12 Aug fK 5/03 Editorial
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser
Kindergarten und Bildung, Spielen und Lernen – passt das eigentlich zusammen? „Bildung gehört in die Schule. Der Ernst des Lebens beginnt noch früh genug“, so die Mutter eines Fünfjährigen. Tatsächlich wird Bildung in Deutschland schnell mit Schule und Leistung in Verbindung gebracht und damit, Kindern etwas „beizubringen“. Dass Kin-dergärten Bildungseinrichtungen sind, ist hierzulande gewöhnungsbedürftig.
Aber es gibt auch eine andere Tradition. Für Friedrich Fröbel, den Vater des Kindergartens, waren freie Beschäftigung und Spiel „keineswegs ein Nichtslernen, sondern vielmehr ein ununterbrochenes Lernen, aber am, um, im Leben selbst“. Kinder sind von Beginn an neugierig und aufnahmebereit: bildungshungrig. Sie wollen etwas lernen, auf kindgemäße Weise, und sie haben ein Recht darauf.
Wenn es darum geht, Kindergärten zu Lernorten zu machen, wird häufig übersehen, dass nicht einfach schulische Lernformen übernommen werden können. Bildung in den ersten Lebensjahren ist aktives und ganzheitliches Lernen mit Kopf, Herz und Hand. Sie ist eingebettet in verlässliche Bindungen an liebevolle Bezugspersonen und umfasst gleichermaßen motorische, sprachliche, musikalische, künstlerisch-kreative, logisch-mathematische, erkundend-experimentieren-de, soziale und emotionale Aspekte.
Gute Angebote früher Bildung sind nicht nur für das einzelne Kind von Bedeutung. Unser aller Zukunft lernt im Kindergarten. „Bildungsarmut erzeugt Wachstumsarmut“, so der Chef von McKinsey Deutschland, Jürgen Kluge. Eine Gesellschaft, deren Zukunft von der Innovationskraft der nachwachsenden Generation abhängt, tut gut daran, in die frühe Bildung ihrer Kinder zu investieren.
Deutschland jedoch steht ausgerechnet in dieser wichtigen Frage auf dem Kopf. Kaum ein anderes Land finanziert so großzügig ein für erwachsene Studierende kostenloses Hochschulsystem. Und kaum ein anderes Land vernachlässigt so sträflich die Förderung seiner Kinder am Beginn der Bildungsbiographie. Kostenpflichtiger Besuch des Kindergartens bei gleichzeitig kostenloser Belegung von Kursen im Zweit- oder Dritt-Studium? In vielen anderen Ländern kann man darüber nur den Kopf schütteln.
„Wahlrecht von Geburt an – Konsequenz der Demokratie“, lautet das Thema der Jahrestagung der Liga für das Kind, die am 7. und 8. November in Köln stattfindet. Unter den Referenten ist Dr. Antje Vollmer, Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages und Mitunterzeichnerin eines fraktionsübergreifenden Antrags mit dem Ziel, bei Wahlen auch den Kindern eine politische Stimme zu geben.
Wir freuen uns auf Ihre Teilnahme!
Mit herzlichen Grüßen
Prof. Dr. Franz Resch, Präsident der Deutschen Liga für das Kind
Dr. Jörg Maywald, Geschäftsführer der Deutschen Liga für das Kind
Sorry, the comment form is closed at this time.