30 Jun fK 1/08 Reich-Schottky
Die Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen (AFS)
Stillen fördern – gesunde Ernährung von Geburt an ermöglichen
von Utta Reich-Schottky
Die normale, seit Millionen Jahren getestete und optimierte Säuglingsernährung ist das Stillen. Dies gilt für die Zusammensetzung, Qualität und Quantität der Nahrung. Es gilt auch für das Essen als sozialem Ereignis, für die Beziehung zwischen Mutter und Kind, die Freude am Essen und die Grundlegung guter Essgewohnheiten.
Stillen ist mehr als Kalorien und Vitamine. Damit Mütter erfolgreich stillen können, genügt es nicht, ihnen das zu sagen. Mütter brauchen praktische Unterstützung im Alltag. Sie brauchen gesellschaftliche Strukturen und Strukturen im Gesundheitswesen, die ihnen das Stillen ermöglichen. Und sie brauchen sachlich richtige, von wirtschaftlichen Interessen an der Babyernährung unbeeinflusste Informationen. Hier setzt die Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen (AFS) an. Ihr Ziel ist, dass jede Mutter, die stillen will, selbstverständlich stillen kann.
Im Jahr 1980 schlossen sich Eltern aus 45 Stillgruppen zunächst zu einer lockeren Arbeitsgemeinschaft zusammen, um ihre Kräfte zu bündeln und durch gemeinsame Informationsbeschaffung und Öffentlichkeitsarbeit das Stillen wirksamer unterstützen zu können. 1988 war diese Arbeitsgemeinschaft so groß geworden, dass ein eingetragener Verein gegründet wurde.
Grundlage unserer Arbeit ist die Selbsthilfe mit ehrenamtlicher Mutter-zu-Mutter-Beratung bei offenen Stilltreffen und bei telefonischer Beratung vor Ort. Hier können die Eltern Erfahrungen austauschen, sich informieren und sich gegenseitig den Rücken stärken. Inzwischen bietet die AFS auch eine bundesweite Hotline an, bei der ehrenamtliche AFS-Stillberaterinnen tätig sind. Die AFS hat für ihre Mitglieder eine qualifizierte Aus- und Weiterbildung entwickelt. Neben der individuellen Beratung steht die allgemeine Information. Die AFS gibt eine Reihe von Faltblättern heraus, die von der Webseite www.afs-stillen.de heruntergeladen werden können, sowie Broschüren.
Die AFS bezieht in ihre Angebote auch das Umfeld der Mutter ein. Die Einstellung zum Stillen und die Unterstützung z.B. des Partners und der Großeltern sind für das Gelingen der Stillbeziehung von besonderer Bedeutung. Väter wollen eine gute Beziehung zu ihrem Baby aufbauen. Leider ist immer noch der Glaube verbreitet, dass ausschließliches Stillen dem im Wege stehen könne, und Vätern wird geraten, neben dem Stillen Fläschchen zu geben. Aus gutem Grund empfiehlt die WHO jedoch, das Baby in den ersten sechs Monaten ausschließlich zu stillen, das heißt, ihm keine andere Nahrung oder Flüssigkeit außer Muttermilch zu geben. Im Leben des Neugeborenen gibt es neben dem Stillen genügend anderes, was der Vater genau so gut machen kann wie die Mutter, z.B. kuscheln, spazieren gehen, baden oder wickeln. Und indem er die Mutter beim Stillen unterstützt, leistet er einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung des Kindes und der ganzen Familie. Heute, im Zeitalter zunehmender Essstörungen, hat der Vater hier sogar eine besondere Rolle: er ist die erste Person im Leben seines Kindes, die ihm zeigt, dass Liebe unabhängig vom Essen ist.
Auf der gesellschaftlichen Ebene setzt sich die AFS außerdem dafür ein, das Recht erwerbstätiger Frauen auf Stillzeiten bekannt zu machen und durchzusetzen. Mütter können auch bei Erwerbstätigkeit weiter stillen. Dies liegt sowohl in ihrem eigenen Interesse und in dem der Kinder, als auch im wohlverstandenen Interesse der Arbeitgeber. Nicht gestillte Kinder erkranken häufiger und schwerer; das bedeutet eine stärkere Belastung und mehr Fehlzeiten der Mütter.
Säuglingsernährung ist ein Milliardengeschäft, ein Markt, auf dem mit harten Bandagen um jeden Säugling gekämpft wird. Das Stillen muss gegen die wirtschaftlichen Verkaufsinteressen an Säuglingsnahrung und Zubehör geschützt werden. Dies wird auch von Seiten der WHO so gesehen. Schon 1981 hat die Weltgesundheitsversammlung, das Parlament der WHO, den Internationalen Kodex zur Vermarktung von Muttermilchersatzprodukten verabschiedet und seither laufend durch weitere Resolutionen ergänzt und präzisiert. Der Kodex verbietet offene und unterschwellige Strategien, Mütter vom Stillen abzuhalten – sei es durch Hochglanzbroschüren, Proben und sonstige Geschenke an Eltern, oder durch Einflussnahme im Gesundheitssektor, z.B. Sponsoring von Kongressen oder Schutzumschläge für Mutterpässe mit Firmenlogo. Leider ist der Kodex in Deutschland immer noch nicht wirksam umgesetzt. Die AFS fordert die flächendeckende Einhaltung des Kodex. Die AFS selbst akzeptiert keine Geschenke oder Zuwendungen von der Babynahrungsindustrie, sondern arbeitet unabhängig.
Stillen oder Nichtstillen ist keine unerhebliche Wahl im Sinne von Brotsorte A oder Brotsorte B. Neben Ernährung und Immunschutz mit langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen ist Stillen vor allem eine existenzielle Erfahrung für Mutter und Kind, ist hautnahes Beieinandersein. Das Stillen, und damit auch gesunde Ernährung von Anfang an zu ermöglichen, durch direkte Unterstützung der Mütter und durch die Schaffung entsprechender Rahmenbedingungen, dafür steht die Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen (AFS).
Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen (AFS)
Bornheimer Straße 100, 53119 Bonn
Tel.: 0228-3503871, Fax: 0228-3503872
E-Mail: geschaeftsstelle@afs-stillen.de
www.afs-stillen.de
Utta Reich-Schottky ist zweite Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Freier Stillgruppen (AFS).
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