06 Aug. fK 4/04 Editorial
Editorial
Liebe Leserin, lieber Leser
Einen Säugling in den ersten Lebensmonaten zu pflegen und zu erziehen, ist die natürlichste Sache der Welt. Dennoch verzweifeln viele Eltern an dieser Aufgabe und begeben sich auf die häufig erfolglose Suche nach kompetenter Hilfe.
Dabei gibt es Anzeichen dafür, dass Elternsein heutzutage tatsächlich schwieriger geworden ist: hohe eigene und fremde Erwartungen fördern die Angst, etwas falsch zu machen oder zu verpassen, widersprüchliche Ratschläge nicht immer seriöser Erziehungsratgeber lassen an den eigenen Fähigkeiten zweifeln, der verbreitete Mangel an Erfahrungen mit Kindern in der persönlichen Umgebung führt zusätzlich zu Verunsicherung. Hinzu kommen Risiken durch soziale und wirtschaftliche Belastungen, Partnerschaftskonflikte und berufliche Desorientierung.
Wenn dann noch das Baby mit einem unruhigen Temperament ausgestattet ist, schlecht trinkt, wenig schläft oder häufig schreit, zerplatzen die Träume vom glücklichen Leben mit dem eigenen Kind schnell. Die Folgen solcher frühen Krisen reichen von vorübergehenden Verstimmungen über Eltern-Kind-Beziehungs- und Regulationsstörungen bis zu schweren Bindungsproblemen und Misshandlungen.
Frühe Hilfen für Kinder im ersten Lebensjahr sind oft sehr erfolgreich. Und sie sind dringend notwendig. Niemals später ist die Gefährdung so groß und zugleich die Bereitschaft der Eltern so hoch, Hilfe anzunehmen. Niemals später mehr können wenig eingreifende Interventionen so nachhaltige Wirkungen entfalten.
Es ist paradox: Frühe Hilfen sind kostengünstig, unmittelbar hilfreich und präventiv. Dennoch genießen sie im Gesundheitswesen und in der Jugendhilfe nicht die Aufmerksamkeit und Wertschätzung, die ihnen zukommt. Der Krankheitswert sei nicht erwiesen, der Jugendhilfebedarf nicht sicher zu ermitteln, heißt es. Hier ist die Politik gefordert. Warum nicht als ersten Schritt eine bundesweit einheitliche Baby-Notruf-Nummer einrichten, mit Weiterleitung zur nächstgelegenen Hilfeeinrichtung? Eltern und Kinder wären dankbar.
Zu dem Thema „Die neuen Kinderkrankheiten – Gesundheitsrisiken der jungen Generation“ findet am 29./30. Oktober 2004 in Heidelberg die diesjährige Jahrestagung der Deutschen Liga für das Kind statt. Neben den fachlichen Herausforderungen durch zunehmend zu beobachtende komplexe Erkrankungen und Entwicklungsstörungen bei Kindern sollen die gesundheitspolitischen Folgerungen des Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung „Für eine kindergerechte Welt“ erörtert werden. Auf einer Festveranstaltung im Rahmen der Tagung wird zum zweiten Mal der Präventionspreis Frühe Kindheit verliehen.
Informationen und Anmeldung über die Geschäftsstelle der Liga.
Mit herzlichen Grüßen
Prof. Dr. Franz Resch, Präsident der Deutschen Liga für das Kind
Dr. Jörg Maywald, Geschäftsführer der Deutschen Liga für das Kind
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