fK 3/07 Busch

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Prager-Eltern-Kind-Programm (PEKiP®)

Entwicklung und Stärkung elterlicher Kompetenzen

von Ursula Busch-Löcker

Wenn Männer und Frauen Eltern werden, trauen sie sich auch meistens zu, ihrem Kind ein guter Vater und eine gute Mutter zu sein. Die Möglichkeiten, sich im Alltag auf den Umgang mit dem Baby vorzubereiten, sind jedoch sehr begrenzt. So ist die eigene Elternschaft oft der erste intensive und dauerhafte Kontakt zu einem Säugling.

Ist das Baby da, sind beide Eltern höchst wachsam und offen für Orientierungshilfen, die die Erziehung, Gesundheit und Entwicklung ihres Babys betreffen. Sie probieren aus, wie ihr elterliches Verhalten beim Kind ankommt. Es ist noch sehr veränderbar, weil daraus noch keine Gewohnheiten geworden sind. In dieser sensiblen Phase – etwa vier bis sechs Wochen nach der Geburt – lädt das PEKiP® die Vater-Kind- oder Mutter-Kind-Paare in eine Gruppe ein.

Soziale Vernetzung
In einer PEKiP®-Gruppe werden Eltern und Babys aus einem näheren Wohnumfeld zusammengeführt. Im Verlaufe der Gruppenarbeit können sich die Eltern kennen lernen und viele gemeinsame Interessen und Themen finden. Neue Bekanntschaften und Freundschaften werden angebahnt, die weit über die Gruppe hinausreichen können. Die/der Gruppenleiter(in) unterstützt die Wünsche der Selbstorganisation bei den Eltern, indem sie Möglichkeiten aufzeigt und Zeit gibt, um Termine abzusprechen oder gegenseitige Hilfe zu arrangieren. Der sehr frühe Zeitpunkt für die Kontaktaufnahme der Eltern bietet günstige Voraussetzungen für den Aufbau wichtiger außerinstitutioneller und -familialer Unterstützungssysteme für junge Familien. Die ungebrochene Beliebtheit der PEKiP®-Gruppen zeugt von diesem sozialpolitischen Beitrag.

Generationsübergreifendes Lernen
Da Vater oder Mutter gemeinsam mit ihrem Kind die Gruppe besuchen, machen sie hier andere Erfahrungen als Zuhause oder in reinen Erwachsenen- oder Kindergruppen. Beide starten als Paar, was sich gemeinsam auf neue Beziehungen einlässt und eine fremde Umgebung erschließt.
Die Mutter/der Vater erfährt, wie sich das Kind außerhalb des häuslichen Bereiches verhält – in welchen Situationen es die elterliche Zuwendung und Nähe für seine emotionale Sicherheit braucht und in welchen es schon alleine zurecht kommt. Sie erleben ihr Baby, wie es selbständig Kontakte zu anderen Kindern und Erwachsenen aufnimmt oder die dingliche Welt im PEKiP®-Raum erforscht. Auch lässt sich beobachten, wie sich die Bedürfnisse des Kindes mit fortschreitender Entwicklung und dem Grad der Vertrautheit in der Gruppe verändern.

Beachtung individueller Rhythmen
Die Gruppenleiterin setzt sich von Anfang an für günstige Lernbedingungen und eine positive Gruppenatmosphäre ein. Der Raum ist warm und gemütlich hergerichtet. Alle sollen sich wohlfühlen. Den Ablauf der Gruppenstunden steuern Babys, Eltern und Gruppenleitung. Die elterliche Anpassung an den individuellen Biorhythmus der Babys spielt dabei eine wichtige Rolle: Wenn das Baby z.B. schlafen möchte, darf es das tun. Die Eltern wechseln ihr Verhalten nach eigenem Ermessen zwischen ausruhen, beobachten, füttern, sprechen oder aktiv sein mit dem Kind. Die Gruppenleiterin begleitet beide dabei und bleibt offen in ihrer Erwartung, was für die beiden gerade relevant ist. Ist das Baby wach, unterstützt sie die Eltern darin, die sehr kurzen Zeiten wacher Aufmerksamkeit des Babys zu erkennen und für gemeinsames Spielen zu nutzen.

Gemeinsames Spielen
Sie stellt dem Vater/der Mutter mithilfe einer Puppe entwicklungsadäquate Sinnes- und Bewegungsanregungen vor, die die Bezugsperson mit ihrem Baby sofort oder zu ausgewählter Zeit umsetzen kann. Das Spielerepertoire erweitert sich mit dem Entwicklungsstand des Kindes. Der Impuls zum Spielen kann hierbei sowohl von dem Erwachsenen als auch vom Kind kommen. Die erprobten Spiele bilden – durch die aktive Beteiligung beider – eine günstige Lernbasis für Mutter/Vater und Kind. Beim Liegen auf dem Wasserball erleben die Eltern z.B. über das Halten des Babys und Blickkontakt, wie sich das Kind bewegt, anstrengt und was ihm Freude macht. Unter günstigen Bedingungen versetzen sie Kind und Mutter in eine freudige Stimmung. Das ist eine Ausgleichszeit zu einer eher belastenden Zeit zu Anfang des Elternseins. Gerade solche Momente geglückter Übereinstimmung sind es, die emotional stärken und die Beziehung zwischen beiden festigen und von denen Eltern in schwierigen Zeiten zehren können. Die Gruppenleiterin hilft den Eltern bei der Umsetzung und unterstützt einen positiven Verlauf und Ausgang der Spielinteraktion.

Feinfühliger Umgang
Eine wesentliche theoretische Grundlage zur Begleitung des Interaktionsgeschehens bildet das der Bindungstheorie entlehnte Konzept der elterlichen Feinfühligkeit. Die Äußerungen des Kindes werden als seine spezifische Kommunikationsform wahrgenommen, die es frühzeitig zu bemerken, richtig zu interpretieren und angemessen und prompt zu beantworten gilt. Dieser Verständigungsprozess zwischen Vater/Mutter und Kind wird im PEKiP® als ein Lernprozess verstanden. Jedes Eltern-Kind-Paar ist dabei sehr verschieden und wird deshalb von der Gruppenleitung individuell begleitet.
Die gemeinsamen Spiele verhelfen den Eltern zu mehr Verständnis für das Baby und damit zu einer realistischeren Einschätzung seiner individuellen Fähigkeiten, Vorlieben und Eigenheiten. Die Reaktionen des Kindes geben ihnen zudem Aufschluss darüber, ob sie in ihrem Verhalten passend sind. Durch die zeitnahe pädagogische Begleitung unterstützt die Gruppenleiterin die Eltern darin, eigene Anteile am Gelingen der Spielinteraktion besser wahrzunehmen. „Dein Baby hat dich angeschaut, du hast es hochgenommen. Dadurch hat es eine neue Sicht erhalten und das Nachbarkind entdeckt. Nun schauen sie sich an. Du hast das Interesse deines Kindes bemerkt und bist näher zum anderen Kind gerückt. Nun fassen sie sich an. Das sie sich jetzt besser kennen lernen, hast du deinem Kind ermöglicht.“

Erfahrungen in der Gruppe
Die Erlebnisse mit dem Kind können richtungsweisend sein für die anschließenden Themen und Fragen im Gespräch mit der Gruppenleitung oder unter den Eltern. Erzieherische Vorstellungen und Erfahrungen werden ausgetauscht und besprochen.
Darüber hinaus kann die Mutter andere Eltern im Umgang mit ihrem Kind beobachten. Sie nimmt anderes Erziehungsverhalten bei ihnen wahr. Ihr Verhaltensspektrum kann sich dadurch erweitern ohne eine Reflexion eigenen Verhaltens. Diesem Gedankengang folgend, kann der elterliche Lernprozess positiv belebt werden und im Falle einer Nachahmung helfen, eigene Ängste und Blockaden zu überwinden. Für den tatsächlichen Lernzuwachs spielen aber sicherlich individuelle Persönlichkeitsmerkmale auch eine wichtige Rolle.

Übertragung auf den Alltag
Um dem Kind auch zuhause diese Erfahrungen zu ermöglichen, lassen sich die Spiele und Spielarrangements ohne großen Aufwand in den Alltag der Familie integrieren. Das Spielmaterial ist einfach gewählt, es sind meistens Dinge, mit denen die Mutter auch selbst hantiert.
Das „wichtigste Spielzeug“ im PEKiP® ist für das Kind jedoch die Mutter/der Vater selbst – beim Getragen-Werden, Darauf-Liegen, Darüber-Krabbeln, Daran-Hochziehen usw. Verbinden die Eltern die PEKiP®-Spiele mit einer schönen gemeinsamen Zeit, erhöht sich die Chance, dass sie auf diese Weise auch im Alltag mit ihrem Kind spielen. Viele Eltern bringen sie ihrem Partner bei, so dass jeder seine Lieblingsbeschäftigungen mit dem Kind herausfinden kann und die Eltern sich dabei günstigerweise ergänzen.

Bedeutung eigener Erlebnisse und Erfahrungen in Gesprächen
Die Fülle an Informationen aus den Medien erschwert es Eltern manchmal, den eigenen Weg für sich und ihr Baby zu finden. Das erweiterte Wissen über die frühe Kindheit hat zwar zu einem besseren Verständnis geführt, gleichzeitig vermittelt sich den Eltern oft der Eindruck, als würde gelungene Erziehung vorrangig von einem gesicherten kognitiven Wissen abhängen.
Hier bemüht sich das PEKiP® um eine breitere Sicht auf die Kompetenzstärkung in der Elternbildung. Erlebnisse in der Gruppe und Erfahrungen der Eltern bilden den Hintergrund für Gesprächsthemen der Eltern. Bedürfnisse, Fähigkeiten und Befindlichkeiten von Kindern und Eltern werden in ihrer Differenziertheit deutlich. Vorhandene Unsicherheiten und Ängste werden angesprochen. „Du weißt, dass ein Baby ab sechs Monaten Beikost erhalten soll. Wann willst du mit deinem Kind anfangen? Was klappt schon gut? Wo gibt es Schwierigkeiten?“ Die Gruppenleiterin unterstützt die einzelnen Mütter/Väter bei der Suche nach einer zufriedenstellenden Lösung für sich und ihr Baby.

www.pekip.de

Ursula Busch-Löcker ist Diplom-Pädagogin, PEKiP®-Fortbilderin und Vorstandsmitglied im PEKiP e.V. in Havixbeck.

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