fK 4/09 Prenzlow

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Was darf ich sagen? Wer hört mir zu? Wer steht an meiner Seite?

Die Interessenvertretung von Kindern im familiengerichtlichen Verfahren – Fälle aus der Praxis

von Reinhard Prenzlow

Im folgenden Artikel möchte ich mithilfe konkreter Fälle über die praktische Arbeit von Verfahrenspflegern (zukünftig Verfahrensbeistand) mit den Kindern und damit ihre Interessenvertretung informieren.

Sonja
Im ersten Fall geht es um Sonja, die zum Zeitpunkt meiner Bestellung zum Verfahrenspfleger 7 Jahre alt war. Es handelt sich um ein Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung. Sonja ist das zweite Kind der Familie B und hat einen älteren Bruder, der kurz nach der Geburt auf Initiative des Jugendamtes (JA) in eine Pflegestelle vermittelt wurde. Der Kontakt von Eltern zu ihrem Sohn ist aufgrund verschiedener Schwierigkeiten unterbrochen, das Sorgerecht für ihn wurde ihnen entzogen. Die Eltern befürchten nunmehr, auch Sonja zu verlieren. Sie leiden unter körperlichen Erkrankungen, insbesondere der Vater auch unter cholerischen Gewaltausbrüchen, die er gegenüber Dritten nur mühsam unterdrücken kann, wenn diese seiner Ansicht nach den Zusammenhalt seiner Familie zerstören wollen. Mit drei Jahren wurde Sonja vom JA in einem sozialpädagogischen Kindergarten untergebracht, nachdem sich Entwicklungsverzögerungen zeigten. Parallel hierzu erhielt Sonja eine sozialpädagogische Therapie. Mit 6 Jahren wurde sie in einer Schule für Lernbehinderung und Verhaltensauffälligkeiten eingeschult, nach der Schule besuchte sie bis zum Abend eine Tagesgruppe, die Wochenenden verbrachte sie bei den Großeltern. Nach einem halben Jahr sollte auf Initiative des JA die Elternarbeit durch den jugendpsychologischen Dienst beginnen, da die physische und psychische Befindlichkeit Sonjas Zweifel an der Fähigkeit der Eltern zur angemessenen Affekt- und Impulskontrolle, verbunden mit Einfühlungsschwierigkeiten in die altersgerechten Bedürfnisse und Fähigkeiten des Kindes, vermuten ließen. Die Eltern lehnten eine Fremdunterbringung Sonjas sowie die ganze Beratung ab. Es war eine starke emotionale Ablehnung der Eltern gegenüber dem JA und der Schule, sowie aller damit in Verbindung stehenden Personen festzustellen. Seitdem führte eine Psychologin Gespräche mit Sonja. Als eines Tages Sonjas Eltern nachts nicht anwesend waren, lief Sonja auf die Straße und bat Passanten, ihre Großeltern anzurufen und ließ sich von denselben abholen. Mit Zustimmung der Eltern und des JA blieb sie ein halbes Jahr bei den Großeltern. Da seit der Heirat von Sonjas Eltern und den Eltern des Vaters starker Streit mit heftigen gegenseitigen Vorwürfen zur Erziehungsfähigkeit bis zur Misshandlung des Kindes bestand, fanden nur wenige Besuchskontakte der Eltern bei ihrem Kind statt. Im Anschluss an einen Urlaub Sonjas mit der Tagesgruppe nahmen die Eltern Sonja gegen ihren Willen wieder mit nach Hause. Gleichzeitig wurde der Kontakt zu den Großeltern wieder unterbunden. Das JA machte daraufhin ein Verfahren nach § 1666 BGB (Kindesgefährdung) anhängig. Zu diesem Zeitpunkt wurde ich als Verfahrenspfleger für Sonja bestellt. Die folgenden Zitate der Aussagen von Sonja beschränke ich auf die Kernaussagen.

Erstes Gespräch mit Sonja: „ Ich bin gegen meinen Willen von den Eltern abgeholt worden. Bei den Großeltern hat es schon mal Ärger gegeben, wenn ich „rumgeböckt“ habe. Weil meine Großeltern und Eltern sich streiten, darf ich nicht zu meinen Großeltern. Meine einzige Freundin lebt auch in einem Heim, dort wäre es auch nicht schlecht“. Zweites Gespräch: „ Ich gehe nicht gern in die Tagesgruppe, auch bei der Psychologin ist es blöd, schön wäre es, wenn ich Geschwister hätte. Ich will jetzt aber erst einmal zu Hause wohnen bleiben.“
Da das JA weiterhin eine Fremdunterbringung anstrebte, wurde Sonja bei einem Heimbesuch begleitet. Das JA legte sich dabei auf ein Kinderdorf in der Nähe der Stadt B. fest. Drittes Gespräch zu Hause: „Mir geht es besser, meine Eltern hauen mich nicht mehr. Ich darf meine Großeltern wieder besuchen. Wir waren auch bei meiner anderen Oma. Das Heim war eigentlich ganz schön. Ich würde aber nur dort bleiben, wenn mich meine Eltern wegschicken. Am schönsten wäre es, wenn ich zu Hause bleiben könnte und alle sich vertragen würden“.

In meiner ersten Stellungnahme habe ich daraufhin empfohlen, dem Willen des Kindes zu folgen und zurzeit keine Herausnahme des Kindes zu erzwingen, sowie die Prüfung alternativer Hilfemaßnahmen seitens des JA vorzunehmen, die sich an dem Wunsch des Kindes nach Veränderung – Schulwechsel wegen großer Entfernung, Hausaufgabenhilfe anstelle der Tagesgruppe – orientieren sollten.
Viertes Gespräch: „ Ich gehe wegen des Streits mit anderen Kindern nicht mehr in die Tagesgruppe. Am Nachmittag mache ich zu Hause meine Aufgaben und spiele mit den Nachbarkindern. Zur Oma gehe ich nicht mehr, weil sie mir eine gewatscht hat, als ich mit einem Jungen gesprochen habe.“ In einer Anhörung nach einem weiteren halben Jahr sicherten die Eltern ihre Mitarbeit bei den vereinbarten Hilfen zu. Daraufhin wurde das Verfahren mit dem Ziel der weiteren Beobachtung der Situation ausgesetzt. Aufgrund eines Krankenhausaufenthaltes von Sonjas Mutter brachte der Vater zwei Monate später das Kind für eine Nacht zu den Großeltern. Am nächsten Tag stellte das JA einen Antrag auf sofortigen Entzug der elterlichen Sorge, da Sonja nach Aussage der Großeltern nicht mehr nach Hause wollte. Fünftes Gespräch: „Ich will nicht mehr nach Hause. Dort habe ich Sie, den Richter und andere immer anlügen müssen. Dies haben meine Eltern mit Backpfeifen, Stubenarrest und Essensverweigerung erzwungen.“

In dieser Situation beauftragte die Mutter eine Rechtsanwältin mit der Wahrnehmung ihrer Interessen. In einer weiteren Stellungnahme habe ich im Interesse des Kindes eine Fremdunterbringung empfohlen, die die sozialen und pädagogischen Bedürfnisse des Kindes angemessen fördern könne, um so dem Kind jenseits von familiärem Streit, eventuellen Misshandlungen, dem Zwang zu Lügen und Beeinflussung die Möglichkeit zu eröffnen, neue Beziehungen aufzubauen, Vertrauen zu gewinnen und letztendlich die für das Kind notwendige und gewünschte Beziehung zu den Eltern auf eine sichere Grundlage zu stellen. In einer weiteren gerichtlichen Anhörung stimmten die Eltern nunmehr der Unterbringung zu. Gleichzeitig lehnten sie das vom JA vorgesehene Heim ab, da sie befürchteten, dass Sonja von dort zu in der Nähe lebenden Verwandten abhauen könnte. Die Vertreterin der Mutter beantragte die Rückübertragung des Sorgerechts, das JA beantragte die Anordnung aufrecht zu erhalten. Ich habe in der Verhandlung angeregt, das Aufenthaltsbestimmungsrecht auf das JA zu übertragen, im Übrigen das Sorgerecht auf die Eltern zurückzuübertragen, um ihnen so die Möglichkeit zu geben, auch in Zukunft für die Weiterentwicklung ihres Kindes mitverantwortlich zu bleiben. Das JA entschied nun Sonja in dem vorgesehenen Heim in der Nähe von B. unterzubringen, da dies dem Wunsch des Kindes entspräche. Ich habe der Unterbringung an diesem Ort widersprochen und ein mir bekanntes Heim in der Nähe von R. vorgeschlagen, welches ebenfalls die geeigneten therapeutischen und schulischen Möglichkeiten bieten konnte, das einen Platz in einer Wohngruppe freihatte, eine kleine Gruppengröße hatte, gleichzeitig aber auch von den Eltern akzeptiert wurde. Im Beschluss des Amtsgerichts wurde dem JA, aufgegeben nach Maßgabe der Verfügbarkeit das Kind nach folgender Priorität unterzubringen: 1. Heim R.; 2. Heim U.; 3. Heim B. Gleichzeitig sollte das Sorgerecht vorläufig beim JA verbleiben. Sonja wurde anschließend im Heim R. untergebracht. Sie äußerte in einem späteren Gespräch, dass sie sich hier sehr wohl fühle, ihre Eltern in nächster Zeit aber nicht sehen möchte.

Der Sachverhalt verdeutlicht stellvertretend für viele ähnlich gelagerte Fälle die Schwierigkeiten von Kindern, ihren Willen frei von Beeinflussung durch Eltern, Großeltern und weiteren Bezugspersonen zu äußern. Die tiefliegende Abhängigkeit und das Bedürfnis nach Beziehung zu den Eltern sind für Kinder auch dann noch immens wichtig, wenn sie von diesen schlecht behandelt oder sogar misshandelt werden. Manchmal bedarf es einiger Gespräche des Verfahrenspflegers, bevor das Kind soviel Kraft aufbringen kann, seine wahren Bedürfnisse und Wünsche zu äußern, wohlwissend, dass es die Eltern damit „verrät“. Daher muss der Verfahrenspfleger am Kind bleiben, es in jeder Lage ernst nehmen und seinen Willen auch dann vertreten, wenn es aus der „Erwachsenensicht“ doch eigentlich klar ist, was das Kind braucht. In den Fällen, wo die bloße Umsetzung des kindlichen Willens allerdings sein Wohl schädigen könnte, muss der Verfahrenspfleger in seiner Stellungnahme diese Aspekte mit einbringen! Umfängliche Interessenvertretung bedeutet aber auch, die weitergehenden Wünsche der Kinder – inklusive ihres Wunsches auf den Weitererhalt eines Kontaktes zu den Eltern – gegenüber den Vorstellungen weiterer Beteiligter offensiv zu vertreten.

Sarah und Niklas
Im zweiten Fall geht es um die Interessenvertretung für Kinder (Sarah – 2 Monate alt, Niklas – 4 Jahre alt sprachbehindert), die entweder wegen ihres Alters nicht sprachfähig sind, oder mit denen die Verständigung aufgrund einer Entwicklungsverzögerung oder einer Behinderung nur eingeschränkt möglich ist. Es handelt sich ebenfalls um ein Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung.

Die Mutter lebte zum Zeitpunkt meiner Bestellung im August 2008 noch in einer Wohnung einer Betreuungseinrichtung; die Kinder waren vom JA wegen des Verdachts der Vernachlässigung bereits in Obhut genommen und in einer Bereitschaftspflegestelle untergebracht worden. Anschließend war das Sorgerecht einstweilig für Sarah auf das JA, für Niklas auf den Vater übertragen worden.
Ich habe die Kinder in der Bereitschaftspflege (Frau T.) besucht. Sarah hatte keine gesundheitlichen Probleme, allerdings war sie nicht krankenversichert. Sie zeigte sich im Kontakt zu mir altersgemäß, lächelte mich an und zeigte keine Unsicherheiten oder Scheu. Dieses Verhalten wurde mir von Frau T. auch gegenüber anderen Menschen bestätigt. Im begleiteten Umgangskontakt mit ihrer Mutter zeigte sie keine Reaktionen, die auf ein Wiedererkennen schließen ließen. Es bestand der Verdacht, dass bisher keine Bindung zur Mutter erfolgt war. Außerdem hatte sie eine schiefe Kopfform, was auf eine mögliche einseitige Lagerung schließen lies. Die Kinderärztin berichtete mir, dass Sarah bisher gut versorgt und angemessen entwickelt war. Es habe Vorwürfe des Vaters eines sexuellen Missbrauchs von Niklas durch die Mutter gegeben. Entsprechende Untersuchungen hätten aber keine Hinweise darauf ergeben. Niklas konnte ich bei der Kontaktaufnahme über ein Spiel kaum verstehen, meine Fragen verstand er. Er wollte mit mir nur spielen und zeigte sich dabei sehr geschickt. Seine Zähne waren erheblich geschädigt, eine Kariesbehandlung musste eingeleitet werden. Er stellte keine Fragen nach seiner Mutter, erzählte aber von den Umgangskontakten zu seinem Vater. Als ich mich nun Sarah zuwandte, wurde er wieder sehr verschlossen und ignorierte mich. Diese Reaktion könnte auf seinen Vorerfahrungen bei der Mutter beruhen. Zur weiteren Abklärung der Situation habe ich Niklas in einem Sprachheilkindergarten besucht. Dort erhält er Sprach- und Ergotherapie. Niklas erkannte mich wieder, wollte dann aber nach draußen zu den anderen Kindern. Ich habe ihn in der Interaktion zu den Kindern beobachtet. Er hielt sich meist im Hintergrund und beobachtete. Wenn andere Kinder ihn ins Spiel einbeziehen wollten und er dazu nicht bereit war, reagierte er aggressiv abwehrend. Die Erzieherinnen berichteten positiv von der Mitarbeit der Mutter und zeigten sich überrascht von der Inobhutnahme.

Die Kindesmutter berichtet von ihrer Vorgeschichte, die ich nur stichpunktartig darstelle: Eltern alkoholkrank/ Vergewaltigung im Alter von 12 Jahren von einem 24-jährigen Freund der Familie/ mit 15 in ein Heim gekommen/ mit 16 von ihrem ebenfalls drogenabhängigen Freund geschlagen und vergewaltigt und in der Folge mit Niklas schwanger geworden/ Trennung vom Freund und Geburt von Niklas/ mit Methadon substituiert, später aber wieder rückfällig geworden. Zu diesem Zeitpunkt informierte der Vater von Niklas das JA und wies auf die Probleme der Mutter hin. In der Folge gab es insgesamt drei Verfahren zum Sorgerecht bzw. Umgang (ohne Verfahrenspflegerbestellung!). Die Mutter stimmte der Unterbringung in einer Mutter-Kind-Einrichtung zu. Da sie sich nicht „an die Regeln“ halten wollte, geschahen die Übersiedlung in eine eigene Wohnung und die Einrichtung einer Betreuung. Niklas kam zu einer Tagesmutter und hatte Umgang mit seinem Vater. Danach wurde sie erneut schwanger von einem neuen Freund, der allerdings wegen verschiedener Straftaten polizeilich gesucht wurde und untertauchte. Sie wollte ihre Kinder zurückhaben. Eine weitere Klärung mit der Kindesmutter konnte nicht erfolgen, da sie ihre Wohnung verlassen hatte und ihr Aufenthalt unbekannt war. In meiner ersten Stellungnahme Ende September habe ich beantragt, kurzfristig einen Termin zur Anhörung anzuberaumen und in der Anhörung zu prüfen, ob die Trennung der Kinder von der Mutter dem Kindeswohl entspricht oder ob durch andere geeignetere Maßnahmen ein Aufenthalt der Kinder bei der Mutter möglich ist.

Mitte November 2008 war die erste Anhörung, zu der die Mutter nicht erschien. Ich verwies auf die Dringlichkeit einer Klärung für die Kinder, insbesondere Sarah, da bereits eine Bindung an die Pflegemutter entstand. Ich bat daher das Jugendamt, eine Pflegefamilie für Sarah zu suchen. Der Vater von Niklas teilte mit, dass er eine Therapie begonnen habe und nach deren Abschluss die Aufnahme seines Sohnes in seinen Haushalt wolle. Ein Beschluss wurde nicht gefasst. Ende März 2009 kam Sarah endlich in eine Pflegefamilie, wo ich sie besucht habe. Nach Angabe der Pflegemutter hatte Sarah die Ablösung von Frau T. gut verkraftet. Sie entwickelte sich weiter altersgemäß und nahm problemlos Kontakt auf. Die Kopfverformung bildet sich allmählich zurück. Sie hat ein anfälliges Bronchialsystem. Ich habe auch Niklas noch einmal bei Frau T. besucht. Trotz des zeitlichen Abstands erkannte er mich wieder und wollte sogleich mit mir spielen. Mir fiel auf, dass er stets meine körperliche Nähe suchte. Nach meinem Eindruck hatte er sich gut entwickelt. Im Gespräch und im Spiel mit ihm wurde deutlich, dass er weiterhin große Probleme hat. Auf die meisten Fragen antwortete er nur mit Ja. Seine Aussprache war sehr verwaschen und nur teilweise zu verstehen. Er erhielt in der Kita weiterhin Ergo- und Logopädie. Die Behandlung seiner kariösen Zähne sollte bald beginnen. Von den regelmäßigen Kontakten zu seinem Vater erzählte er wenig. Da nicht abzusehen war, wann die Therapie des Vaters und mit welchem Ergebnis enden würde, habe ich in meiner Stellungnahme empfohlen, dass Sorgerecht für Sarah endgültig auf einen Vormund zu übertragen und sie in der Pflegefamilie zu lassen. Für Niklas habe ich empfohlen, dass der Vater das Sorgerecht unter der Bedingung erhält, dass er bis auf Weiteres einer Unterbringung seines Sohnes in einer Erziehungsstelle zustimmt. Gleichzeitig sollte eine Umgangsregelung zum Erhalt der Beziehung der Geschwisterkinder getroffen werden. Zu der nächsten Anhörung erschien auch die Mutter und erklärte, dass sie für längere Zeit völlig abgerutscht war, sich jetzt aber wieder auf dem Weg der Besserung befinde. Sie stimmte dann für Sarah der endgültigen Sorgerechtsübertragung auf das JA und dem alleinigen Sorgerecht für Niklas auf den Vater zu. Es wurde vereinbart, dass sie selbständig in der nächsten Zeit Kontakt zum JA halten solle, um mögliche Umgangskontakte zu ihren Kindern abzusprechen. Inzwischen lebt Niklas in einer Erziehungsstelle mit besonderen Fördermöglichkeiten.

Auch wenn eine sprachliche Kommunikation gar nicht oder nur eingeschränkt möglich ist, kann eine Verfahrenspflegschaft durchaus die Interessen der Kinder ermitteln. Dies geschieht in der Regel durch Interaktionsbeobachtungen, Gespräche mit Bezugs- und Betreuungspersonen sowie Ärzten und Therapeuten. Diese Arbeit erfordert Zusatzwissen in den Bereichen Entwicklungspsychologie, Bindungsforschung sowie im Bereich des Jugendhilferechts. Insbesondere die Fähigkeit, alters- und situationsangepasst Kontakt zu den Babys und Kleinkindern herstellen zu können, ist wesentliche Voraussetzung für diese Tätigkeit. Der Faktor kindliches Zeitempfinden hat einen großen Stellenwert. Daher muss großer Wert auf die Verfahrensbeschleunigung und die Klärung des zukünftigen Aufenthalts der Kinder gelegt werden. Wie aus obigem Fall ersichtlich, kann dennoch nicht immer garantiert werden, dass die Entscheidungen zeitnah getroffen werden. Umso wichtiger ist es, die Kinder in dieser Zeit weiter zu begleiten, eventuelle Veränderungen zu registrieren und die Empfehlungen entsprechend anzupassen.

Abschließend weise ich noch auf die an anderer Stelle schon erwähnten Änderungen im Bereich der Verfahrenspflegschaft ab 1.9.2009 hin. Einerseits werden die Aufgaben klarer definiert und deren Umsetzung zur Pflicht gemacht, andererseits die Kostenerstattung durch die Pauschalisierung auf ein solch geringes Niveau gesenkt, dass die Aufgabenstellung in vielen Fällen kaum angemessen erfüllt werden kann. Die häufigen Kontakte, die im Fall Sofie notwendig waren, um den wirklichen Willen des Kindes zu erforschen, als auch die notwendigen Gespräche mit den Bezugspersonen im Fall Sarah und Niklas und die wegen der Länge des Verfahrens zahlreichen Kontakte zu den Kindern werden zukünftig nur dann noch möglich sein, wenn entweder der Verfahrensbeistand erhebliche finanzielle Einbußen hinnimmt oder er den Umfang seiner Tätigkeiten einschränkt, was er als Interessenvertreter der ihm anvertrauten Kinder wohl kaum verantworten kann. Ich habe die Hoffnung, dass der Gesetzgeber sich bald zu einer entsprechenden Änderung des Gesetzes entschließt.

Reinhard Prenzlow ist Verfahrensbeistand und Einzelvormund in Hannover und Mitglied des Vorstandes der BAG Verfahrenspflegschaft.

No Comments

Post A Comment