18 Jun fK 2/11 brosch famfg
Eltern vor dem Familiengericht
Broschüre führt Eltern Schritt für Schritt durch das kindschaftsrechtliche Verfahren
Die Broschüre „Eltern vor dem Familiengericht. Schritt für Schritt durch das kindschaftsrechtliche Verfahren“ ist neu erschienen. Herausgeber sind die Deutsche Liga für das Kind und der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband. Der Druck der Broschüre wurde vom Bundesministerium der Justiz gefördert.
Orientiert am gesetzlich vorgeschriebenen Vorrang des Kindeswohls führt der Leitfaden Eltern, die sich in der Folge eines Familienkon? ikts an das Familiengericht wenden oder die einen solchen Schritt in Erwägung ziehen, Schritt für Schritt durch das kindschaftsrechtliche Verfahren. Kompetent und leicht verständlich werden die wichtigsten Verfahrensschritte und Handlungsmöglichkeiten gemäß dem am 1.9.2009 in Kraft getretenen Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) dargestellt, von der ersten Antragstellung bei Gericht über die mündliche Verhandlung bis zu den möglichen Ergebnissen. Sowohl die Regelungen eine Trennung oder Scheidung betreffend als auch die im Falle einer Kindeswohlgefährdung vorgesehenen Verfahrensschritte werden erläutert. Ein Anhang enthält Rechtsgrundlagen, Literaturhinweise und nützliche Adressen.
Das Kind im Mittelpunkt: ein Perspektivenwechsel Mit Inkrafttreten des FamFG wurde das Kind verstärkt in den Mittelpunkt gerückt. Familienkon? ikte haben ihren Ausgangspunkt zumeist in Streitigkeiten oder in einem Auseinanderleben der beiden Elternteile. Das Kind hat die Trennung oder Scheidung seiner Eltern in der Regel nicht gewollt. Aber es ist in besonderer Weise davon betroffen. Die Au? ösung der bisherigen Familie ist mit Belastungen verbunden und kann zu Problemen führen. Aber Kinder können an dieser Herausforderung auch wachsen, sich an die neuen Bedingungen anpassen und die Trennung ihrer Eltern akzeptieren. Und nicht zu vergessen: häu? g leiden Kinder mehr darunter, wenn ihre Eltern zusammen bleiben und Streit und Aggression den Alltag beherrschen. Insofern kann die Trennung der Eltern für das Kind die bessere Alternative sein.
Ob es einem Kind gelingt, die Familienkrise zu bewältigen, hängt vor allem vom Verhalten der Eltern ab. Wenn beide Elternteile in der Lage sind, in der schwierigen Trennungssituation die Bedürfnisse ihres Kindes wahrzunehmen und diese angemessen zu erfüllen, hat das Kind gute Chancen, mit der veränderten Konstellation zurechtzukommen. Dies wiederum wirkt sich positiv auf die Eltern aus. Denn wenn das Kind sich wohl fühlt, dann geht es auch den Eltern besser.
Das familiengerichtliche Verfahren will Eltern dabei unterstützen, trotz Partnerschaftskon? ikt das Kind nicht aus dem Blick zu verlieren. Es geht um einen Perspektivenwechsel: Nicht das, was gewesen ist und zur Trennung geführt hat, soll im Mittelpunkt stehen, sondern das Kind mit seinen aktuellen Ansprüchen und Bedürfnissen. Mit dieser neuen Perspektive ist auch verbunden, nicht in erster Linie die Vergangenheit zu bearbeiten, sondern zum Nutzen des Kindes in die Zukunft zu schauen. Damit ein solcher Perspektivenwechsel im Interesse des Kindes gelingen kann, braucht es einige Grundsätze, die als Orientierungspunkte das familiengerichtliche Verfahren leiten. Die wichtigsten Grundsätze sind:
(1) Eltern bleiben in der Regel auch nach Trennung oder Scheidung gemeinsam für die Angelegenheiten ihrer Kinder verantwortlich Die Verantwortung der Eltern für ihr Kind ist nicht an das Bestehen der Partnerschaft geknüpft. Auch wenn Eltern sich trennen oder scheiden lassen und nicht mehr an einem Ort zusammenleben, besteht ihre elterliche Verantwortung weiterhin fort. Nach der Scheidung bleibt zumeist das gemeinsame Sorgerecht bestehen. Ausnahmen sind dann möglich, wenn die Aufhebung der gemeinsamen Sorge dem Wohl des Kindes am besten dient. Die soziale Verantwortung im Alltag verteilt sich entsprechend der im Zuge der Trennung getroffenen Regelungen. Wichtig hierfür ist vor allem, wo das Kind seinen Lebensmittelpunkt hat und wie der Umgang mit dem nicht mit dem Kind zusammenlebenden Elternteil gestaltet wird. Auch das mögliche Hinzutreten neuer Partner, die als Stiefeltern Verantwortung im Alltag übernehmen, spielt eine Rolle.
(2) Das Kind darf nicht zum Streitobjekt der Eltern werden Kinder haben ein tiefes Bedürfnis, von beiden Eltern geliebt und wertgeschätzt zu werden. Mutter und Vater verkörpern die Herkunft des Kindes und stehen für Vertrautes und Zugehörigkeit. Damit Kinder auch nach einer Trennung oder Scheidung von beiden Elternteilen pro?tieren, müssen sich die Eltern in ihrer Rolle als Mutter und Vater wechselseitig respektieren. Hierzu gehört auch die Anerkennung bestehender Bindungen des Kindes an den jeweils anderen Elternteil, eine Fähigkeit, die als Bindungstoleranz bezeichnet wird. Respekt vor der Bedeutung des anderen Elternteils für das Kind ist auch nach dem Zerbrechen der Paarbeziehung notwendig.
Wenn Eltern ihre Streitigkeiten vor den Augen des Kindes austragen, bringen sie ihr Kind in einen Loyalitätskon?ikt, aus dem es sich nicht alleine befreien kann. Verunsicherungen und Auffälligkeiten im emotionalen und im Verhaltensbereich können die Folge sein. Das Gebot, den anderen Elternteil nicht vor dem Kind schlecht zu machen, ist auch rechtlich verankert: „Die Eltern haben alles zu unterlassen, was das Verhältnis des Kindes zum jeweils anderen Elternteil beeinträchtigt oder die Erziehung erschwert“, heißt es in § 1684 Abs. 2 BGB.
(3) Grundlegende Entscheidungen sind von den Eltern möglichst einvernehmlich zu treffen Auch wenn Eltern zusammenleben, unterscheiden sie sich in ihrem Erziehungsverhalten. So sind z. B. die Anforderungen an das Kind nicht immer deckungsgleich. Wo der eine engere Grenzen zieht, ist der andere nachgiebiger. Zerbricht die Paarbeziehung, treten diese Unterschiede häu?g noch stärker als zuvor in das Bewusstsein. Kinder kommen mit unterschiedlichem Elternverhalten in der Regel gut zurecht, solange sich die Eltern in grundlegenden Fragen einig sind und ihre Unterschiede in gewissen Grenzen tolerieren.
Grundlegende das Kind betreffende Entscheidungen müssen allerdings auch nach Trennung und Scheidung einvernehmlich getroffen werden. Hierzu gehören vor allem die Entscheidung betreffend den Aufenthalt (Lebensmittelpunkt), die religiöse Erziehung (Bestimmung des Religionsbekenntnisses), Gesundheitsfürsorge (z. B. Impfungen, Operationen), Bildung (z. B. Wahl der Kindertageseinrichtung, Schulart und Schule) sowie Entscheidungen über das Vermögen des Kindes.
(4) Kinder haben das Bedürfnis und den Anspruch, zu beiden Elternteilen eine positive Beziehung aufrecht zu erhalten oder aufzubauen Eine positive Beziehung zu den Eltern fördert die Entwicklung und Identitätsbildung des Kindes. Eine wichtige Voraussetzung hierfür sind regelmäßige unmittelbare Kontakte mit Mutter und Vater. In diesem Sinne heißt es in § 1626 Abs. 3 BGB: „Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen.“ Entsprechend formuliert § 1684 Abs. 1 BGB das Umgangsrecht aus Sicht des Kindes: „Das Kind hat das Recht auf Umgang mit jedem Elternteil.“ Auch wenn der Kontakt zu einem Elternteil zunächst nicht bestanden hat oder unterbrochen wurde, haben Kinder später häu?g das Bedürfnis, den Kontakt (wieder) aufzunehmen. In Fällen allerdings, in denen der Umgang mit einem Elternteil dem Wohl des Kindes nicht entspricht oder das Kindeswohl dadurch sogar gefährdet ist, können Umgangskontakte gerichtlich eingeschränkt oder ausgeschlossen werden.
(5) Jeder Elternteil hat die P?icht und das Recht, mit seinem Kind regelmäßigen Kontakt zu p?egen Während Kinder ein Recht auf Umgang mit beiden Elternteilen haben, ist der Umgangsanspruch der Eltern als P?icht und als Recht ausgestaltet. Dementsprechend heißt es in § 1684 Abs. 1 BGB: „Jeder Elternteil ist zum Umgang mit dem Kind verp?ichtet und berechtigt.“ Diese Formulierung trägt der Tatsache Rechnung, dass die Verantwortung dafür, dass Kinder zu ihrem Recht kommen, in erster Linie bei den Eltern liegt. Auch wenn Eltern nicht gegen ihren Willen zum Umgang mit dem Kind gezwungen werden können, sollten sie sich darüber bewusst sein, welche hohe Verantwortung für das Wohlergehen ihres Kindes ihnen gerade in der Situation nach Trennung oder Scheidung zukommt.
(6) Beziehungsabbrüche sollten möglichst vermieden werden Das Bedürfnis nach Verlässlichkeit und Kontinuität ist ein wichtiges Grundbedürfnis jedes Kindes. Beziehungsabbrüche sollten daher möglichst vermieden werden. Dies gilt nicht nur für die Eltern. Auch der Kontakt zu Großeltern, (Halb-) Geschwistern und anderen für das Kind wichtigen Bindungspersonen ist von Bedeutung. Schließlich gilt das Prinzip größtmöglicher Kontinuität auch für Ein?üsse im sozialen Umfeld. Kinder können sehr darunter leiden, wenn sie aus ihrem Freundeskreis oder einer vertrauten Kindertageseinrichtung bzw. Schule gerissen werden oder wenn sich ihr Wohn- und Lebensumfeld gravierend ändert, ohne dass dies von ihnen gewollt wird.
Die Broschüre kann bei der Geschäftsstelle der Deutschen Liga für das Kind bestellt werden.
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