fK 1/05 Editorial

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Editorial

Liebe Leserin, lieber Leser

„Am Anfang war das Wort“:

Mit dem Eintreten in die Sprache öffnet sich das Tor zur symbolischen Welt. Kinder werden in eine Sprache hineingeboren, die allem um sie herum Bedeutung verleiht. Über die Zuweisung und beständige Wiederholung seines Namens erhält das Kind selbst eine Bedeutung.

Lange vor dem ersten Wort können Kinder Laute unterscheiden und sprachliche Botschaften entschlüsseln, vor allem durch ihr frühes Verständnis für den emotionalen Gehalt des Gesprochenen. Im Anschluss an die ersten Worte findet dann eine regelrechte Explosion des Wortschatzes statt. Bei entsprechendem Angebot lernen Kinder neben der Muttersprache eine oder sogar zwei weitere Sprachen akzentfrei sprechen.

Der Erwerb des Sprechens ist eingebettet in den Dialog des Kindes mit seinen engsten Bezugspersonen. Dieser Dialog ist ebenso natürlich wie zugleich anfällig für Störungen. Bis zum Eintritt in die Schule treten etwa bei jedem fünften Kind in Deutschland Spracherwerbsstörungen auf, ohne dass hierfür organische Ursachen verantwortlich sind. Wenn Kinder die Sprache ihrer Umgebung nicht ausreichend beherrschen, sinken ihre Bildungschancen dramatisch.

Umgekehrt gilt, dass eine frühe Förderung der sprachlichen Fähigkeiten eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass Kinder ihre geistigen Potentiale auch wirklich nutzen können. Eine pädagogische Kultur des „guten Sprechens“ in Familie und Kindergarten und – falls erforderlich – individuelle sprachtherapeutische Angebote müssen Hand in Hand gehen. Auch obligatorische Sprachstandstests rechtzeitig vor Beginn der Schulzeit sind im Sinne des Kindeswohls sinnvoll, sofern jedenfalls damit eine frühe und individuelle Förderung und nicht die frühe Selektion der Kinder bezweckt wird.

Sprache, Schrift und Zeichnung als eine Kombination bedeutungsvoller Symbole können vielfältig sein. Mit Beginn dieser Ausgabe bieten wir Ihnen unter der neuen Rubrik „Lesezeichen“ zu jedem Schwerpunktthema Fundstellen aus der Literatur sowie ein Cartoon.
Wir wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen!

Mit herzlichen Grüßen

Prof. Dr. Franz Resch, Präsident der Deutschen Liga für das Kind
Dr. Jörg Maywald, Geschäftsführer der Deutschen Liga für das Kind

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