fK 1/08 Heindel

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Von der Muttermilch zum ersten Brei
LLL-Stillgruppen als Informationsquelle

von Kristina Heindel

Mutter Natur hat es so eingerichtet, dass jedes Säugelebewesen genau die Milch produziert, die seine Nachkommen benötigen, um zu überleben. Der Mensch ist da keine Ausnahme, und darum steht außer Frage, dass Muttermilch das Beste ist, was ein Menschenkind in seinen ersten Lebenswochen und -monaten zu sich nehmen kann.

Mittlerweile ist klar: Muttermilch ist aufgrund ihrer Zusammensetzung und Verträglichkeit die optimale Nahrung für einen Säugling. Das Eiweiß ist arteigen und leicht verdaulich und die Muttermilch enthält zudem eine bedeutende Menge und Vielfalt an Enzymen, lebenden Zellen, Wachstumsfaktoren und Hormonen, die nicht primär der Ernährung dienen. Kohlehydrate sind enthalten in Form von Milchzucker (Lactose), die viel Energie liefert und mit einem hohen Anteil an über 130 bislang identifizierten Oligosacchariden am Aufbau einer gesunden Darmflora beteiligt ist. Gut die Hälfte der benötigten Energie erhält ein Baby durch das Fett, das die Muttermilch liefert. Zudem weist Muttermilch einen hohen Gehalt auf an mehrfach und einfach ungesättigten Fettsäuren, sowie an Omega-3-Fettsäuren, die der Organismus des Säuglings noch nicht alleine synthetisieren kann. Es verwundert nicht, dass auch die Versorgung mit Mineralstoffen und Vitaminen (mit Ausnahme von Vitamin D und K) durch Muttermilch sichergestellt ist. Die Tatsache, dass Muttermilch zu Beginn einer Stillmahlzeit eher wässrig und im Verlauf dann immer fetthaltiger wird, ermöglicht es, auch nur den Durst zu stillen, wenn etwa an warmen Tagen oder bei Krankheit das Kind mehr Flüssigkeit benötigt.

Über diese Details denkt natürlich nicht jede Frau nach, die beschließt, ihr Baby nach der Geburt zu stillen. Für sie ist es ausschlaggebend, dass Stillen die natürlichste und (im Regelfall) eine unkomplizierte Methode ist, ihr Baby zu ernähren. Sie weiß vielleicht, dass ihr Kind durch das Stillen vor bestimmten Infektionskrankheiten geschützt wird, dass es eine höhere Wahrscheinlichkeit hat, später nicht übergewichtig zu werden, und dass ihre Milch daran beteiligt sein wird, sein Immunsystem zu unterstützen und zu entwickeln. Auch kennt sie die Vorteile für ihre eigene Gesundheit, etwa die schnellere Rückbildung der Gebärmutter und dadurch bedingt einen geringeren Blutverlust nach der Geburt. Das frühe Anlegen möglichst innerhalb der ersten Stunde nach der Geburt und der enge körperliche Kontakt, der beim Stillen quasi zwangsläufig entsteht, fördert eine gute Mutter-Kind-Bindung, stärkt das Selbstbewusstsein der jungen Mutter und nimmt ihr Unsicherheiten.

Mittlerweile möchten fast alle Mütter ihre Babys stillen, doch die Tatsache, dass sehr viele von ihnen bereits in den ersten Tagen und Wochen aufgeben, zeigt, dass oft kompetente Unterstützung nötig ist, um Anfangsschwierigkeiten zu überwinden. Diese Unterstützung finden Schwangere und junge Mütter unter anderem bei den Stillberaterinnen und in Stilltreffen von La Leche Liga Deutschland e.V. (LLLD). Die La Leche Liga Deutschland arbeitet gemeinsam mit allen anderen Vereinen und Organisationen zur Stillförderung in Deutschland daran, dass das Stillen wieder das wird, was es eigentlich ist: Die natürlichste, selbstverständlichste und beste Art, das eigene Kind zu ernähren.

LLLD wurde 1977 gegründet und ist ein Teil der weltweiten, gemeinnützigen Organisation La Leche League International (LLLI), deren Gedankengut in den siebziger Jahren über amerikanische Frauen in den Militärstützpunkten nach Deutschland gelangt war. Diese mittlerweile so bedeutende Selbsthilfeorganisation entstand 1956 in den USA, als sieben Frauen, die selbst zunächst mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten, beschlossen, ihren Freundinnen, die bisher beim Stillen nur Fehlschläge erlitten hatten, zu helfen. Unterstützt von zwei Ärzten, die ihnen die Informationen über die medizinischen Aspekte des Stillens lieferten, luden sie interessierte Mütter ein, gesicherte Informationen, Ermutigung und Unterstützung auf einer persönlichen Ebene zu erhalten. Heute gilt die La Leche Liga als die international anerkannte Autorität auf dem Gebiet des Stillens und wird von Müttern, Vätern, medizinischen Fachleuten und Laktationsberaterinnen wegen ihres Stillwissens kontaktiert. Die La Leche Liga International hat eine beratende Stimme bei UNICEF und WHO und ist Gründungsmitglied der WABA (World Alliance for Breastfeeding Action). Die jährlich in Nordamerika von der La Leche Liga durchgeführten Seminare für Ärzte und Ärztinnen sind von renommierten ärztlichen Fachgesellschaften anerkannt und werden von medizinischen Fachleuten aus der ganzen Welt besucht. Zweimal jährlich finden Workshops für Laktationsspezialist(inn)en statt, die als wichtige Weiterbildung gelten.

Das Prinzip der Unterstützung von Mutter zu Mutter jedoch hat sich bis heute erhalten, und wird in den zur Zeit etwa 130 Stillgruppen in Deutschland ebenso gelebt wie in den anderen 3.000 Gruppen in 66 Ländern der Welt. Zusätzlich zu diesen Gruppentreffen beraten die ehrenamtlich aktiven LLL-Frauen auch per E-Mail und Telefon, 2007 waren es allein auf diesen Wegen fast 15.000 Beratungen.

LLL-Stillgruppen treffen sich monatlich und tauschen Informationen und Erfahrungen aus; Eltern können ihre eigenen Fragen und Probleme diskutieren und von den anderen Müttern oder Vätern hilfreiche Vorschläge und Anregungen bekommen. Meistens finden die Treffen bei einer Gruppenmutter zu Hause oder an einem anderen leicht zugänglichen Treffpunkt statt. Die leitenden Stillberaterinnen sind Mütter mit eigener Stillerfahrung, die von der LLL ausgebildet wurden und sich für ihre Tätigkeit ständig weiterbilden. Die Themen folgen einem vorgegebenen Plan und decken die wichtigsten praktischen, körperlichen und psychologischen Aspekte der Stillzeit ab. Und da die Stillzeit im Idealfall nicht mit dem Einführen der Beikost beendet wird, sondern gemäß den Empfehlungen von WHO und UNICEF bis über das zweite Lebensjahr hinausgeht – vorausgesetzt, Mutter und Kind möchten dies – steht auch das Thema „gesunde Ernährung auch nach der Stillzeit“ regelmäßig auf dem Programm.

Vor 40 Jahren wurde zum Beispiel noch empfohlen, Säuglingen schon ab einem bis drei Monaten Beikost zuzufüttern. Die medizinische Forschung und ihre Erfahrungen, dass bei allzu frühem Zufüttern die Milchproduktion zurückgeht, bewogen die Gründerinnen der LLL dazu, anderes zu raten: Beikost sollte möglichst erst mit sechs Monaten eingeführt werden. Heute hat sich diese Empfehlung auch außerhalb von LLL durchgesetzt. Und wer stolz darauf ist, sein Baby in den ersten Monaten mit der besten Nahrung überhaupt versorgt zu haben, möchte auch danach wissen, wie das Kind gesund ernährt werden kann, wie viel es wann überhaupt essen sollte, und wie man mit Babys umgeht, die sich mit der Beikost schwer tun. All dies, und vieles mehr, erfahren Eltern in den Stilltreffen der LLL.

La Leche Liga Deutschland e.V.
Gesellenweg 13, 32427 Minden
Tel.: 0571-4 89 46, Fax: 0571-40 49 480
E-Mail: info@lalecheliga.de (für Vereinsfragen)
E-Mail-Beratung: beratung@lalecheliga.de
www.lalecheliga.de

Kristina Heindel ist 2. Vorsitzende von La Leche Liga Deutschland e.V.

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