fK 6/03 Ane

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Von wegen, es ist nur ein Kind

Elternbriefe in türkischer Sprache helfen bei der Erziehung in der Migration

Migration bedeutet Leben in verschiedenen Kulturen, bei dem unterschiedliche, manchmal widersprüchliche Werte ausbalanciert werden müssen. Das führt vor allem bei der Kindererziehung oft zu Unsicherheiten: Herkömmliche Verhaltensweisen passen nicht mehr, neue sind noch fremd und ungeübt.

In insgesamt neun türkisch-deutschen Elternbriefen greift der Arbeitskreis Neue Erziehung Fragen auf, die Migrantenfamilien unter den Nägeln brennen:

Die ersten Monate mit dem Kind: Wie kann ich es gesund ernähren? Wie können wir seine Entwicklung fördern?

Sprachentwicklung: Welche Sprache(n) soll unser Kind lernen? Welche Sprache(n) sollen wir zuhause sprechen?

Wie unterstützen wir die Selbständigkeit unseres Kindes? Wie gehen wir mit Trotzanfällen um?

Wie können wir unserem Kind Grenzen zeigen? Wie lernt es, sich an Abmachungen zu halten?

Unser Kind bekommt ein Geschwisterchen: Wie bereiten wir es vor? Was tun, wenn die Geschwister streiten?

Soll unser Kind in den Kindergarten gehen? Ab wann? Was lernt es dort? Wird es sich durch die neuen Kontakte und Erfahrungen entfremden?

Was bedeutet Heimat für uns – und was für unser Kind? Was soll unser Kind über unsere frühere Heimat wissen?

Gewaltfreie Erziehung: Das Kind lieben und respektieren.

Auf diese und viele andere Fragen geben die Briefe Antworten, ohne Eltern zu bevormunden. Ziel der Briefe ist es, türkische Eltern in Deutschland mit den Erziehungsvorstellungen in ihrer neuen Heimat vertraut zu machen, ihnen Verhaltensalternativen aufzuzeigen und die Ressourcen zu aktivieren, die in einem Leben in zwei Kulturen liegen. Das Konzept für die einzelnen Briefe wurde im Dialog mit Eltern und in Zusammenarbeit mit türkischen und deutschen Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis erarbeitet. Der türkische Schriftsteller und Kinderbuchautor Kemal Kurt hat daraus eine Fortsetzungsgeschichte aus dem Leben einer jungen türkischen Familie gemacht, die zwischen den unterschiedlichen Erziehungskonzepten und Lebensgewohnheiten von Mehrheitsgesellschaft und Minderheiten vermittelt. In Hülya, Oktay und ihrer kleinen Tochter Canan erkennen die Leserinnen und Leser Teile ihres eigenen Familienalltags wieder.

1997 und 2001 führte das Zentrum für Türkeistudien zwei Befragungen zu den Erziehungsvorstellungen türkischer Eltern in Deutschland sowie zur Rezeption der türkisch-deutschen Elternbriefe durch, die eine große Übereinstimmung mit den von Hülya transportierten Erziehungsvorstellungen überein. Der zweisprachige Ansatz wurde als Zeichen der Wertschätzung durch die Mehrheitsgesellschaft ergab. Der narrative Stil entspricht den türkischen Rezeptionsgewohnheiten, der zweisprachige Ansatz wird als Zeichen der Wertschätzung durch die Mehrheitsgesellschaft verstanden.

In den nächsten 3 Jahren werden 7 weitere zweisprachige Elternbriefe für Eltern von Kindern im Alter von 6-14 Jahren entwickelt. Der Schriftsteller und Kinderbuchautor Habib Bektas wird in Kürze erzählen, wie Hülya’s und Oktay’s Tochter Canan in der Schule anfängt, wie die junge Familie die neue Situation meistert, mit welchen Problemen sie konfrontiert werden und wie sie sie lösen….

Über 700.000 türkisch-deutsche Elternbriefe wurden inzwischen bundesweit verteilt. Über die reine Elternbildung hinaus eignen sie sich auch für den interkulturellen Dialog sowie für Aus- und Fortbildungszwecke. Weil ihre Inhalte für viele (vor allem Mütter) spannender und interessanter sind als übliche Lernmaterialien, werden sie auch in Deutschkursen für Frauen türkischer Herkunft eingesetzt. Die vollständigen Brieftexte sind im Internet unter: www.ane.de

Arbeitskreis Neue Erziehung e.V.
Dudu Sönmezcicek
Boppstr. 10, 10967 Berlin
Tel.: 030-259006-23
E-Mail: sonmezcicek@ane.de

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