fK 6/03 Bouwman

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Aotearoa – Land der langen weißen Wolke

Interkulturelle Angebote in der Edgecumbe Primary School in Neuseeland

von Marloes Bouwman

Neuseeland, multikulturelles Land im Pazifik. Ein Land, das früher den Maoris gehörte, dann von Großbritannien kolonisiert wurde und heute unabhängig ist. Rund 15 Prozent der neuseeländischen Bevölkerung stammt von den Maoris ab. Alle Nicht-Maori werden als Pakeha bezeichnet. Neuseeland hat zwei offizielle Amtssprachen: Englisch und Te Reo Maori.

Auch wenn es nicht immer so gewesen ist, bekommen die ursprünglichen Bewohner Neuseelands, die jetzt zu den ethnischen Minderheiten gehören, heute die Chance, ihre eigene Sprache, Kultur und Lebensweise auszuüben, zu vertiefen und zu verbreiten. An zahlreichen Orten im Land wurden Maori-Kindertageseinrichtungen und Bildungszentren wie „Kohanga Reo“ (Sprachennester) und „Rumaki“ (Maori-Grundschulklassen) gegründet.

Dort wo die beiden Kulturen Maori und Pakeha zusammenkommen, konnte ich im Jahr 2001 vier Monate lang Praxiserfahrungen sammeln. Ich arbeitete in einer Grundschule, an die neben dem klassischen Bildungskonzept eine Montessori-Abteilung und eine Abteilung für Bildung in Maori-Sprache und -Kultur angegliedert war. In den Maori-Räumen wird in der Maori-Sprache gelehrt. Musik, Tanz und Kunst nehmen einen breiten Raum ein. Hinzu kommt die Vermittlung des kosmologischen Weltbilds der Maori-Kultur, um die kulturelle Identität der Kinder zu stärken.

Mit den Kindern ab etwa drei Jahren wird in den „Kohanga Reo“ ausschließlich Te Reo Maori gesprochen, um ihnen die Chance zu geben die Sprache zu erlernen. Nicht bei allen Kindern nämlich wird zu Hause Maori gesprochen. Die älteren Kinder lernen hauptsächlich in Maori, obgleich ihnen auch englische Materialien zur Verfügung stehen. Beeindruckend ist, dass sich die Kinder in der Maori-Abteilung trotz des geringen Angebots in Englisch in beiden Sprachen ausdrücken können.

Auch Kinder ohne Maori-Hintergrund besuchen die Maori-Abteilung: „Wir finden es wichtig, dass unser Kind die Werte, Sprache und Kultur der Ureinwohner dieses Landes kennen lernt,“ erläutert ein Pakeha-Elternteil.

Auch in den Montessori-Räumen spielt interkulturelle Erziehung eine große Rolle. Die Kinder lernen spielerisch Te Reo Maori. Durch das Erzählen von Mythen und Legenden über den Ursprung der Maori-Kultur und anderer Kulturen, im Kunstunterricht und durch regelmäßigen Austausch mit den Rumaki-Räumen können sie Maori allmählich immer besser verstehen. Höhepunkt ist der jährliche Besuch der Marae, einem Kultur- und Begegnungshaus der Maori-Gemeinde.

In der Edgecumbe Primary School findet interkulturelle Erziehung nicht nur über die Lerninhalte statt. In den Pausen sieht man Kinder aus drei unterschiedliche Bildungskulturen auf dem Spielplatz friedlich zusammen spielen. „Wir gehören alle zusammen, weil wir zusammen eine Schule bilden,“ erklärt eines der Kinder. Es ist eine Vielfalt an Sprachen zu hören, da es innerhalb der Schule verschiedene ethnische Hintergrunde gibt. Durch die Offenheit von Mitschülern und Eltern werden andere Kulturen auf lebendige Art den Kinder nahe gebracht. Es werden Feste gefeiert und Geschichten erzählt. Zur Überzeugung der Schule gehört es, dass jede(r) anders ist, aber dadurch nicht schlechter oder besser.

Marloes Bouwman ist Montessori-Grundschullehrerin und -Erzieherin. Sie studiert interkulturelle Kommunikation und Europastudien in Fulda

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