30 Jun fK 1/08 Alexy
Die Ernährung des gesunden Säuglings nach dem „Ernährungsplan für das 1. Lebensjahr“
von Ute Alexy
Nachstehender Beitrag basiert auf einem Originalbeitrag im Rahmen der Online-Fortbildung in Heft 10/2007 der Fachzeitschrift Ernährungs Umschau – Forschung und Praxis. Mit freundlicher Genehmigung des Umschau Zeitschriftenverlages Breidenstein GmbH, Sulzbach i. Ts.
Gesunde Ernährung ist in jedem Alter wichtig. Bei der Säuglingsernährung, also der Ernährung im ersten Lebensjahr, müssen die besonderen Bedürfnisse von Säuglingen berücksichtigt werden, z. B. der relativ hohe Energiebedarf, die teilweise noch unreifen Verdauungs- und Ausscheidungsfunktionen und die neuromotorische Entwicklung. Darüber hinaus hat schon die Ernährung im ersten Lebensjahr eine präventivmedizinische Bedeutung.
Besonders umfassend wurden die Auswirkungen des Stillens untersucht. Studien zu den möglichen langfristigen gesundheitlichen Auswirkungen von Zeitpunkt und Zusammensetzung der Beikost sind dagegen selten.
Vom Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE) wurde Anfang der 1990er Jahre der „Ernährungsplan für das 1. Lebensjahr“ entwickelt (Abbildung 1), in dem
– die ernährungs- und entwicklungsphysiologischen Anforderungen im Säuglingsalter,
– die Daten zur optimalen Dauer des ausschließlichen Stillens,
– das Angebot industriell hergestellter Lebensmittel für Säuglinge und
– die traditionellen Ernährungsgewohnheiten in Deutschland berücksichtigt werden.
Eine aus Studien abgeleitete wissenschaftliche „Evidenz“ für den Ernährungsplan insbesondere für die Einführung der Beikost und den Übergang zur Familienkost ist zur Zeit nicht möglich, da die verfügbaren Studien meist nur Einzelaspekte der Beikost z. B. den Einführungszeitpunkt betrachten.
Das FKE hat daher die aktuellen Referenzwerte für die Nährstoffzufuhr als wissenschaftlichen Beleg herangezogen und die Beikost am Modell der Selbstzubereitung der Mahlzeiten entsprechend gestaltet (Tabelle 1). Der Ernährungsplan gliedert sich in drei ernährungsund entwicklungsphysiologisch begründete Abschnitte:
1. Ausschließliche Milchernährung in den ersten 4–6 Monaten
2. Einführung von Beikost ab dem 5.-7. Monat
3. Einführung von Familienkost ab dem 10. Monat
Die genannten Zeitspannen berücksichtigen die interindividuelle Variabilität der Entwicklung der Kinder.
Ausschließliche Milchernährung
Während der ersten Lebensmonate benötigt ein Säugling keine anderen Lebensmittel als Muttermilch. Ausschließliches Stillen (Tabelle 2) in den ersten 4–6 Monaten wird weltweit einhellig empfohlen. Danach kann bei altersgemäßer Beikost so lange weiter teilgestillt werden, wie Mutter und Kind es wünschen. Nach Ablauf des ersten Lebensjahres nimmt in Deutschland aufgrund des guten Nahrungsangebots die quantitative Bedeutung der Muttermilch als Lebensmittel ab, das weitere Stillen entspricht dann vorwiegend dem Bedürfnis nach Nähe und Zuwendung. Wann endgültig abgestillt werden sollte, kann aufgrund der derzeitigen Datenlage nicht beantwortet werden.
Nicht gestillte Säuglinge sollten eine industriell hergestellte Säuglingsnahrung bekommen. Die Selbstherstellung von Säuglingsmilch aus verdünnter Kuhmilch, wie sie früher üblich war, ist aus ernährungsphysiologischen und hygienischen Gründen nicht empfehlenswert.
Abzulehnen sind vegetarische Milchmischungen auf der Basis von Getreide oder Mandeln (z. B. Reismilch oder Mandelmilch), die gravierende Nährstoffdefizite aufweisen.
Vorteile des Stillens
Zahlreiche Vorteile des Stillens wurden bisher dokumentiert. Unter anderem sind auch in Industrieländern Häufigkeit und Schwere von Infektionskrankheiten bei gestillten Säuglingen niedriger und das Risiko für den plötzlichen Kindstod (Sudden Infant Death Syndrome) und Allergie sinkt. Langfristig scheint Stillen das Risiko für die Entwicklung einer Adipositas im Kindesalter, für kardiovaskuläre Erkrankungen und Bluthochdruck im Erwachsenenalter zu verringern. Die Mutter profitiert vom Stillen durch eine schnellere Rückbildung der Gebärmutter und ein geringeres Risiko für Brust- und Eierstockkrebs und postmenopausale Osteoporose.
Darüber hinaus hat Stillen auch ökonomische (z. B. niedrigere Gesundheitskosten) und ökologische (z. B. Vermeiden von Energie- und Transportkosten) Vorteile.
Prävalenz des Stillens
In der bundesweiten SuSe-Studie (1997/98) begannen neun von zehn Müttern nach der Geburt mit dem Stillen. Allerdings stillten die meisten Mütter kürzer als empfohlen. Als Gründe wurden vor allem „Probleme mit der Brust/den Brustwarzen“ oder „unzureichende Milchmenge“ angegeben, also Probleme, die bei einem guten Stillmanagement in vielen Fällen vermeidbar sind. Ähnliche Ergebnisse fanden sich in der bayrischen Stillstudie von 2004/2005. Eine Fortführung der Stillförderung in Deutschland ist offensichtlich weiterhin notwendig.
Praxis des Stillens
Für einen guten Start in die Stillzeit sollte ein Baby direkt nach der Geburt zum ersten Mal an die Brust angelegt werden. Weil das richtige Anlegen (Erfassen eines großen Teils des Brustwarzenhofes) die beste Vorbeugung von vielen Stillproblemen ist, sollten Mütter sich das Anlegen und verschiedene Stillpositionen von geschultem Personal zeigen lassen. Da die Milchbildung sich der Nachfrage anpasst, sollten Säuglinge nach Bedarf gestillt werden, d. h. immer dann, wenn sie Hunger haben. Besonders in den ersten Tagen nach der Geburt kann es vorkommen, dass ein Baby häufig gestillt werden möchte. Das gleiche gilt für Wachstumsschübe, die etwa im Alter von zwei bis drei Wochen, mit sechs Wochen und mit drei Monaten auftreten und oft von einem erhöhten Appetit begleitet sind.
Industriell hergestellte Säuglingsnahrung
In Deutschland sind zahlreiche Säuglingsnahrungen auf dem Markt, deren Gehalte an Energie und Nährstoffen gesetzlich geregelt sind. Sie lassen sich in zwei Hauptgruppen unterteilen: Säuglingsanfangsnahrungen und Folgenahrungen (siehe Infokasten).
Produkte auf der Basis von Kuhmilchprotein werden als Säuglingsmilchnahrung bezeichnet. Als weiterer Proteinträger sind Sojaproteinisolate möglich, jedoch keine anderen Tiermilchen, z. B. Ziegenmilch. Indikationen für Sojanahrungen sind z. B. eine vegane Ernährung oder Kuhmilchproteinallergie. Allerdings ist die Verwendung von Sojanahrungen nicht unumstritten. Der hohe Phytatgehalt von Sojanahrungen vermindert die Bioverfügbarkeit von Mineralstoffen, die enthaltenen Isoflavone haben eine östrogenartige Wirkung und bei Allergikern besteht zusätzlich ein leicht erhöhtes Risiko einer Sensibilisierung gegen Soja.
HA-Nahrungen (hypoallergene Nahrungen) sind für nicht gestillte Säuglinge mit einem erhöhten Atopierisiko im 1. Lebensjahr gedacht. Durch die teilweise Hydrolyse des Proteins sind sie hypoallergen, d. h. sie lösen seltener Allergien aus als herkömmliche Flaschennahrungen. HA-Nahrungen werden als Säuglingsanfangsnahrungen („Pre“ und „1“) und Folgenahrungen („2“ oder „3“) angeboten. Als therapeutische Nahrung von Kindern mit einer Kuhmilchallergie sind HA-Nahrungen nicht geeignet. Für Säuglinge mit „Befindlichkeitsstörungen“ wie Spucken, Blähungen oder Verstopfung sind Spezialnahrungen (bilanzierte Diäten) auf dem Markt, die aber nur auf ärztliche Empfehlung hin gegeben werden und keinesfalls Mütter vom Stillen abhalten sollten.
Zusätze in Säuglingsnahrung
Manche Säuglingsnahrungen enthalten in Anlehnung an die Zusammensetzung von Muttermilch Zusätze von LC-PUFA (Long- Chain Polyunsaturated Fatty Acids). Ein Zusatz dieser Fettsäuren wird von vielen Experten als vorteilhaft für die Gehirnentwicklung und die Sehfähigkeit beim Säugling angesehen. Hinsichtlich der Auswirkungen von Probiotika-Zusätzen auf die Darmflora oder die Prävention von Diarrhö liegen einige viel versprechende Studien vor. Insbesondere bei Risikogruppen wie Neu- oder Frühgeborenen oder bei Säuglingen mit einem unreifem Immunsystem oder Herzfehlern wird die Sicherheit solcher Zusätze allerdings kritisch gesehen, so dass diese Nahrungen nicht generell empfohlen werden.
Zusätze von Prebiotika können dagegen bei ausschließlicher oder überwiegender Gabe von Säuglingsnahrung sinnvoll sein. Erhöhtsich der Anteil von Beikost, erhält der Säugling zunehmend weitere Ballaststoffe; Prebiotika-Zusätze bieten dann vermutlich keine weiteren Vorteile.
Trinkmenge und Dosierung
Ein ausreichendes Wachstum parallel zu den Referenz-Perzentilen, z. B. im gelben Untersuchungsheft, ist das beste Kriterium, ob ein Baby genug zu trinken bekommt. Die wöchentliche Gewichtszunahme ist von Kind zu Kind unterschiedlich. Gestillte Kinder sind in den ersten drei Monaten oft schwerer als nicht gestillte, im zweiten Lebenshalbjahr ein wenig leichter. Ebenso wie bei älteren Kindern oder Erwachsenen kann der Appetit von Säuglingen von Tag zu Tag schwanken. Die auf den Verpackungen von Milchnahrungen angegebenen Richtwerte für die Anzahl und die Menge von Flaschenmahlzeiten sind daher nicht verbindlich. Auch flaschenernährte Kinder sollten nach Bedarf gefüttert werden. Wenn ein Kind signalisiert, dass es satt ist, indem es z. B. den Kopf wegdreht, sollte die Mahlzeit beendet werden, auch wenn noch ein Rest in der Flasche ist.
Unbedingt eingehalten werden sollten die Dosierungsempfehlungen auf der Verpackung. Sowohl zu konzentrierte als auch verdünnte Milch ist der Gesundheit des Säuglings abträglich.
Einführung von Beikost
Bei guter Ernährung der Mutter deckt ausschließliches Stillen in den ersten sechs Lebensmonaten den Energie- und Nährstoffbedarf des Säuglings, allerdings kann es bei einigen Säuglingen zu einem Eisenmangel kommen. Eindeutige Vorteile von sechsmonatigem gegenüber viermonatigem ausschließlichem Stillen lassen sich in Industrieländern mit den vorliegenden Daten nicht belegen. Die WHO empfiehlt zwar als bevölkerungsbezogene Maßnahme ausschließliches Stillen in den ersten sechs Lebensmonaten mit anschließender Einführung von Beikost und fortgeführtem Stillen. Allerdings erkennt die WHO an, dass manche Mütter dieser Empfehlung nicht folgen können oder möchten und diese gleichfalls bei der optimalen Ernährung ihres Kindes unterstützt werden sollten.
Das Beikostschema im Ernährungsplan
Die zeitliche Abfolge und die Lebensmittelauswahl der Beikostmahlzeiten im Ernährungsplan berücksichtigen die limitierenden Nährstoffe beim Stillen, vor allem Eisen, Vitamin B6, Zink und Calcium.
Begonnen wird mit einem Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei mit hohen Gehalten an gut verfügbarem Eisen und Zink aus Fleisch. Jeweils etwa einen Monat später werden zwei weitere Milchmahlzeiten durch einen Milch-Getreide-Brei (Mineralstoffe, vor allem Calcium) und einen Getreide-Obstbrei (Vitamine) ersetzt ( Abbildung 2). Die unterschiedlichen Nährstoffprofile der Beikostmahl zeiten ergänzen sich zusammen mit der verbleibenden Milch zu einer weitgehend den Referenzwerten entsprechenden Ernährung (Tabelle 1).
Der Eisenbedarf erreicht im 2. Lebenshalbjahr pro kg Körpergewicht ein Maximum. Der im Ernährungsplan vorgesehene eisenreiche Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei enthält einen hohen Anteil an Hämeisen mit einer hohen Bioverfügbarkeit. Nicht-Hämeisen aus pflanzlichen Lebensmitteln wird dagegen erheblich schlechter absorbiert. Da Vitamin C die Absorption von Nicht-Hämeisen fördert, ist im Ernährungsplan für alle drei Beikostmahlzeiten der Zusatz von Vitamin C-haltigem Obstsaft bzw. Obstpüree vorgesehen. Industriell hergestellte Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Mahlzeiten (Gläschenkost) enthalten keine signifikanten Mengen an Vitamin C. Problematisch ist die Jodzufuhr bei ausschließlicher Selbstzubereitung von Beikost. Bei Verwendung von mit Jod angereicherten Beikostprodukten (Kaliumjodid oder -jodat in der Zutatenliste) wird die empfohlene Jodzufuhr erreicht oder überschritten. Für die Selbstherstellung von Beikost stehen zur Zeit keine mit Jod angereicherten reinen Getreideflocken zur Verfügung. Wichtig ist, dass stillende Mütter Jod supplementieren (100–150 mg/Tag), um den Jodgehalt der Muttermilch zu erhöhen.
Selbst hergestellte oder industriell hergestellte Beikost
Verschiedene Argumente sind bei der Entscheidung für die Verwendung selbst hergestellter oder industriell hergestellter Beikostmahlzeiten heranzuziehen.
Industriell hergestellte Beikost ist praktisch schadstofffrei, aber auch herkömmliche Lebensmittel sind ausreichend sicher. Fertigprodukte sind teurer als die Zutaten für die Selbstzubereitung, sparen aber Zeit und Arbeit. Bei der Selbstzubereitung von Beikost können Eltern über die Zusammensetzung selbst entscheiden. Die Zutaten von Fertigprodukten weichen dagegen teilweise von den Rezepten des Ernährungsplans (Abbildung 2) ab. Die Nährstoffanreicherung von Fertigprodukten bietet keinen zusätzlichen Vorteil. Selbst zubereitete Breie mit frischem Gemüse oder Obst schmecken natürlicher als konservierte Fertigprodukte. In der Praxis erhalten heute die meisten Säuglinge industriell hergestellte Beikost. Nach dem ersten Lebensjahr sollten Kinder an den Familienmahlzeiten teilnehmen und so frühzeitig an eine gemischte Kost mit frischen Lebensmitteln gewöhnt werden.
Lebensmittel in der Beikost
Neue Lebensmittel werden im Abstand von zwei bis drei Tagen eingeführt, um eventuelle Unverträglichkeiten erkennen zu können.
– Gemüse, z. B. Karotte, wird in Deutschland üblicherweise als erste Beikost gegeben. Karotte ist nicht nitratreich und vor allem in gekochter Form wenig allergieauslösend. Andere für die Beikost geeignete Gemüsesorten mit niedrigem bis mittlerem Nitratgehalt sind Zucchini, Blumenkohl oder Brokkoli. – Anstelle von Kartoffeln kann der Gemüse-Fleisch-Brei auch mit Vollkorn-Nudeln oder Vollkornreis zubereitet werden.
– Als Fettzusatz ist Rapsöl zu bevorzugen, da das Verhältnis von n3- zu n6- Polyenfettsäuren (1:2) besonders günstig ist.
– Als Fleisch eignen sich magere Teilstücke. Rindfleisch enthält viel Eisen und Zink. Aber auch Schwein, Lamm oder Geflügel sind geeignet.
– Als Obst eignet sich frisches Obst der Jahreszeit, z. B. Äpfel, Birnen, Pfirsiche, Nektarinen oder Aprikosen. Bananen enthalten viel Zucker und sollten deshalb nicht täglich gegeben werden.
– Kuhmilch (Vollmilch, pasteurisiert oder ultrahocherhitzt) im Milch-Getreide-Brei ist ein wichtiger Lieferant für Calcium und kann in geringer Menge als Zutat der Beikost (Milch- Getreide-Brei) eingeführt werden. Intraintestinale Blutverluste, die nach dem Verzehr größerer Mengen von Kuhmilch bei jungen Säuglingen festgestellt wurden, waren gegen Ende des 12. Monats nicht mehr nachweisbar. Wenn ältere Säuglinge lernen aus der Tasse zu trinken, können sie zu den Brotmahlzeiten Kuhmilch trinken. Aus der Flasche ist unverdünnte Kuhmilch wegen der zu erwartenden höheren Verzehrsmengen nicht zu empfehlen. Der durch die Kuhmilch hohe Proteingehalt im Milch-Getreide-Brei resultiert in der Tagesernährung in einem Proteinanteil von 14 Prozent an der Energiezufuhr (Tabelle 1), der zur Zeit als akzeptabel angesehen wird. Zusätzliche Milchprodukte wie Joghurt oder Quark sollten Säuglinge nicht erhalten, da ansonsten die Proteinzufuhr weiter erhöht wird. Glutenhaltiges Getreide in der Beikost sollte anfangs nur in geringen Mengen und möglichst noch während der Stillzeit gegeben werden.
Getränke
Zusätzliche Getränke (Wasser, ungesüßter Kräuter- oder Früchtetee) werden erst bei der Einführung des dritten Breis in der Beikost erforderlich. Mit der Einführung der Beikost geht der Wassergehalt der Nahrung (Wasserdichte) zurück. Zwar reift gleichzeitig der Konzentrationsmechanismus der Niere, der funktionelle Spielraum wird insgesamt aber immer enger. Bereits geringe zusätzliche Belastungen des Wasserhaushalts (Fieber, Durchfall, starkes Schwitzen) können so zu einer gefährlichen Anspannung des Wasserhaushalts führen, zumal Säuglinge in diesem Alter ihren Wunsch nach zusätzlicher Flüssigkeit nur sehr ungerichtet äußern können.
Rachitis- und Kariesprophylaxe
Unabhängig von der Art der Milch und Beikost sollten Säuglinge ab der 2. Lebenswoche während des 1. Lebenshalbjahres und in den Wintermonaten des 2. Lebenshalbjahres täglich 400–500 I. E. Vitamin D3 bekommen.
Zur Kariesprophylaxe empfehlen Kinderärzte nach wie vor Fluoridtabletten (0,25 mg Fluorid/Tag bei Trink-/Mineralwasser < 0,3 mg Fluorid/Liter) in den ersten drei Lebensjahren. Die vom Institut der Deutschen Zahnpflege 2006 herausgegebene Empfehlung, auf Fluoridtabletten zu verzichten und statt dessen schon Säuglingen mit fluoridierter Zahnpasta die Zähne zu putzen, wird von den Kinderärzten als nicht wissenschaftlich begründet und möglicherweise schädlich abgelehnt.
Allergieprävention
In der aktuellen Leitlinie zur Allergieprävention wird vor allem das viermonatige ausschließliche Stillen empfohlen. Beikost sollte nicht vor dem 5. Lebensmonat gegeben werden. Eine Stillempfehlung von mindestens sechs Monaten zur Allergieprävention konnte aufgrund fehlender Daten nicht belegt werden, ebenso wenig wie der Nutzen von diätetischen Restriktionen der Mutter während Schwangerschaft und Stillzeit. Allergiegefährdete Säuglinge, die nicht gestillt werden, sollten im 1. Lebensjahr eine hypoallergene (HA-) Säuglingsnahrung bekommen. Einschränkungen bei der Lebensmittelauswahl der Beikost werden durch vorliegende Studien nicht gestützt. Möchten Eltern im gesamten 1. Lebensjahr auf häufig allergieauslösende Lebensmittel, vor allem Kuhmilch, in der Beikost verzichten, können sie statt des Milch-Getreide-Breis einen Getreide-Obst-Brei geben und weiter stillen, oder sie bereiten den Milch-Getreide- Brei mit HA-Nahrung zu. Andere Lebensmittel, die häufig Allergien auslösen, wie Nüsse, Hühnerei oder Fisch, sind im Ernährungsplan nicht vorgesehen.
Übergang zur Familienkost
Etwa ab dem Alter von neun Monaten gehen die Brei- und Milchmahlzeiten Schritt für Schritt in die Haupt- und Zwischenmahlzeiten der Familienernährung über (Abbildung 1). Wie bei der Beikosteinführung hängt der genaue Zeitpunkt von der individuellen Entwicklung des Kindes ab. Zuerst werden aus einer Milchmahlzeit und dem Milch-Getreide-Brei jeweils eine kalte Hauptmahlzeit aus Milch, Obst oder Rohkost und Brot oder Getreideflocken.
Der Gemüse-Kartoffel-Fleisch-Brei wird zur warmen Hauptmahlzeit bestehend aus Kartoffeln, Reis oder Nudeln und Gemüse sowie dreimal pro Woche einer kleinen Portion Fleisch und einmal pro Woche einer Portion Fisch. Der Getreide-Obst-Brei geht in zwei Zwischenmahlzeiten über, bestehend aus Obst/Rohkost und Brot/ Getreideflocken; evtl. auch Milch oder Milchprodukten, falls morgens und abends nicht genug Milch verzehrt wird, sowie fakultativ an manchen Tagen Kuchen oder Süßwaren in geringen Mengen. Auf diese Weise geht der Ernährungsplan für das 1. Lebensjahr nahtlos in das Präventionskonzept der Optimierten Mischkost optimiX® über.
Weiterführende Literatur
– Both D, Frischknecht K: Stillen kompakt. Atlas zur Diagnostik und Therapie in der Stillberatung. Urban & Fischer, München, 2007
– Largo RH: Babyjahre – die frühkindliche Entwicklung aus biologischer Sicht. Piper, München, 2004
– Forschungsinstitut für Kinderernährung Empfehlungen für die Ernährung von Kindern und Jugendlichen (Broschüre). FKE, Dortmund 2005
– Forschungsinstitut für Kinderernährung: Empfehlungen für die Ernährung von Säuglingen (Broschüre). FKE, Dortmund, 2007
– Forschungsinstitut für Kinderernährung: Empfehlungen für die Ernährung während der Schwangerschaft und Stillzeit (Broschüre). FKE, Dortmund, 2007
Einen Überblick über vorhandene praktische Angebote von stillfördernden Verbänden und Organisationen sowie andere Informationsangebote zum Stillen gibt es im Internet unter www.stillen-info.de.
Die vollständige Fassung einschließlich der Literaturangaben und Grafiken ist über die Geschäftsstelle erhältlich.
Dr. Ute Alexy ist Köchin und Diplomökotrophologin und arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsinstitut für Kinderernährung in Dortmund.
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