25 Jun fK 1/09 Zerle
Vielfältige Vaterschaftskonzepte: Die Vorstellungen junger Männer vom Vatersein
von Claudia Zerle
Sie prägen derzeit die gesellschaftlichen Debatten um die heutige Rolle von Männern in Familien: die „neuen Väter“. Gemeint sind damit zunächst engagierte statt abwesende, betreuende statt Wochenendväter, also vor allem aktive Väter, die nicht nur im Beruf, sondern auch in der Familie Karriere machen (wollen).
Viele junge Männer möchten sich als Vater in die Kinderbetreuung und in das Familienleben voll einbringen – und dies ist auch der Wunsch ihrer Partnerinnen, die ihren Platz ihrerseits neben der Familie auch in der Arbeitswelt sehen. Gleichzeitig ist Männlichkeit aber weiterhin untrennbar mit beruflichem Engagement sowie der Konzentration auf die Erwerbsarbeit verbunden. Für egalitäre Rollenmodelle fehlen noch vielerorts Verständnis sowie die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Zwischen diesen diffusen Anforderungen müssen junge Männer heute ihre Rolle als Väter (neu) er-finden. Die Ergebnisse der Studie „Wege in die Vaterschaft: Vaterschaftskonzepte junger Männer“, die das Deutsche Jugendinstitut 2008 im Auftrag der Bertelsmann Stiftung durchgeführt hat, zeigen, wie junge Männer sich Vatersein vorstellen.
Die jungen Männer sehen sich vor allem verantwortlich für die Familienfinanzen
Das Erreichen der mit Vaterschaft verbundenen „harten“ Randbedingungen (wie Arbeitsplatzsicherheit oder ein Lebensunterhalt sicherndes Einkommen) ist für junge Menschen heute mit großen Unsicherheiten verbunden: Verzögerte Übergänge ins Erwerbsleben sowie die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt führen zu einer späteren finanziellen Ablösung vom Elternhaus. Das macht es jungen Männern und Frauen schwer, schon früh eine eigene finanzielle Basis aufzubauen, die junge Männer als Grundvoraussetzung dafür sehen, eine eigene Familie gründen zu können. Obwohl sich die gesellschaftlichen Normen für die Aufgabenteilung zwischen Mann und Frau in den letzten Jahrzehnten stark verändert haben, sehen die jungen Männer die Hauptverantwortung für die Familienfinanzen nach wie vor bei sich.
Mit steigender Erwerbsbeteiligung von Frauen und der dadurch brisant werdenden Frage, wer sich um die Betreuung der Kinder kümmert, entfachte sich eine Diskussion um „traditionelle“ oder „moderne“ Väter (Zulehner 2004) oder auch um „Väter als Ernährer“ bzw. als „Erzieher“ der Kinder (Fthenakis/Minsel 2002). Dabei wird aber deutlich: Die Pluralität nebeneinander existierender Vaterschaftskonzepte lässt das Bild von einem „guten Vater“ zunehmend diffuser werden.
Die Vorstellung einer klassischen Aufgabenteilung zwischen Mann und Frau hält sich neben anderen Modellen fest
Seit Ende der 1980er Jahre nimmt die Zustimmung zum traditionellen männlichen Ernährermodell europaweit bei Frauen sowie bei Männern kontinuierlich ab (Hofäcker 2007; 2004). Mit dem Leitbild des „aktiven“, „engagierten“ oder „involvierten“ Vaters geht jedoch bisweilen der Blick auf die Realität verloren. Auch wenn sich auf der Einstellungsebene viel getan hat, zeigt sich auf der Handlungsebene, dass nach wie vor überwiegend die Frauen den Beruf zurückstellen, um sich in Kinderbetreuung und Familienarbeit zu engagieren.
Dieses Fortbestehen alter Rollenmodelle zeigt sich auch bei den für die DJI-Bertelsmann-Studie befragten jungen Männern zwischen 15 und 42 Jahren: Trotz der Akzeptanz egalitärer Modelle hat ein relativ hoher Anteil der jungen Männer nach wie vor ein recht traditionelles Bild der Tätigkeitsschwerpunkte von Mann und Frau.
Alter und Bildung spielen bei den Vorstellungen eine Rolle
Fast die Hälfte (47,8 Prozent) ist für die klassische Aufgabenteilung „Der Mann geht arbeiten und die Frau versorgt die Kinder“. Mit höherem Bildungsniveau tendieren die jungen Männer eher zu egalitären Arrangements, und je jünger die Befragten sind, desto traditioneller ist ihre Einstellung. Werden sie älter und leben alleine oder auch schon mit einer Partnerin zusammen, können sich die Befragten egalitäre Modelle vorstellen und leben sie auch, wenn vor der Geburt eines Kindes beide erwerbstätig sind.
Kommt das erste Kind in die Beziehung, zeigt sich jedoch schnell ein Rückfall in traditionelle Vorstellungen („Retraditionalisierung“) der Aufteilung, bei der überwiegend die junge Frau die Betreuung der Kinder übernimmt und der Mann für das Einkommen zuständig ist. Diese Haltung spiegelt sich auch in den Rollenorientierungen der befragten jungen Väter wider:
47,8 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu: „Wenn Kinder da sind, sollte der Mann arbeiten gehen und die Frau zu Hause bleiben und die Kinder versorgen“. 38,7 Prozent der Befragten stimmen der Aussage zu: „Auch wenn eine Frau arbeitet, sollte der Mann der Hauptverdiener sein, und die Frau sollte die Verantwortung für den Haushalt tragen“ (DJI-Bertelsmann-Studie: Zerle/Krok 2008, N=1.803).
Ein Kind erst dann, wenn es finanziell geht – die jungen Männer wollen „moderne Ernährer“ sein
Der finanziellen Sicherheit kommt beim Thema Familiengründung ohnehin eine prominente Stellung zu: Ein fester Arbeitsplatz und ein sicheres Einkommen ist für junge Männer die Grundlage einer Familiengründung. In den Augen der Befragten soll ein Kind erst dann kommen, wenn sie eine Familie ernähren können (57,2 Prozent). Und noch immer sagen 38,7 Prozent der befragten jungen Männer: „Geht auch die Frau arbeiten, sollte der Mann dennoch der Hauptverdiener sein“. Das Ernährermodell ist in den Köpfen nach wie vor stark verankert – einerseits.
Aber auch wenn Vatersein für die jungen Männer in erster Linie bedeutet, Verantwortung zu übernehmen und für die Familie zu sorgen, wollen Männer als Väter nicht mehr nur „Brotverdiener“ sein. Sie sehen es im Besonderen als ihre (spätere) väterlich-männliche Aufgabe an, (1) der „Familie ein Heim zu bieten“, (2) den „Lebensunterhalt für die Familie zu verdienen“, (3) sich um einen „sicheren Arbeitsplatz und ein sicheres Einkommen zu kümmern“.
Neben der Schaffung einer finanziellen Grundlage sehen sie es aber genauso als ihre Aufgabe an, sich (später) (1) „Zeit für das Kind zu nehmen“ und sich (2) „in der Betreuung zu engagieren“.
Das Engagement in der Familie darf nicht zu Lasten des Berufs gehen
Die befragten jungen Männer wollen zu mehr als 40 Prozent den „Beruf in der Zeit direkt nach der Geburt des Kindes zurückstellen“ oder gar die „Berufskarriere für ein Kind zurückstellen“ (Zerle/Krok 2008). Das Engagement in der Familie darf aber nicht zu Lasten des Berufs gehen, der den finanziellen Lebensunterhalt der Familie sichert. Der viel geäußerte Wunsch der jungen Männer, sich zwar in die Betreuung einzubringen, ohne im Beruf zurückzustecken deutet auf den Widerspruch im „modernen Ernährer“ hin (Matzner 2004). Dieser Widerspruch ist es wohl, der die Männer in der Realität häufig wieder auf die Nebenrolle in der Familienarbeit verweist und den Frauen das Zurückstellen der Karriere überlässt. Denn für die reale Umsetzung zeigt die Forschung bislang, dass Männer nach der Geburt eines Kindes tendenziell mehr beruflich aktiv sind als vor dem ersten Kind (BZgA 2004), denn gerade dann erscheint der Druck zur Absicherung des Familieneinkommens für Männer besonders hoch zu sein.
Der gute Wille ist da, der Wunsch nach Beteiligung vorhanden
Warum es an der Umsetzung einer „aktiven Vaterschaft“ noch hakt, hat mehrere Gründe:
– Strukturen des Arbeitsmarktes, die in Gestalt noch immer wesentlich höherer Durchschnittslöhne für männliche Erwerbstätige (Hinz/Gartner 2005) dafür sorgen, dass gerade das Einkommen der Männer wichtige Basis für den Familienunterhalt ist.
– Gegenwärtige Arbeitsmarktkulturen mit der Akzentuierung möglichst langer zeitlicher Präsenz im Betrieb oder Büro, die es Familienvätern häufig nicht gestatten, ihre Arbeitszeit für die Familie ohne Verlust von Karrierechancen zu reduzieren (Lange/Zerle 2008). Der Wunsch nach Beteiligung und die tatsächlichen Möglichkeiten der Umsetzung einer „aktiven Vaterschaft“ klaffen in der Realität auseinander.
– Nach wie vor geltende Rollenbilder, denen zufolge der Erfolg im Beruf zum Mann-Sein gehört, wie der Betreuungsinstinkt zur Mutter. Männern, die ihren Beruf für die Familie zurückstellen, wird häufig eine mangelnde Karriereorientierung oder gar Unmännlichkeit unterstellt. Der Unterstützung eines solchen Modells von Partnerin und Umfeld kommt also bei der Umsetzung einer „aktiven Vaterschaft“ höchste Bedeutung zu.
Die Vermittlung egalitärer Rollenbilder muss früh ansetzen
Junge Männer sollten schon frühzeitig mit vielfältigen und egalitären Rollenmodellen vertraut werden. Bis zur Sekundarstufe kommen Mädchen und Jungen heute kaum mit männlichen Erziehern in Berührung, so liegt die Frauenquote der Erzieher(innen) im Vorschulbereich bei 98,3 Prozent und im Primarbereich bei 82,9 Prozent (Statistisches Landesamt Berlin 2006). Positive Beispiele, in denen auch Männer für Betreuung und Erziehung zuständig sind und trotzdem „männlich“ sein können, sind rar. Sichtbare Vorbilder spielen hier als Identifikationsfiguren eine große Rolle: Aktive Väter in der Nachbarschaft oder im Sportverein bzw. ein in seiner Familie engagierter Chef oder Lehrer können vermitteln, dass eigene Kinder und Familie nicht bedeuten müssen, selbst vollzeitig zu arbeiten und kaum in der Familie präsent zu sein.
Ferner sollte auch die Entlastung der Männer von der finanziellen Alleinverantwortung durch die zunehmende Erwerbstätigkeit von Frauen deutlich gemacht werden. Dies kann zum einen mehr finanzielle Sicherheit schaffen, aber auch ein Gefühl der Gemeinsamkeit und Stabilität innerhalb der Partnerschaft vermitteln. Durch die Übernahme von sozialer Verantwortung in jungen Jahren, etwa im Rahmen von Projekten, wird Verlässlichkeit sowie Übernahme von Verantwortung in einer später gelebten Partnerschaft frühzeitig eingeübt.
Die Literaturangaben sind über die Geschäftsstelle erhältlich.
Claudia Zerle ist Soziologin und wissenschaftliche Referentin am Deutschen Jugendinstitut in München.
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