fK 3/08 Mirza

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Großer Ort für kleine Schlauspieler

Das Labyrinth Kindermuseum Berlin

von Nikola Mirza

Das „Haus der kleinen Forscher“ ist eine gemeinsame Initiative von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik unter Schirmherrschaft der Bundesministerin für Bildung und Forschung Dr. Annette Schavan. Träger der neuen Bildungsoffensive für Kitas und Kindergärten sind die Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren, die Unternehmensberatung McKinsey & Company, die Siemens AG sowie die Dietmar Hopp Stiftung. Ziel der Initiative ist es, die alltägliche Begegnung mit Naturwissenschaften und Technik dauerhaft in allen Kitas zu verankern.

Das Labyrinth Kindermuseum Berlin im Stadtteil Berlin-Wedding feierte im letzten Jahr sein zehnjähriges Bestehen. Über 850.000 kleine und große Besucher aus allen Ecken Berlins und der Welt haben die wechselnden Erlebnisausstellungen für Kinder bislang besucht. Mit seiner Jubiläumsausstellung „Bahn frei für Schlauspieler!“ hebt das Kindermuseum die besondere Bedeutung des Spielens als einen wesentlichen Bestandteil des Lern- und Bildungsprozesses bei kleinen Kindern hervor. Die Erfahrung aus zehn Jahren Arbeit zeigt vor allem eines: Das Wichtigste ist, den Blick der Kinder einzunehmen, will man sie erreichen.

Montagmorgen, 9 Uhr: Vor den Türen des Kindermuseums in der Osloer Straße herrscht helle Aufregung. Aisen, Emil, Sabine und Faruk pressen ihre Nasen gegen die Glastüren des Kindermuseums und verzieren diese gekonnt mit ein wenig Spucke. Innen werfen die Museumspädagogen ihre roten Labyrinth-Hemden über, stellen noch rasch die letzten Ausstellungsgegenstände an den richtigen Platz. Eigentlich egal, denn die Holzbuchstaben für die Buchstabensuppe werden sowieso wieder in den Bettchen der sieben Zwerge landen. Wiederum auch egal, denn die Kinder regieren und organisieren „ihr Museum“ weitgehend selbst, denn Anfassen, Erforschen und Erspielen ist im Kindermuseum ausdrücklich erlaubt.

Dann öffnen sich die Türen. Erzieher und Kinder stürmen geordnet zu den Garderoben, ziehen flink ihre Stoppersocken oder Hausschuhe an und ergattern sich einen Platz auf der Pausentreppe. Der Energie-Level wird erhöht: „Wenn es nicht gleich losgeht, esse ich mein Pausenbrot!“ Die Drohung sitzt. Nachdem noch drei weitere Kita-Gruppen auf der großen Treppe Platz genommen haben, begrüßt Mitarbeiterin Susanne die Kinder und Erzieher, stellt Kollegen und Ausstellung vor, erklärt ein paar Regeln und scherzt mit den Kindern, die alles dankbar glucksend anhören. Dann aber heißt es: Bahn frei für Schlauspieler! Der zweistündige Ausstellungsbesuch kann beginnen.

Buchstabensuppe und Schlaumäuse
Alltag im Labyrinth Kindermuseum Berlin. Die Gruppenbesuche an Vor- und Nachmittagen prägen die Wochentage, während an den Wochenenden die Familien und Touristen in die Montagehalle einer ehemaligen Zündholzmaschinenfabrik strömen. Oft müssen Gruppen zwei bis drei Monate warten, um einen der begehrten 9-Uhr-Termine im Labyrinth Kindermuseum Berlin zu bekommen. Gerade bei den Kindergärten, Horten und Grundschulen hat es sich herumgesprochen, dass im Labyrinth Kindermuseum Berlin Kinder nicht nur zwei Stunden Spaß haben, sondern gleichzeitig auf spielerische Art und Weise lernen. Auf einem großen Parcours mit Rollstühlen und Rädern schulen die Mädchen und Jungen ihre Bewegungsfähigkeit, beim beliebten Rollenspiel verwandeln sie sich in die sieben Zwerge oder Hexen, oder sie vergnügen sich mit Buchstabensuppe, Schlaumäusen und Würfelschlangen oder bei einem Besuch im Zahlenland. Auch eine eigene Küche, in der gesunde Pausensnacks zubereitet und verspeist werden können, gehört zur Ausstellung. Gesonderte Bereiche für Kleinkinder und Erwachsene, Lese- und Ruheecken sowie ein Cafe sorgen dafür, dass möglichst alle Altersgruppen ihr eigenes Reich haben.

Spielen im Mittelpunkt
„Kinder lernen, indem sie spielen. Unsere Erlebnisausstellungen greifen dieses kindliche Bedürfnis auf. Interaktive Ausstellungen sind eine ideale Plattform für spielerische Lernprozesse. Das Spielen des Kindes in all seinen Varianten steht bei uns im Mittelpunkt“, so die Museumsleiterin Roswitha von der Goltz. Auch die Ausstellung „Bahn frei für Schlauspieler!“, entwickelt von von der Goltz und der Künstlerin Ursula Pischel, lebt auf diesem Fundament. Im Mittelpunkt stehen zehn wichtige Bildungsthemen, die über die gängigen Sujets wie Lesen, Schreiben oder Rechnen hinausgehen. „Bewegung, Ernährung, Entspannung, Rollenspiel oder Teamarbeit sind ebenso elementar für Kinder und werden oft vernachlässigt. Hier steht natürlich das Spielen im Vordergrund“, erläutert Roswitha von der Goltz weiter.

Dabei spielen kleine Kinder eine immer wichtigere Rolle. „Mit jeder neuen Ausstellung vergrößern wir die Angebote für kleine Kinder, denn gerade für sie gibt es wenig Angebote in der Öffentlichkeit. In Deutschland bewegt sich in den letzten Jahren endlich etwas bei den Bildungsangeboten für Kita-Kinder. Wir sind der festen Überzeugung, dass dabei sehr gut hingeschaut werden muss. Bildung darf nicht heißen, Eltern und Kinder unter Leistungsstress zu setzen. Mit unserer Arbeit möchten wir einen Beitrag leisten, diese wichtige Lernzeit mit attraktiven und altersgerechten Spielangeboten zu nutzen, bei denen sich der Lerneffekt spielend von selbst einstellt“, führt die Museumsleiterin aus. Nicht ohne Grund bezeichnet sich das Weddinger Kindermuseum als „außerschulischer Lernort für Kinder, Familien und Pädagogen“, an dem Themen wie Bildung, Gesundheit, Soziales und Kultur ausdrücklich nicht getrennt gesehen und behandelt werden. Mit jeder neuen Ausstellung soll der Anteil der Angebote für kleine Kinder weiter ausgebaut werden. Aktuelles Beispiel ist das „Zahlenland“.

Komm mit ins Zahlenland!
Dass immer weniger Kinder beim Wort Mathematik sofort Magenprobleme bekommen, liegt sicherlich auch daran, dass das schulische und innerfamiliäre Reizthema inzwischen durch neue und innovative Lernkonzepte mehr und mehr spielerisch, fantasievoll und ganzheitlich schmackhaft gemacht wird. So hat das Kindermuseum den Mathematik-Bereich der aktuellen Ausstellung mit dem Programm „Komm mit ins Zahlenland!“ der Firma Wehrfritz erweitert, das gerade auch Kinder aus Kindergarten und Schuleingangsstufe ansprechen soll. Auf einer fröhlichen Reise ins Zahlenland lernen Mädchen und Jungen den abstrakten Zahlenraum von eins bis zehn spielerisch kennen. Sie begegnen den Zahlen als lebendigen Wesen, die sie auf lustige Weise motivieren, sich mit mathematischen Zusammenhängen auseinanderzusetzen, richten Zahlengärten ein, bauen Zahlentürme oder laufen auf Zahlenwegen. Entwickelt wurde „Komm mit ins Zahlenland!“ vom Institut für vorschulisches Lernen.

Vorbildliches Engagement in der Gesundheitsförderung von Kindern
Marion Caspers-Merk, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Gesundheit, beobachtet und unterstützt die Arbeit des Kindermuseums seit Jahren, vor allem beim Schwerpunkt Gesundheit, den das Museum seit 2001 gesetzt hat: „Das Engagement des Labyrinth Kindermuseums und die neue interaktive Ausstellung ‚Bahn frei für Schlauspieler‘ sind vorbildlich. Die Bundesregierung will die Menschen in ihrem Bemühen um einen gesundheitsfördernden Lebensstil unterstützen. Deswegen haben wir beschlossen, die verschiedenen Aktivitäten zur Ernährung und Bewegung in einem nationalen Aktionsplan zu bündeln. Wir haben uns bis 2020 drei große Ziele gesetzt: Wir wollen das Ernährungs- und Bewegungsverhalten verbessern. Wir wollen verhindern, dass die Zahl übergewichtiger Kinder steigt, und wir wollen die Verbreitung von Übergewicht bei Menschen jeden Alters verringern.“

Vielfalt und Bildung, auch für Erwachsene
Neben den Ausstellungen, in denen auch schon die Weltkulturen, Kinderrechte, Gesundheit, Lernen, Märchen oder Detektive thematisiert wurden, trägt das Labyrinth Kindermuseum Berlin seine Ideen mit einer Vielzahl von Projekten, mobilen Angeboten, Ferienprogrammen, Kindergeburtstagen und dem bundesweiten Ausstellungsverleih weiter. Auch die Erwachsenen lernen mit: Fortbildungen, Workshops und Fachtagungen runden das Museumskonzept ab und vertiefen die Themen der Ausstellungen. Bei allen Angeboten steht die Gesundheitsförderung von Kindern im Vordergrund. Unterstützung erhält das Kindermuseum von der Senatsverwaltung für Bildung, Wissenschaft und Forschung. Belohnt wurde diese Vielseitigkeit mit der Ernennung zur „Kulturmarke 2006“ und gerade erst dem „European Design Award 2008“. Und nach zehn Jahren „inspirierender wie harter Arbeit“ wünscht sich Roswitha von der Goltz „nicht nur Schulterklopfen und verbale Anerkennung für unsere Arbeit, sondern zusätzliche finanzielle Mittel, um unser Engagement für Kinder auf solide Füße stellen zu können.“

Samstag, 23:45 Uhr: Lange Nacht der Museen. In einer Viertelstunde schließen die Museumstüren. Friedrich macht noch keine Anstalten zu gehen. Seit fünf Stunden spielt er vertieft, wandelt von Spielstation zu Spielstation, als sei er in seinem Kinderzimmer. Die Mutter hat längst aufgegeben, ihn zum Gehen zu überzeugen. Ein abschließendes Massagespiel für Eltern und Kinder von Mitarbeiter Joao Albertini sorgt dann aber doch für die nötige Entspannung. Es wird gegähnt. Die Türen fallen ins Schloss. Egal, am nächsten Morgen geht es wieder los. Ob Friedrich dann wieder vor der Tür steht? Die Ausstellung „Bahn frei für Schlauspieler!“ ist noch bis zum 3.5.2009 zu erleben.

www.labyrinth-kindermuseum.de

Nikola Mirza ist Leiter Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Labyrinth Kindermuseums Berlin.

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