Pressemitteilung vom 19.10.2012

Pressemitteilung vom 19.10.2012

Schwierige Kinder: jedes fünfte Kind ist verhaltensauffällig

Deutsche Liga für das Kind fordert schnelle Einführung verbindlicher Qualitätsstandards in Krippen und Kitas

 

Etwa jedes fünfte Kind zeigt bereits früh ein auffälliges Verhalten. Etwa die Hälfte dieser Ver-haltensauffälligkeiten ist so ausgeprägt, dass sie einer Behandlung bedürfen. Besonders be-troffen sind Kinder aus Familien mit einem niedrigen sozioökonomischen Status. Anlässlich ihrer wissenschaftlichen Jahrestagung „Schwierige Kinder? Probleme erkennen, Herausforde-rung annehmen“ am 19./20. Oktober in Berlin fordert die Deutsche Liga für das Kind eine bessere Kooperation zwischen dem Bildungs- und dem Gesundheitsbereich sowie eine schnelle Einführung bundesweit verbindlicher Qualitätsstandards in Krippen und Kitas.

Ärztinnen und Ärzte, Erzieher(innen) und Psycholog(inn)en schlagen Alarm: Ein großer und in manchen Regionen wachsender Anteil der Kinder zeigt ein deutlich auffälliges Verhalten, häufig bereits in Krippe und Kita. Zu den beunruhigenden Auffälligkeiten gehören depressive Verstimmungen, aggres-sives Verhalten und frühe Anzeichen für Störungen des Sozialverhaltens, Aufmerksamkeitsstörungen, massive Ängste und Essstörungen. Manche Kinder sind so auffällig, dass eine kindeswohldienliche Bildung, Erziehung und Betreuung in der Gruppe nicht mehr möglich ist. „Auffälliges Verhalten von Kindern ist häufig ein Zeichen für Not oder Überforderung. Viele Kinder stehen heute unter großem familiären Druck zu funktionieren und sich an Lebensbedingungen anzupassen, die nicht immer kind-gerecht sind“, sagt Prof. Dr. Franz Resch, Kinder- und Jugendpsychiater und Präsident der Deutschen Liga für das Kind. „Nicht in jedem Fall liegt solchen Auffälligkeiten eine psychische Erkrankung zu-grunde und nur bei einem Teil der Kinder sind Therapien, medizinische Behandlungen und insbeson-dere der Einsatz von Psychopharmaka angezeigt. Wichtig ist vor allem, die Hilferufe der Kinder ernst zu nehmen, zusammen mit den Eltern nach den Ursachen zu suchen und individuell abgestimmte Lösungen zu finden. Dafür braucht es eine enge Kooperation zwischen dem Bildungs- und dem Ge-sundheitsbereich sowie qualitativ gut ausgestattete Krippen und Kindergärten.“

Gute Qualität in Kindertageseinrichtungen ist jedoch nur die Ausnahme. Viel zu große Gruppen und eine nicht kindgerechte Fachkräfte-Kind-Relation führen dazu, dass nach den Ergebnissen der im April 2012 veröffentlichten Nationalen Untersuchung zur Bildung, Betreuung und Erziehung in der frühen Kindheit (NUBBEK) gute pädagogische Prozessqualität in weniger als zehn Prozent der Krippen anzutreffen ist. In deutlich mehr als zehn Prozent der Betreuungssettings ist die Qualität unzureichend. Besonders wichtig für gute Qualität sind ein altersgerechter Fachkräfte-Kind-Schlüssel, kindgerechte Gruppenobergrenzen und eine auf die Bedürfnisse der Altersgruppe bezogene Aus- und Fortbildung der Fachkräfte. Weiterhin von hoher Bedeutung sind die Einhaltung fachlicher Standards zur Eingewöhnung des Kindes und eine Erziehungs- und Bildungspartnerschaft mit den Eltern.

Zwar hat die Bundesregierung im Rahmen des 10-Punkte-Programms „Kindertagesbetreuung 2013“ ein Qualitätsgesetz und einen bundesweiten „Rahmen-Bildungsplan“ angekündigt. Qualitative Standards sollen jedoch erst bis 2020 erreicht sein. Solange aber können die Kinder nicht warten. Quantitativer Ausbau, Einführung des Rechtsanspruchs und die Gewährleistung von Qualitätsstandards sind untrennbar miteinander verbunden und dürfen nicht nacheinander verwirklicht werden. Die Deutsche Liga für das Kind fordert daher (1) Einberufung eines Spitzengesprächs zwischen Bund, Ländern und Kommunen, bei dem unter Einbeziehung von Trägern und Verbänden ein mit Bundesmitteln finanzier-tes Programm „Gute Qualität in Krippe und Kindertagespflege“ beschlossen wird sowie (2) bundeswei-te Umsetzung qualitativer Standards für Krippen und Kindertagespflegestellen auf fachwissenschaftli-cher Basis parallel zur Einführung des Rechtsanspruchs auf einen Betreuungsplatz ab Vollendung des ersten Lebensjahres ab 1.8.2013.

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