24 Jul fK 6/06 Grusswort
Jahrestagung der Deutschen Liga für das Kind
„Familie allein genügt nicht. Frühe Entwicklung und Bildung in Familien und Tageseinrichtungen“
Grußwort von Dr. Ursula von der Leyen,
Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Seit ihrer Gründung im Jahre 1977 setzt die „Deutsche Liga für das Kind“ sich mit großem Engagement für die Verbesserung der Lebens- und Rahmenbedingungen von Familien und Kindern ein. So steht auch die diesjährige Jahrestagung in der guten Tradition, der Diskussion über aktuelle kinder- und familienbezogene Fragen neue Impulse zu geben.
Die Auswahl des diesjährigen Tagungs-Mottos „Familie allein genügt nicht“ spricht eine Kernfrage der Kinder- und Familienpolitik an, die mir als Bundesfamilienministerin besonders am Herzen liegt: Wie können wir ein System von Tagesbetreuung schaffen, das Bildung und Erziehung mit einer wertebezogenen Erziehung verbindet, eine frühe Förderung von Kindern und gute Beratung der Eltern gewährleistet und zugleich zu einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie beiträgt.
Mit dem Tagesbetreuungs-Ausbau-Gesetz sind wichtige Weichen gestellt worden. Der Bericht über den gegenwärtigen Stand des Ausbaus der Kindertagesbetreuung, den ich im Juli der Öffentlichkeit vorgestellt habe, belegt: Wir kommen gut voran. Er zeigt, dass das Ziel, bis 2010 rund 230.000 zusätzliche Betreuungsplätze zu schaffen, erreichbar ist. Heute hat im Bundesdurchschnitt jedes 7. Kind einen Platz. 2002 traf das nur für jedes 10. Kind zu.
Die Ausweitung der Kindertagesbetreuung verbessert die Chancen von Kindern auf eine umfassende Erziehung und Bildung, die sie brauchen, um in unserer modernen Wissens- und Informationsgesellschaft ihren Platz finden zu können. Denn auf den Anfang kommt es an. Die ersten Jahre – das bestätigt die aktuelle wissenschaftliche Forschung – sind prägend für die Entwicklung eines Kindes.
Frühkindliche Förderung heißt für mich, dass alle Beteiligten zum Wohl des Kindes partnerschaftlich und vertrauensvoll zusammenarbeiten, ihre jeweiligen Ressourcen, Fachkenntnisse und Fähigkeiten einbringen und sich bei der Kindererziehung gegenseitig ergänzen und unterstützen.
Eltern sind die ersten und wichtigsten Bindungspersonen ihres Kindes und deshalb die wichtigsten Partner für Erzieherinnen und Erzieher. Frühkindliche Bildung, Erziehung und Betreuung ist ohne eine enge Kooperation und ohne Vertrauen insbesondere zwischen Tageseinrichtung und Elternhaus undenkbar. Was beide Seiten miteinander verbindet, ist das gemeinsame Interesse an der bestmöglichen Förderung des Kindes. Wenn beide Seiten bereit sind, mit Respekt aufeinander zu hören und voneinander zu lernen, sind das die besten Voraussetzungen für eine gelingende Erziehung.
Damit ist die Chance gegeben, Erfahrungen der Eltern in den Einrichtungen aufzugreifen, aber auch die in der Einrichtung angestoßenen Bildungsprozesse in die Familien hineinzutragen. Dies ist gerade mit Blick auf Elternhäuser aus bildungsfernen Schichten von besonderer Bedeutung.
Partnerschaftliche Zusammenarbeit ist im Übrigen auch in der Familienbildung notwendig. Gerade bei der frühkindlichen Förderung spielen Eltern-Kind-Gruppen unter fachlicher Leitung, die von vielen Familien-Bildungs-Einrichtungen angeboten werden, eine wichtige Rolle. Neben einem Informations- und Gedankenaustausch mit anderen bieten sie Eltern die Möglichkeit zur Selbstreflexion und können so zu einem frühen Zeitpunkt, wo sich noch keine Probleme manifestiert haben, positives Erziehungsverhalten stärken. Darüber hinaus tragen Eltern-Kind-Gruppen dazu bei, die gemeinsame Verantwortung für die kindliche Entwicklung zu fördern.
Ein konkreter Weg zum Ausbau von Erziehungs- und Bildungspartnerschaften sind die von mir initiierten Mehrgenerationenhäuser. Als Kommunikations- und Begegnungsstätten für Jung und Alt stärken sie den Zusammenhalt der Generationen und fördern den Austausch von Erfahrungs- und Erziehungswissen. Sie bieten ein breites Spektrum an Informationen, Beratung und Qualifizierung und sind eine Plattform für familienunterstützende Dienstleistungen.
Ziel ist es, bis zum Ende dieser Legislaturperiode in jedem Landkreis und jeder kreisfreien Stadt ein Mehrgenerationenhaus zu schaffen. Gerade für Tageseinrichtungen sehe ich hier vielfältige Möglichkeiten für eine fruchtbringende Kooperation mit Mehrgenerationenhäusern.
Bei meinem Bemühen, Kinder und Familien zu fördern, baue ich auf die Unterstützung der „Deutschen Liga für das Kind“. Sie waren über die Jahre stets ein Wegbereiter für die Belange von Kindern und Familien. Der Politik sind Sie wichtiger Rat- und Impulsgeber und ein kritischer aber fairer Begleiter. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle ausdrücklich bedanken. Sie werden mir auch in Zukunft ein willkommener und unverzichtbarer Gesprächspartner sein.
Für Ihre Jahrestagung haben Sie sich – wie die Liste der anstehenden Rednerinnen und Redner zeigt – ein anspruchsvolles Programm vorgenommen. Auf die Ergebnisse ihrer Diskussionen in den kommenden zwei Tagen bin ich sehr gespannt. Ich wünsche der Jahrestagung einen guten Verlauf und Ihnen allen einen anregenden Gedankenaustausch.
Ursula von der Leyen
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