fK 3/10 Freund

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

„Ist das eigentlich normal?“

Sexuelle Übergriffe unter Kindern erkennen und verhindern

Von Ulli Freund

Sexuelle Übergriffe unter Kindern sind erst seit wenigen Jahren in der pädagogischen Fachdiskussion ein stark beachtetes Thema. Das bedeutet aber nicht, dass es zuvor keine oder weniger sexuelle Übergriffe unter Kindern gegeben hätte. Was sich verändert hat, ist nicht so sehr die Häufigkeit der Übergriffe, sondern die pädagogische Sensibilität dafür.

Ein Großteil der heutigen sexuellen Übergriffe hat so auch schon vor 20, 30 oder 50 Jahren stattgefunden, wurde aber nicht als solche problematisiert und bezeichnet. Vieles was früher als „normal“ unter Kindern galt, benennen wir heute als Gewalt. Das gilt auch für den nicht-sexuellen Bereich: Was wir heute als Gewaltvorfall sanktionieren, der Schulbehörde melden, in Elterngesprächen aufarbeiten und mit pädagogischen Maßnahmen flankieren, nämlich wenn ein Schüler einem anderen die Nase blutig schlägt, war vor 30 bis 50 Jahren der normale hinzunehmende Schul- bzw. Schulwegalltag von Jungen. Was wir heute als sexuellen Übergriff bezeichnen und entsprechend darauf reagieren, wenn z. B. ein Junge einem Mädchen gegen deren Willen unter den Rock fasst, galt früher als Spaß, als jungentypische Verhaltensweise, die höchstens einen kritischen Blick Erwachsener, meist aber Augenzwinkern nach sich zog.

Strohhalm, als Fachstelle für Prävention von sexuellem Missbrauch an Mädchen und Jungen, beschäftigt sich seit einem knappen Jahrzehnt mit „Sexuellen Übergriffen unter Kindern“. Der fachlich gelungene pädagogische Umgang damit ist nämlich eine Form der langfristigen Missbrauchsprävention. Wenn ein Kind einen sexuellen Übergriff erleidet, aber in der Folge erlebt, dass so ein Vorfall nicht übergangen oder bagatellisiert wird, dann stellt diese Erfahrung einen gewissen Schutz vor sexuellem Missbrauch dar. Das Kind lernt, dass seine Grenzen nicht einfach verletzt werden dürfen, dass solche Übergriffe Unrecht sind, an das man sich nicht gewöhnen muss. Es erfährt außerdem, dass es sich lohnt, Hilfe zu holen, weil es Erwachsene gibt, die bereit sind, sein sexuelles Selbstbestimmungsrecht zu schützen. Alles stärkende Botschaften gegen sexuelle Gewalt im weiteren Leben.

Außerdem ist fachgerechte Intervention immer auch ein Stück Täterprävention. Denn stoppt man ein übergriffiges Kind, erfährt es, dass solches Verhalten kein Spaß ist, sondern Unrecht, und deshalb Ärger einbringt. Damit erhält es zugleich die Chance, mit solchem Verhalten aufzuhören. Übersieht man jedoch sein Verhalten und erlebt es keine deutliche Grenzsetzung, besteht die Gefahr, dass das Kind in ein sexuell übergriffiges Verhaltensmuster hineinwächst und dann im Jugend- und Erwachsenenalter strafbare sexuelle Übergriffe begeht.

Entscheidend für die präventive Wirkung ist, dass von Anfang an auf sexuelle Übergriffe reagiert wird, also auch schon bei sehr jungen Kindern. Ca. 70 Prozent unserer Beratungen beziehen sich auf Kinder im Kindergartenalter. Das sollte nicht erstaunen, denn es ist das Alter, in dem Kinder vielfältige Erfahrungen mit Körperlichkeit und so genannten Doktorspielen machen. Es bieten sich anders als im Schulalter deutlich mehr Möglichkeiten für sexuelle Erkundungen und damit auch mehr Möglichkeiten zu sexuellen Grenzverletzungen. Es ist die Phase, wo Kinder nicht nur durch Selbsterfahrungen lernen, sondern auch klare Botschaften und Orientierung für den Bereich Sexualität brauchen. Junge Kinder sollen nicht lernen, dass man sexuelles Interesse mit Macht durchsetzen oder gar Machtbedürfnisse mit sexuellen Mitteln ausleben darf. Die Pädagogik sollte hier einen Gegenentwurf zu den überall präsenten sexualisierten Botschaften der Mediengesellschaft bieten.

Pädagogisch angemessene Begrifflichkeiten fehlten noch zu Beginn der Fachdiskussion. Beschreibungen wie „Doktorspielen, die möglicherweise aus dem Ruder laufen“, „sexuelle Neugier, die vielleicht zu weit geht“ oder gar „Kinder, die andere missbrauchen“ schwankten zwischen Unsicherheit und Unangemessenheit. „Sexuelle Übergriffe unter Kindern“ hat sich inzwischen als Terminus gegen „Sexueller Missbrauch unter Kindern“ durchgesetzt, weil er verdeutlicht, dass die Dynamik der Geschehen nicht vergleichbar ist. Außerdem fördert er die Bereitschaft von Pädagog(inn)en und Eltern, sich dem Thema zu öffnen. Denn spricht man von Missbrauch, spricht man auch von Tätern und Opfern, statt angemessener Weise von betroffenen und übergriffigen Kindern. Die Erfahrung zeigt, dass Begriffe wie Opfer und Täter bei allen Beteiligten leicht Abwehr erzeugen und die Tendenz steigt, die Vorfälle zu verharmlosen (oder gleich wegzusehen) oder dies zu Dramatisierungen und Verteufelungen führt, die eine sinnvolle pädagogische Reaktion auf kindliches Fehlverhalten unmöglich machen.

Ziel des pädagogischen Umgangs ist der Schutz von betroffenen Mädchen und Jungen vor sexuellen Übergriffen und das Entwickeln und Durchführen von wirksamen Maßnahmen für übergriffige Kinder. Anders als bei sexuellem Missbrauch müssen die beteiligten Kinder nicht dauerhaft voneinander getrennt werden. Der Umgang mit sexuellen Übergriffen unter Kindern soll vielmehr dazu beitragen, dass die beteiligten Kinder sich weiterhin begegnen können. Denn die pädagogischen Fachkräfte haben die Möglichkeit auf übergriffige Kinder Einfluss zunehmen und sie zu kontrollieren, was sie gegenüber erwachsenen Tätern niemals können. Nur in Ausnahmefällen ist es notwendig, das übergriffige Kind auf Dauer aus der Kindergruppe zu entfernen.

Ist das ein Übergriff oder eine (unschädliche) sexuelle Aktivität?
Diese entscheidende Frage müssen Erzieher(innen) beantworten können, bevor sie die konkreten Schritte des fachlichen Umgangs unternehmen. Einige Beispiele: (1) Die zweijährige Nelli wird von Max und Noah, beide vier, ins Spielhaus geholt. Sie ziehen ihr die Windel aus und schauen sich ihre Genitalien an. (2) Die beiden vierjährigen Mädchen Mareike und Serpil erlauben sich gegenseitig die Schamlippen einzucremen.
(3) Vor dem fünfjährigen Juri haben die meisten Kinder in der Gruppe Respekt, denn er ist sehr stark. Wer kein Feigling sein will, muss an seinem Penis lecken. (4) Die beiden Dreijährigen Marie und Yusuf vergleichen interessiert die Unterschiede ihrer Harnröhrenöffnungen. Begeistert „prüft“ Marie, ob man die Stelle bei Yusuf zuhalten kann, was dieser erschrocken abwehrt.

In der Praxis gibt es hier große Unsicherheiten mit der Folge, dass manche sexuelle Aktivität unnötig unterbunden wird, häufig aber auch Übergriffe übersehen werden. Die meisten Konflikte zwischen Pädagog(inn)en und Eltern – und das Thema Sexuelle Übergriffe unter Kindern ist ein enorm konfliktbelastetes Thema – haben hier ihre Ursache: nämlich dass Pädagog(inn)en keine fachliche Einschätzung zu treffen vermögen, wo kindliche Sexualität aufhört und sexuelle Übergriffe beginnen, sondern mit persönlichen Einstellungen und Gefühlen argumentieren. Und damit unterscheiden sie sich kaum von den Eltern, die jedoch auf die Fachlichkeit der Erzieherinnen angewiesen wären. Diese Unsicherheit auf Seiten der professionellen Pädagog(inn)en ist jedoch kein persönliches Versagen, sondern hat strukturelle Ursachen: Bis heute werden zukünftige Erzieher(innen) während ihrer Ausbildung nicht auf diese Situationen und die damit verbundenen fachlichen Anforderungen vorbereitet.

Unverzichtbar ist also ein Basiswissen über kindliche Sexualität und die Definition von sexuellen Übergriffen unter Kindern:
Ein sexueller Übergriff unter Kindern liegt dann vor, wenn sexuelle Handlungen durch das übergriffige Kind erzwungen werden bzw. das betroffene Kind sie unfreiwillig duldet oder sich unfreiwillig daran beteiligt. Häufig wird dabei ein Machtgefälle zwischen den beteiligten übergriffigen und betroffenen Kindern ausgenutzt, indem z. B. durch Versprechungen, Anerkennung, Drohung oder körperliche Gewalt Druck ausgeübt wird.

Wenn sexuelle Übergriffe mit Gewalt stattfinden, wenn ein betroffenes Kind protestiert oder sich beschwert, ist es in der Regel unproblematisch, die Unfreiwilligkeit zu erkennen. Wenn ein Kind aber scheinbar freiwillig mitmacht und das sogar beteuert, bei den Pädagog(inn)en aber dennoch ein anderer Eindruck entsteht, brauchen sie viel Fingerspitzengefühl und Kenntnis der Gruppendynamik, um herauszufinden, wodurch das Kind gefügig gemacht wird. Letztlich liegt es in der Verantwortung der Erwachsenen einzuschätzen, ob die Situation freiwillig ist oder nicht. Man darf sich nicht immer darauf verlassen, dass selbst betroffene Kinder die Situation in Ordnung finden. Im Fall (1) war von Gewalt nichts zu merken und Nelli zeigte keine Abwehr. Aber ein Blick auf mögliche Machtgefälle ist hilfreich für die fachliche Einschätzung. Übergriffige Kinder suchen sich meist irgendwie unterlegene Kinder aus und nutzen das bestehende Machtgefälle, um die Unfreiwilligkeit zu manipulieren. Typische Machtgefälle sind: Altersunterschied, Geschlecht, Status in der Gruppe, Sozialer Status, Intelligenz/Behinderung, Migrationshintergrund.

Aufgrund des jungen Alters war Nelli den beiden Jungen deutlich unterlegen. Was die beiden von ihr wollten, war ihr möglicherweise gar nicht klar. Dass jüngere Kinder älteren fraglos gehorchen, weil sie sie bewundern oder fürchten, ist ein vertrautes Phänomen, das dazu führt, dass eine wirksame Zustimmung gar nicht möglich ist. Im Fall 1 handelt es sich deshalb um einen sexuellen Übergriff. Anders beim Fall 2, wo sich zwei Kinder quasi auf Augenhöhe über die Berührung ihrer Genitalien einigen, ohne dass überredet oder anderweitig Druck aufgebaut wird. Hier ist von einer sexuellen Aktivität auszugehen.

Praktizieren Kinder erwachsene Sexualität, bleibt die Definition außer acht: Üben Kinder Geschlechtsverkehr oder ähnliche Handlungen der erwachsenen Sexualität aus, stecken Jungen ihren Penis einem andern Kind in Po oder Scheide, lassen sie an ihrem Penis lecken, wird an der Scheide eines Mädchens geleckt o. ä., stellt das immer einen sexuellen Übergriff dar. Freiwilligkeit und Machtgefälle muss man nicht erörtern, weil diese Handlungen den beteiligten Kindern grundsätzlich schaden und nicht zur kindlichen Sexualität gehören. Die eigene Qualität des sinnlichen Erlebens von Kindern wird damit eingeschränkt oder sogar beendet, es sind Erfahrungen, die die kindliche Psyche schlicht überfordern. Im Fall 3 nutzt Juri seine Autorität in der Gruppe aufgrund seiner körperlichen Überlegenheit aus. Er ist sogar in der Machtposition zu definieren, wer ein Feigling ist. Aber auch ohne diesen Hintergrund handelt es sich um einen Übergriff, weil das Lecken am Penis keine altersangemessene sexuelle Handlung ist.

Sexuelle Übergriffe unter Kindern sind in der Regel eine Form sexueller Gewalt, denn sie haben zwar häufig ein sexuelles Motiv, aber dieses wird mit Macht durchgesetzt (vgl. Fall 1) oder sogar vollkommen von einem Machtmotiv überlagert wie im Fall 3: Juri strebt nach Überlegenheit, indem er andere Kinder mit sexuellen Mitteln abwertet. Eine Ausnahme bilden sexuelle Übergriffe im Überschwang. Hier sprechen wir nicht von sexueller Gewalt, weil das übergriffige Kind allein von seiner sexuellen Neugier und keinem Machtinteresse motiviert ist. Es sind Situationen wie in Fall 4, wo sehr junge Kinder im Rahmen von sexuellen Aktivitäten die Grenzen anderer verletzen und ohne Bedenken ihren Willen durchsetzen, weil es ihnen aufgrund ihres Alters noch schwer fällt, ihre Impulse zu kontrollieren und die Bedürfnisse anderer zu respektieren. Sexuelle Übergriffe im Überschwang sind eher selten. Sie bedeuten jedoch keine Entwarnung: Wie in anderen Bereichen auch müssen Kinder lernen, die Grenzen anderer zu respektieren!

Fachlicher Umgang: Mit den Kindern sprechen
Zunächst verdient das betroffene Kind die ungeteilte Aufmerksamkeit der Pädagog(inn)en. Dafür muss man aber den starken Impuls kontrollieren, sofort mit dem übergriffigen Kind zu reden, um z. B. seinem Ärger Luft zu machen. Um auf sexuelle Übergriffe angemessen reagieren zu können, muss man eine parteiliche Haltung für dieses betroffene Kind einnehmen. Sätze wie „Dazu gehören immer zwei“ haben hier nichts verloren, denn sie unterstellen dem betroffenen Kind eine Mitverantwortung. Es braucht die emotionale Zuwendung eines Erwachsenen, dem es den Vorfall berichten kann, und der ihm glaubt, es tröstet und zeigt, dass es mit diesem Thema nicht lästig ist. Fragen, warum es sich nicht gewehrt hat, müssen vermieden werden. Sie vermitteln dem Kind, sich falsch verhalten zu haben und wecken Schuldgefühle. Man sollte deutlich sagen, dass sich das übergriffige Kind falsch verhalten hat und dass man sich darum kümmern wird, dass so etwas nicht mehr vorkommt.

Das übergriffige Kind wird im Anschluss daran mit seinem Verhalten konfrontiert. Fragen, ob das bisher Gehörte stimmt oder warum es sich so verhalten hat, sollten besser unterbleiben, weil übergriffige Kinder sich eingeladen fühlen, die Situation zu leugnen, anders darzustellen oder sich zu rechtfertigen. Das alles verzögert aber den Prozess der Einsicht und des Mitgefühls – die Voraussetzung zu einer authentischen Verhaltensänderung. Die Erfahrung zeigt, dass betroffene Kinder keinen Grund haben, sich Übergriffe auszudenken, übergriffige Kinder jedoch allen Grund haben, sie zu leugnen. Das übergriffige Verhalten muss bewertet und für die Zukunft strikt verboten werden. Damit das Kind sein Verhalten ändert, braucht es Unterstützung und keine Bestrafung – wohl aber ein Gegenüber, das keinen Zweifel an seiner Entschiedenheit aufkommen lässt. So sollte sich dem Kind vermitteln, dass man nicht seine Person, wohl aber sein Verhalten ablehnt und dass man ihm zutraut das zu verändern. Kommt man zu der Einschätzung, dass dieses ernste Gespräch das übergriffige Kind nachhaltig beeindruckt hat, so dass es keine weiteren sexuellen Übergriffe verüben wird, kann es als Maßnahme genügen. Dies ist gerade bei jüngeren Kindern und Kindern, die zum ersten Mal so aufgefallen sind, möglich. In den meisten Fällen ist es aber erforderlich, weitergehende Maßnahmen zu entwickeln, die das übergriffige Kind von dem Übergriffsverhalten abhalten.

Maßnahmen bei sexuellen Übergriffen unter Kindern
– dienen dem Schutz betroffener Kinder;
– zielen auf Verhaltensänderung durch Einsicht und Einschränkungen (anders Strafen: sie sollen abschrecken);
– schränken das übergriffige Kind ein – nicht das betroffene!
– werden befristet, damit sich die Verhaltensänderung lohnt;
– müssen konsequent durchgeführt und kontrolliert werden;
– brauchen deshalb die Kommunikation und den Konsens im Team, bzw. Kollegium;
– wahren die Würde des übergriffigen Kindes;
– werden von den Pädagog(inn)en entschieden – nicht von Eltern oder betroffenen Kindern.

Im Fall 1 könnte nach einem (wegen der Verantwortungsübernahme getrennt geführten) Gespräch mit beiden Jungen folgende Maßnahme geeignet sein: eine Woche Spielhausverbot, eine weitere Woche lang müssen sie die Erzieherin informieren, wenn sie das Spielhaus, die Toilette oder einen anderen Rückzugsraum aufsuchen wollen. Am Ende der zweiten Woche werden die Kinder gelobt, dass sie sich an die Maßnahme gehalten haben, und gefragt, ob sie sich jetzt allein kontrollieren können oder weiterer Kontrolle bedürfen. Haben sie sich der Maßnahme entzogen, wird sie verlängert und gegebenenfalls der Radius der Kinder noch stärker eingeschränkt.

Kommunikation mit den Eltern der beteiligten Kinder ist unverzichtbar für das Gelingen des fachlichen Umgangs. Transparenz ist das oberste Gebot. Wenn Eltern betroffener Kinder den Eindruck haben, der Vorfall wird unter den Teppich gekehrt, reagieren sie meist sehr emotional. Sie identifizieren sich mit ihrem Kind und befürchten, dass die Interessen ihres Kindes dem guten Ruf der Einrichtung geopfert werden sollen. Ähnlich aufgebracht sind Eltern übergriffiger Kinder, wenn sie gerüchteweise vom Verhalten ihres Kindes hören, wenn alle anderen Eltern schon vor ihnen Bescheid wussten und die Institution es nicht für nötig hielt, sie zu informieren. Eine Einrichtung läuft bei mangelnder Kommunikation Gefahr, das Vertrauen von Eltern zu verlieren, das sich so schnell nicht zurück gewinnen lässt. Für die Einbeziehung der Eltern gibt es eine Ausnahme: Besteht der Verdacht, dass das Kind zu Hause sexuelle Gewalt erfährt, sind die Eltern nicht zu informieren, sondern ist eine Fachberatungsstelle einzuschalten.

Ein Gespräch mit der Kindergruppe über den sexuellen Übergriff und die verhängten Maßnahmen zu führen, bedeutet, eine Chance zur Prävention zu nutzen. Denn die Kinder lernen so, dass man mit solchem Verhalten nicht durchkommt, sondern Konsequenzen zu erwarten hat. Und sie erfahren außerdem, dass die Erzieher(innen) dieser Einrichtung ihre Verantwortung ernst nehmen, so dass es Sinn macht, sich zu beschweren oder Hilfe zu holen. Durch das Gespräch mit der Gruppe darf die Intimsphäre des betroffenen Kindes aber nicht erneut verletzt werden. Es genügt, die beteiligten Kinder zu nennen und den Übergriff dem Wesen nach zu beschreiben. Sensibilisiert durch den Vorfall sollte man mit den Kindern Regeln absprechen, die Orientierung für den körperlichen Umgang, für Berührungen, Nacktsein und Schmusespiele geben.

www.strohhalm-ev.de

Ulli Freund ist Diplom-Pädagogin und pädagogische Mitarbeiterin bei Strohhalm e.V. in Berlin.

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