstandards steht ebenso weiterhin aus wie eine (Weiter-)Bildungs- und Qualifizierungsoffensive auf Hochschulniveau, die auch international anschlussfähig ist. Aus Sicht der Eltern wäre zudem die Einführung eines Gütesiegels wichtig, das die Einrichtungen nach erfolgreicher Evaluierung erwerben können.
Angesichts leerer Kassen vieler Kommunen erweist sich die kommunale Zuständigkeit für einen qualitätsgeleiteten Ausbau der Tagesbetreuung als Hemmschuh. Um hier einen Ausweg zu finden, wäre ein gemeinsamer Pakt zwischen Bund, Ländern und Kommunen notwendig, in den auch die Wirtschaft einbezogen wird. Eine solche nationale Initiative „Frühe Bildung“ setzt allerdings voraus, dass der Bund die Sache federführend in die Hand nimmt und zusätzliche Mittel bereitstellt.
Hier liegt die Chance der neuen Bundesfamilienministerin. Sie könnte das Thema frühe Bildung zu einem Chefthema machen und durch ihr Handeln zeigen, dass die „Bildungsrepublik Deutschland“ auf einem soliden Fundament aufbauen muss: Krippen und Kindertagespflegestellen, bei denen tatsächlich gilt: Für die Jüngsten das Beste!
Mit herzlichen Grüßen
Prof. Dr. Franz Resch, Präsident der Deutschen Liga für das Kind
Dr. Jörg Maywald, Geschäftsführer der Deutschen Liga für das Kind
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