fK 4/06 Tietze Taubert

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Pädagogische Qualität in der Kindertagespflege

von Wolfgang Tietze und Steffen Taubert

Nach dem Willen des Bundesgesetzgebers soll der Tagespflege bei der Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern, speziell unter drei Jahren, ein größerer Stellenwert zukommen (Tagesbetreuungsausbaugesetz). Die Qualität dieser Betreuungsform wie auch die Möglichkeiten ihrer Verbesserung sind bisher wenig untersucht. Vor diesem Hintergrund mögen die Ergebnisse einer Tagespflegeuntersuchung in Brandenburg einige Aufschlüsse liefern.

An der Untersuchung, die im Jahr 2005 durchgeführt wurde, nahmen insgesamt 70 Tagespflegestellen teil, wovon 41 bereits im Jahr 2001 untersucht worden waren. Bei der Auswahl der Tagespflegestellen wurde auf eine möglichst breite Verteilung über das Land Brandenburg, wie auch auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Stadt und Land Wert gelegt. Im Zentrum der Untersuchung stand ein Besuch in den Tagespflegestellen, bei dem die Arbeit der Tagesmütter anhand des standardisierten Beurteilungsverfahrens „Tagespflege-Skala (TAS)“ (vgl. Beitrag Gerszonowicz, in diesem Heft) und anhand weiterer wissenschaftlicher Verfahren beobachtet wurde. Zusätzlich wurden Informationen zu den Rahmenbedingungen der Tagespflegestellen, den Kindern, der Arbeit und Aspekte der Arbeitsplatzzufriedenheit erfasst.

Rahmenbedingungen der Tagespflegestellen
Bei gut der Hälfte der Tagesmütter sind bis zu vier Kinder angemeldet. Die meisten Tagesmütter (41 Prozent) betreuen fünf Kinder. Eine gemeinsame Betreuung eigener und fremder Kinder ist bei 10 Prozent der Tagespflegestellen gegeben. Fast 20 Prozent der Tagesmütter geben an, die Tagespflege gemeinsam mit einer anderen Person zu realisieren. Die Tagesmütter der Untersuchung sind zwischen 21 und 65 Jahre alt, mit einem Durchschnittsalter von 42 Jahren. Es findet sich damit die gesamte Altersspanne wie bei anderen Erwerbstätigen auch. Rund drei Viertel aller Tagespflegestellen sind 2000 oder später eröffnet worden. Bis auf zwei der untersuchten Tagespflegestellen arbeiten alle fünf Tage in der Woche, von Montag bis Freitag. Infolge unterschiedlicher Betreuungszeiten der Kinder beträgt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Tagesmütter 47,5 Stunden, also fast ein Viertel mehr als in üblichen Vollzeitbeschäftigungsverhältnissen. Als frühester Beginn der Betreuungszeit ist 4 Uhr morgens, als spätester 10.30 Uhr zu verzeichnen. Das späteste Ende der Betreuungszeit für ein Kind liegt bei 21.00 Uhr. Die Tagespflege deckt damit ein deutlich breiteres Spektrum an Betreuungszeiten ab, als dies bei der institutionellen Betreuung der Fall ist.

Prozessqualität
Rund drei Viertel der untersuchten Tagespflegestellen weisen ein mittleres/mittelmäßiges Qualitätsniveau auf. Bei 10 Prozent der Tagespflegestellen ergibt sich eine unzureichende Qualität. Bei knapp 15 Prozent konnte eine gute bis sehr gute pädagogische Prozessqualität, gemessen mit der Tagespflegeskala (TAS) festgestellt werden.

Die Unterschiede in der Prozessqualität (TAS) sind groß. Tagespflegebetreute Kinder treffen damit in Bezug auf ihre Bildungsförderung auf sehr unterschiedliche pädagogische Umwelten. Die Untersuchungskriterien für die pädagogische Prozessqualität werden von den Tagesmüttern selbst als außerordentlich wichtig für die pädagogische Arbeit beurteilt, haben also auch in den Augen der Tagesmütter hohe Validität.

Als rundherum gut erweist sich die pädagogische Atmosphäre in den Tagespflegestellen, die Organisation eines pädagogisch geordneten Tagesablaufs und die Zusammenarbeit mit Eltern. Unzureichende Qualität findet sich – bei strengen Kriterien – häufig in den Bereichen Sicherheit und Hygiene, wie auch bei der Förderung von Toleranz und der Akzeptanz von Verschiedenartigkeit und Individualität. Auf niedrigem Niveau befinden sich ebenfalls Lernaktivitäten in verschiedenen Bereichen wie Sprachverstehen, künstlerisches Gestalten, kognitive Anregungen, körperliche Bewegung und Auge-Hand-Koordination, verschiedene Aspekte der Bildungsförderung im engeren Sinn.

Veränderungen bei den Tagespflegestellen
Die Gruppe der im Jahr 2005 erstmals untersuchten und meist erst nach 2001 gegründeten Tagespflegestellen unterscheidet sich in der pädagogischen Prozessqualität nicht von den 2001 untersuchten Tagespflegestellen (Vergleich zweier Querschnitte). Die 41 bereits im Jahr 2001 untersuchten Tagespflegestellen, die wieder erreicht werden konnten, tendierten mit einem TAS-Mittelwert von 4,1 gegenüber 3,7 bei den ausgeschiedenen zu einer höheren Prozessqualität. Das Ergebnis spricht dafür, dass die besseren Tagespflegestellen „im Geschäft“ bleiben. Ebenfalls schneiden die verbliebenen Tagespflegestellen in einer Reihe von Strukturmerkmalen tendenziell günstiger ab.

Zufriedenheit der Tagesmütter
Die Tagesmütter zeigen im Allgemeinen ein hohes Ausmaß an Arbeitszufriedenheit. Das Arbeitsklima und das emotionale Wohlbefinden werden hoch bewertet, ebenso die eigene Entfaltungsmöglichkeit, die Kontrolle über die eigene Arbeit und die pädagogischen Gestaltungsmöglichkeiten. Die Arbeit wird in hohem Grade als sinnhaft erlebt. Deutlich niedriger fällt die Zufriedenheit mit den Möglichkeiten zum fachlichen Austausch und zur Weiterbildung aus. Im Vergleich mit anderen Aspekten ihrer Arbeit sind die Tagesmütter mit der Anerkennung ihrer Arbeit als Tagesmütter nicht so zufrieden; Gleiches gilt für ihre Arbeitszeiten. Arbeits- und Stressbelastung äußern die Tagesmütter in eher geringem Grade; Gleiches gilt im Hinblick auf gesundheitliche Beschwerden bei der Arbeit.

Ausblick
Das Land Brandenburg hat die Tagespflege als bewusste Option bei der Bildung, Betreuung und Erziehung von Kindern unter drei Jahren im Kontext der Novellierung seines Kita-Gesetzes im Jahr 2000 eingeführt und ist an guter Qualität nachhaltig interessiert.

Die bislang in der Bundesrepublik einmalige Möglichkeit des Qualitätsvergleichs über vier Jahre hinweg deutet darauf hin, dass es offensichtlich nicht gelungen ist, den vergleichsweise guten Start produktiv für eine weitere Qualitätsverbesserung nutzbar zu machen. Die Ergebnisse zeigen eine Stagnation auf einem alles in allem mittelmäßigen Niveau an, das als Ausgangsniveau akzeptabel ist, aber im weiteren Verlauf der Entwicklung des Systems nicht befriedigen kann.

Die Ergebnisse sprechen für die Entwicklung und Implementation eines systematischen Qualitätsentwicklungsprogramms. Ziel sollte sein, in Zukunft einen substanziellen Anstieg des durchschnittlichen Niveaus pädagogischer Prozessqualität in den Tagespflegestellen des Landes zu erreichen, vor allem auch die starken Qualitätsunterschiede zwischen den Tagespflegestellen zu reduzieren und den Tagespflegestellen mit nachweisbar unzureichender Qualität Möglichkeiten der systematischen und nachhaltigen Qualitätsentwicklung anzubieten. Zu überlegen wäre auch, gute Qualität durch eine Gütesiegel nach außen auszuweisen, auch als Sicherheit für Eltern, die ihr Kind einer Tagespflegestelle anvertrauen.

Die Literaturangaben sind über die Geschäftsstelle erhältlich.

Prof. Dr. Wolfgang Tietze ist Hochschullehrer für Erziehungswissenschaft am Institut für Kleinkindpädagogik an der Freien Universität Berlin.

Dr. Steffen Taubert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kleinkindpädagogik an der Freien Universität Berlin.

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