fK 4/08 Rinklebe

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Das eigene fremde Kind: Zukunftswesen – Schreihals – Medienkind?

Bilder von Kind und Kindheit am Beispiel von Elternratgebern

von Uta Rinklebe

„Das heutige Kind ist (…) für die Eltern vielfach ein fremdes Wesen, dessen Bedürfnisse nicht aus der eigenen Erfahrung erschlossen werden können. Eltern müssen vielmehr lernen, wie ihre Kinder sind.“
Burkhard Fuhs 2000, S. 376

Die Bestimmung von Kindheit und Kindern ist ein fester Bestandteil des öffentlichen Nachdenkens. Kinder geraten anlässlich unterschiedlicher Thematisierungswellen in die Medien und bestimmen somit auch Alltagsgespräche. Beispiele aus der jüngeren Zeit sind Stellungsnahmen zur Kinderarmut, Wertediskurse, Reaktionen auf die Pisa-Studien oder dramatische Berichte von Kinderverwahrlosung. Die Brisanz der Thematik ist einleuchtend: Kinder sind die Garanten unserer Zukunft. Mit dem Kind und der Auseinandersetzung um seine adäquate Erziehung und Bildung verbindet sich die Vorstellung über das zukünftige erwachsene Individuum und die kommende Gesellschaft. In Deutschland werden derzeit verstärkt wissenschaftliche Deutungen für das Verhalten von Heranwachsenden eingefordert. Der Schluss liegt nahe, gesellschaftliche Probleme als Phänomen gescheiterter Erziehung zu interpretieren. Im Kontext der aktuellen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen stellen sich Fragen nach der kulturellen Codierung von Kindheit und nach typischen aktuellen Kindbildern.

Im Alltagsdiskurs wird der Eindruck erweckt, die Kindheit habe sich dramatisch verändert. Zudem heißt es, die Gesellschaft und auch die Eltern hätten den Umgang mit Kindern weitgehend verlernt. Zumindest wird ihnen in vielen Fällen ihre Kompetenz in Bildungs- und Erziehungsfragen abgesprochen. Zunehmend sind Kinder rar in Deutschland, haben immer ältere Eltern und sind immer öfter dem Risiko ausgesetzt, dass ihre Eltern sich trennen und neue Familien gründen. In einer fast kinderlosen Gesellschaft verändert sich so der Blick auf die wenigen Exemplare – Kinder werden scheinbar immer besonderer und auch fremder. Die Eltern scheinen ratloser denn je. Dies suggerieren zumindest die Auslagen in den Buchhandlungen mit einem fast unüberschaubaren Angebot an Ratgeberliteratur.

Auf der Suche nach Bildern vom Kind und von Kindheit wurden populärwissenschaftliche aktuelle Elternratgeber mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse beleuchtet. Die Untersuchung konzentrierte sich dabei auf die fünf Elternratgeber „Kinderjahre“ (Remo Largo 2005), „Denkanstösse für Eltern“ Annette Seybold-Krüger 2005), „Die Supermamas“ (Miriam Pelzer und Aicha Katjivena 2005), „Das KinderBuch“ (Anna Wahlgren 2004) sowie „Team Familie“ (Daniela Liebich 2003). Die Ergebnisse der durchgeführten Elternratgeberanalyse können aufgrund der Auswahl von fünf Büchern nur einen Ausschnitt abbilden und beanspruchen keinen repräsentativen Charakter für diesen publizistischen Bereich.

Obwohl die tatsächliche Wirkung auf das konkrete Handeln nur schwer nachzuweisen ist, kann Beratungsliteratur für Eltern als eine wichtige Quelle angesehen werden, um Hinweise zu Vorstellungen über Kinder, erzieherische Handlungsmuster und Ziele in Bezug auf das Menschenbild zu erhalten. Es ist erkennbar, dass es sich nicht um Befunde der Lebenswirklichkeit handelt, sondern um eine Konstruktion realen Lebens. Doch die dargestellten Konzepte und Auffassungen in den Ratgebern geben Auskunft darüber, was ein Kind vermeintlich braucht. Autoren können als Mitglieder der Gesellschaft, die ihre Realität und ihr Weltbild vertreten, gleichzeitig aber auch als Beobachter der gesellschaftlichen Wirklichkeit aufgefasst werden. Die verschiedenen Praxen im Umgang mit Kindern geben Einblicke in ein Feld, in dem die soziale und kulturelle Identität von Kindern ausgehandelt und kulturell vermittelt wird. In der exemplarischen Analyse ging es nicht darum, den Einzellfall des jeweiligen Ratgebers zu betrachten, sondern systematische Aussagen zu normativen kulturellen Handlungsmustern herauszuarbeiten, die letztendlich auch spezifische Haltungen zur Lebensphase Kindheit beinhalten.

Kindheit und Kind in Wissenschaft und Alltagsdiskurs
Die vorliegende Auseinandersetzung geht von einer Differenz zwischen den Theorien der Kindheitsforschung und der alltäglichen Praxis aus. Theorien der modernen Kindheitsforschung mit ihrer Definition von ‚Kindern als handelnden Akteuren’ stehen auf der einen Seite. Demgegenüber bestehen die in der Gesellschaft existierenden herkömmlichen traditionsgebundenen Vorstellungen vom Kind. Welche Ideen, Konzepte vom Kind sind das? Inwieweit spiegeln sich die Thesen aus dem Kindheitsdiskurs und der Alltagsdiskurs in den Elternratgebern wider?

Innerhalb der interdisziplinären Kindheitsforschung finden sich zwei herausragende Sichtweisen: Werden Kinder als Zukunftswesen betrachtet, dominieren innerhalb dieser Lebensphase die Schwerpunkte Entwicklung, Lernen und Erwerbsfreiheit die Wahrnehmung vom Kind. Kindheit gilt als die Vorbereitungsphase zu einem späteren Sein als Erwachsener. Nach dieser Auffassung hat gegenwärtiges Tun seinen Sinn in der Zukunft. Dabei wird von der Formbarkeit der kindlichen Persönlichkeit ausgegangen und es werden individuelle Unterschiede und Varianten der Entwicklungsbedingungen betont. Kulturelle und soziale Umweltbedingungen werden dabei für die Entwicklung der Persönlichkeit in der Lebensphase Kindheit thematisiert. Damit gelten Kinder primär als ‚Werdende’ und somit als defizitär gegenüber Erwachsenen.

Aus einer anderen Perspektive werden Kinder als eine eigenständige Bevölkerungsgruppe wahrgenommen, die in Beziehung zu anderen Bevölkerungsgruppen anderer Lebensalter steht. Dabei wird sich auf die Varianten konzentriert, wie Kinder sich in der Gesellschaft orientieren. Betrachtet werden ihre kulturellen Leistungen und die sozialen Welten, die sie konstruieren und an denen sie teilhaben. Im Mittelpunkt dieser Ansicht steht die eigenständige Handlungsfähigkeit des Kindes. In Bezug auf die gesellschaftliche Positionierung werden Kinder als ‚Seiende’ angesehen. Aus diesem Blickwinkel heraus erscheinen Kinder nicht als unfertige Persönlichkeiten, die erst erwachsen werden müssen, um als selbstständig und reif zu gelten. Vielmehr betrachtet man sie als Menschen, die den „ersten Abschnitt einer langen Lebensspanne durchleben und hierbei eine ihrer Entwicklung und ihrem Alter angemessene Befriedigung von Bedürfnissen und Erfüllung von Lebensansprüchen erfahren wollen“ (Hurrelmann und Bründel 2003). Das Kind wird somit als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft verstanden. Kindheit gilt nach dieser Auffassung als eine eigenrechtliche Altersstufe, die nicht nur auf das ‚endlich Erwachsensein’ hin ausgerichtet ist.

Im Alltagsdiskurs, in Gesprächen und medialen Darstellungen erwecken die Aussagen Erwachsener vorherrschend den Eindruck einer kulturpessimistischen Bewertung der heutigen Kindheit. Zumeist dominiert eine Sichtweise, welche die Gegenwart als schlecht und die Zukunft als noch schlechter betrachtet oder die soziale Kindheit in der Krise sieht. Doch auch positive Aspekte des heutigen Kindseins werden betont: Als vorrangiges Merkmal gelte die Selbständigkeit der Kinder, ihre Planungsfähigkeit sowie ihre Kompetenz im Umgang mit wechselnden Sozialbezügen in vielfältigen institutionellen Kontexten. Das Verhältnis der Erwachsenen zu Kindern ist somit durch Ambivalenz bestimmt.

Der Zugang zur kindlichen Perspektive – die Selbstwahrnehmung des Kindes, wird erst seit einigen Jahren wissenschaftlich beleuchtet. Dabei stehen Fragen im Vordergrund, wie beispielsweise Kinder ihre Kindheit subjektiv bewerten, was sie mit dem Begriff Kindheit verbinden oder was sie über ihre Lebensbedingungen berichten. Kränzl-Nagl und Wintersberger (1998) zufolge, würden Kinder ihre gegenwärtige Lebenssituation wesentlich positiver bewerten, als Erwachsene mit ihren oftmals kulturkritisch gefärbten Sichtweisen.

Das eigene fremde Kind
Eine tragende Variante ist das Bild des fremden Kindes und damit in Verbindung stehend, die Wahrnehmung einer eigenständigen Kinderkultur. Die Fremdheit des eigenen Kindes und die für Erwachsene unverständliche oder undurchschaubare Kinderkultur stellen zwei Aspekte dar, die für die vorliegende Auseinandersetzung besonders relevant sind: Das eigene fremde Kind macht ratlos – mittels Elternratgeber suchen Eltern Erklärungen.

Von ambivalenten Einstellungen gegenüber dem nicht erwachsenen, nicht vernünftigen Wesen – dem Fremden, wurde von jeher berichtet. In historisch wechselnden Situationen wurden Kinder verfolgt, ausgegrenzt, erforscht oder romantisiert. Sie wurden beispielsweise als mit Erbsünde beladene Kinder, als Teufelssöhne oder Wechselbälger, Hexenkinder, heilige Kinder oder wilde Kinder, Verbrecher oder Verführer-Kinder bezeichnet. Auch heute ist das so vertraute nahe Kind aus ‚eigenem Fleisch und Blut’ gleichzeitig das unbekannte Wesen. Die Herausforderung des Fremden liegt darin, dass das Fremde nicht klassifizierbar ist, nicht einteilbar in ‚Freund’ oder ‚Feind’. Kinder zwingen – für Erwachsene oft unerwartet und unerwünscht – offensiv zur Reaktion. Sie benehmen sich ‚feindlich und fremd’. Verwirrenderweise aber stehen sie nicht auf der anderen, der feindlichen Seite, sie haben die typischen Eigenschaften des Freundes, denn es sind die eigenen Kinder, die eigenen Zukunftswesen.

Haltungen zum Kind in den untersuchten Ratgeberbüchern
Das Ergebnis der Auseinandersetzung mit den Elternratgebern zeigt, dass innerhalb der unterschiedlichen Grundmuster des Aufwachsens jeweils spezifische Kindbilder und Erziehungsziele handlungsleitend sind.

Die Wertschätzung, die einem Menschen entgegengebracht wird, verdeutlicht sich unter anderem auch in der Ausdrucksweise, in der über Kinder gesprochen wird. In allen Ratgebern finden sich Ansichten zu Achtung oder Respekt. Hierbei variieren Stil und Darstellungsweise dieser Thematiken je nach der anvisierten Leserschaft. Im Folgenden drei kurze Beispiele:

Wahlgrens grundlegendes Prinzip des elterlichen Umgangs mit dem Kind besteht in einem respektvollen, kindgerechten Umgang der Eltern, die das Kind zu allererst als eigenständige Person wahrnehmen sollten: „Keine Nachlässigkeiten bei den praktischen Sachen, die einfach gemacht werden müssen, aber dabei immer das Kind Kind sein lassen, es als eigenständigen Menschen respektieren“ (Wahlgren 2004, S. 17).

Die Variante, das ‚Kind als Feind’ anzusehen, wird im Ratgebertext von Pelzer und Katjivena wiederholt vorgefunden. Sätze wie „Sie eilen der kleinen `Nervensäge´ prompt zu Hilfe. […] Zum Teufel mit dem Schreihals“ (Pelzer und Katjivena 2005, S. 8) oder „Also muss das Kind lernen, dass es nicht immer die erste Geige spielen kann“ (a. a. O., S. 175) beinhalten geradezu eine Abwertung und vermitteln dem Leser den Eindruck, dass ein Kind eine untergeordnete Position, die man ihm zudem erst anerziehen muss, in der Familie einzunehmen habe.

Largo sieht das zentrale Ziel der elterlichen Erziehung darin, dem Kind behilflich zu sein, sich ungehindert zu entwickeln und glücklich zu werden, verbunden mit dem grundlegenden Recht auf Individualität und Eigenständigkeit. Eltern sollten ihr Kind so akzeptieren, wie es ist und es nicht nach ihren eigenen Vorstellungen verändern wollen. „Ein Kind ist keine Knetmasse, die beliebig geformt werden kann“ (Largo 2005, S. 17).

Diese äußerst emotional aufgeladenen Kindbilder bewegen sich in einem breiten Spektrum: Zum einen besteht die Auffassung, das Kind als eigenständiges Individuum anzusehen, gewissermaßen dem Kind – in Augenhöhe – als seinem Verbündeten zu begegnen und die Eigenwertigkeit dieser Lebensphase in den Vordergrund zu rücken. Damit verbindet sich der Gedanke, die Entfaltung des Kindes unter Einbeziehung entwicklungspsychologischer Erkenntnisse zu fördern und zu unterstützen.

In einer weiteren Sicht ist der Fürsprache- und Fürsorgeaspekt im Zentrum des Kindbildes handlungsleitend und der familiale Binnenraum gilt als Mittelpunkt und Schutzraum des Aufwachsens. Ein wiederum anderer Blickwinkel, geprägt vom Gedanken des sozialgeschichtlichen Wandels von Kindheit, bietet vornehmlich Bilder ‚robuster’ und ‚eigenständiger’ Kinder, die als Akteure eines hochmodernen und selbstständigen Lebens verstanden werden. Hierbei ist der distanzierte Blick auf das Kind auffallend. Insgesamt ist feststellbar, dass die Vermittlung kultureller und moralischer Deutungsangebote und die Wertschätzung der emotionalen Betreuung in den Ratgebern eine unterschiedliche Wertung erleben.

Der Gedanke der prinzipiellen Differenz zwischen dem Erwachsenen und dem Kind, verdeutlicht durch die Positionierung zur Fremdheit des eigenen nahen Kindes, ist ein wiederkehrendes Moment in allen untersuchten Ratgebern. Im Umgang mit dieser von Eltern zunächst nicht erwarteten Distanz unterscheiden sich die Konzepte. Innerhalb einer Auffassung hat sich das Kind anzupassen, in einer anderen liegt der Schwerpunkt auf der Erkenntnis, dass das Unbekannte eine Bereicherung des Lebens ist und in der dritten Variante wird die Fremdheit akzeptiert und geachtet.

Mitunter stellt sich in den Ratgebern ein negatives Bild vom Kind dar, als wäre es von Anfang an sein Bestreben, die soziale Umgebung und seine Eltern zu beherrschen und sich ihnen gegenüber durchzusetzen. Bemerkenswerterweise lässt sich diese Sichtweise bei einem untersuchten Ratgeber (Pelzer und Katjivena) entdecken, der in einem modernen multimedialen Format publiziert wurde und so vermutlich die breiteste meinungsbildende Wirkung erlangen kann.

Primär wird das Kind in der aktuellen Beratungsliteratur als Problemfall dargestellt. Es geht zumeist um eine Lösungsfindung, das Kind ist als Objekt auf einen Ursache-Wirkung-Mechanismus reduziert. Mit Ausnahme in der Funktion als Sinnstifter, treten positive Elemente, wie beispielsweise – das Kind als Gestalter des Familienlebens – explizit nur in einem Ratgeber (Wahlgren) hervor.

Bilder vom Kind sind immer gebunden an eine Familienkonstellation, denn ein Kind ist abhängig von dieser, es kann sich nicht frei von seinen Bezugspersonen entwickeln. Somit ist ein Kindbild auch in ein spezifisches Familienbild integriert. Mittels der Darstellung der verschiedenen Ansätze von Mütter- und Väter-Bildern, konnte der Blick für die Entdeckung verschiedener Familienleitbilder geöffnet werden. In drei Ratgebern (Seybold-Krüger, Pelzer und Katjivena, Wahlgren) werden Familienformen außerhalb des traditionellen Familienleitbildes angesprochen. In zwei weiteren (Largo, Liebich) wird das gesamte Konzept am Entwurf der traditionellen Kernfamilie angelegt. Hierbei wurde deutlich, dass alle untersuchten Ratgeber ihre Familienleitbilder – und somit ihre Kindbilder – mittels der Schablone des traditionellen Familienbildes, der bürgerlichen Kernfamilie, entwerfen. Dieses ist in starker Ausprägung mit einem konservativen Mutterbild verbunden, zu dem sich alle Autoren positionieren. Das erfolgt zum einen durch die wiederkehrende Betonung der engen Mutter-Kind-Bindung und verdeutlicht sich zum anderen dadurch, dass in den meisten Werken signifikant Mütter angesprochen werden. Historisch betrachtet waren schon immer Frauen für die Kindererziehung zuständig und somit die Adressaten der Erziehungsratschläge. Auch wenn heute häufig im Familiendiskurs vom gleichrangigen Interesse der Eltern gesprochen wird, hat sich die traditionelle Ansicht in den untersuchten Elternratgebern nur geringfügig geändert.

Während der Untersuchung der Ratgeberliteratur wurden unter dem hypothetischen Ansatz, dass Elternratgeber auch als ‚Popularisierer’ von akademischem Wissen verstanden werden können, Theorien aus der Kindheitsforschung und Meinungen aus dem Alltagsdiskurs mit den Ratgebertexten in Beziehung gesetzt. Die Annahme, dass vordergründig wissenschaftliche Konzepte von Kind und Kindheit an die Eltern weitergegeben werde, bestätigte sich nicht. Vielmehr traten in den subjektiven Elternschaftskonzepten der Autoren Alltagsvorstellungen, angelehnt an die persönlichen Erfahrungen, das Gesellschaftskonzept und das Menschenbild der Autoren ohne theoretische Bezugnahme in den Vordergrund.

Im Unterschied zu bisherigen Ratgebern äußern sich die Autoren der aktuellen untersuchten Medien nicht explizit dazu, an welche Lesergruppe sie sich wenden. Vielmehr wird der Eindruck vermittelt, als seien alle Eltern eine gemeinsame homogene Zielgruppe. Die Tendenz der Homogenisierung findet ihre Entsprechung in der Konstruktion des Kindbildes als eine weitergehende Generalisierung, in der es kaum um biographische Besonderheiten geht. Dabei werden Kinder zumeist als milieuunabhängig, geschlechtsneutral und in Hinblick auf die Erziehungsabsichten als wohlmeinend dargestellt. Die Gesamtgestaltung des jeweiligen Ratgebers, der Darstellungsstil und die Themenauswahl weisen jedoch darauf hin, dass die Autoren sehr wohl auf eine heterogene, differenzierte Leserschaft abzielen.

In der Untersuchung enthüllten sich gleichermaßen Bilder von Erwachsenen und Bilder über Kinder. Die Auseinandersetzung mit ihren Kindern ist für Erwachsene auch immer eine Beschäftigung mit sich selbst. Ratgeber können als Medium der Selbstvergewisserung, im Rahmen von Kindheit als Dimension der Selbstbezüglichkeit aufgefasst werden. Eltern brauchen Beratung für ihr eigenes Leben, sie suchen Konzepte. Sie lernen sich innerhalb des Erziehungsprozesses selber kennen, verstehen und positionieren. Verunsicherte Persönlichkeiten heilen sich selbst durch die Erziehung ihrer Kinder. Gleichzeitig unterliegen sie aber auch dem Druck der Idee von der optimalen Erziehung mit gelungenen Kindern als Produkt ihrer eigenen Fähigkeiten. Hierbei stehen häufig nicht das Kind und seine Lebenswelt im Zentrum des Interesses, sondern die philosophischen Lebensfragen der Erwachsenen. Dass das Kind selbst in dieser Perspektive leicht aus dem Blick gerät, wurde auch in einigen der analysierten Ratgeber offenbar.

Die vollständige Fassung einschließlich der Literaturangaben ist über die Geschäftsstelle erhältlich.

Uta Rinklebe ist Kinderkrankenschwester und Kulturwissenschaftlerin (M.A.) in Berlin.

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