fK 4/06 Oberhuemer

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Steuerung pädagogischer Qualität in ausgewählten EU-Staaten

von Pamela Oberhuemer

In diesem Beitrag werden Ansätze der Steuerung und Sicherung pädagogischer Qualität in Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Irland und Schweden dargestellt. Es sind Länder mit unterschiedlich organisierten Systemen der Bildung, Erziehung und Betreuung für Kinder vom ersten Lebensjahr bis zur Einschulung. Im Rahmen dieser diversen systemischen Arrangements und der Traditionen, Philosophien und politischen Begründungsmuster, die ihnen zugrunde liegen, sind durchaus unterschiedliche Formen der Qualitätssteuerung frühpädagogischer Praxis entstanden. Ich will versuchen, einige Steuerungsmuster und Steuerungsverständnisse herauszuarbeiten.

Strategien zur Sicherung und Verbesserung pädagogischer Qualität in Kindertageseinrichtungen können mit zwei grundsätzlich unterschiedlichen Zugängen ansetzen. Der erste betrifft die Steuerungsebene der qualitätssichernden Ressourcen und Rahmenbedingungen. Dazu gehören politische und trägerspezifische Entscheidungen über das Qualifikationsniveau des Fachpersonals, über den Personalschlüssel, über die Programmregulierung, über Raum- und Materialausstattung, über professionelle Entwicklungsstategien, oder über beratende und stützende Fachdienste.

Die zweite Steuerungsebene ist die der Qualitätskontrolle bzw. der Steuerung durch Evaluation. Hier setzen Strategien zur Sicherung und Verbesserung pädagogischer Qualität an beobachtbaren Prozessen und feststellbaren Ergebnissen pädagogischer Praxis an. Es werden Qualitätsziele und Qualitätskriterien festgelegt, die durch bestimmte Evaluationsverfahren überprüft werden. In diesem Beitrag werde ich mich auf beide Ebenen beziehen, denn schließlich ist es die Synergie verschiedener Strukturbedingungen, Ressourcen, Personalkompetenzen und Evaluationsansätze, die die Qualität der pädagogischen Arbeit sichert.

Steuerung durch das Qualifikationsniveau der (Gruppen-)Leitung
Entscheidend für eine professionelle Moderierung pädagogischer Prozesse in der Kindergruppe sind die Fachkompetenzen des Personals. Das Ausbildungsniveau der pädagogischen Fachkräfte ist ein zentraler Faktor der Input-Steuerung mit Blick auf pädagogische Qualitätssicherung. In den fünf Ländern, die wir im Visier haben, sehen die Qualitätsstandards hier unterschiedlich aus.

Nur Dänemark und Schweden – entsprechend dem jeweils praktizierten integrierten Organisationsmodell für Tageseinrichtungen für die 0- bis 6-Jährigen – gehen den konsequenten Weg, eine Hochschulausbildung für die Gruppenleitungsfunktion mit allen Altersgruppen vor der Einschulung zu fordern. In beiden Fällen dauert die Ausbildung dreieinhalb Jahre. Während sie in Dänemark für eine ganze Bandbreite sozialpädagogischer Arbeitsfelder außerhalb des schulischen Bildungssystems qualifiziert, zielt sie in Schweden auf eine Arbeit in Settings innerhalb des Bildungssystems – in Vorschulen, Schulen und schulergänzenden Einrichtungen.

In Frankreich und Irland mit ihren getrennten administrativen Zuständigkeitsbereichen für Kindertagesbetreuung und Elementarbildung gibt es keine einheitlichen Anforderungen an das Qualifikationsniveau der Fachkräfte. Voraussetzung für eine Gruppenleitung in den vorschulischen Bildungseinrichtungen – in Frankreich in den Écoles maternelles für die Drei- bis Sechsjährigen, in Irland in den nichtpflichtigen Vorschulklassen an Grundschulen für Vier- und Fünfjährige – ist eine universitäre Hochschulausbildung. In den Betreuungssektoren der beiden Länder sehen die Ausbildungsanforderungen, vor allem in Irland, anders aus. Hier werden die Betreuungsangebote außerhalb des Bildungssystems nicht wie in Frankreich in der Mehrzahl staatlich reguliert und finanziert, sondern vorwiegend privat organisiert. Qualitätsdifferenzen zwischen den Angeboten sind erheblich – wie auch in anderen Systemen mit einem hohen Anteil privater Anbieter. Die Fachkräfte haben in der Mehrzahl ganz unterschiedliche Abschlüsse auf einem formal wesentlich niedrigeren Niveau als dem der Vorschullehrkräfte im Bildungssystem.

Großbritannien – und ich beziehe mich hier vor allem auf England – befindet sich seit etwa sieben Jahren im Übergang von einem System der parallelen und unterschiedlich geregelten Angebote für die unter Fünfjährigen zu einem integrierten Ansatz. Seit Ende der 1990er Jahre zielt eine Reihe von Regierungsinitiativen auf die Etablierung eines koordinierten Systems der Qualitätssteuerung, sowohl auf nationaler als auch auf regionaler Ebene. Entsprechend den getrennten Zuständigkeiten der Vergangenheit sehen die Ausbildungsanforderungen in Großbritannien ähnlich vielschichtig aus wie in Irland. Während die Kernfachkräfte in den staatlich finanzierten nursery schools und Vorschulklassen an Grundschulen eine drei- oder vierjährige Universitätsausbildung haben, gibt es allein für die Leitungskräfte in sämtlichen anderen Tageseinrichtungen 63 verschiedene akkreditierte Qualifikationen unterhalb des Hochschulniveaus.

Steuerung durch Personalschlüssel und Gruppengröße
Der Personalschlüssel bzw. die Personal-Kind-Relation gelten – zumindest in westlichen Ländern – als zentrale Voraussetzungen für die Qualität der pädagogischen Arbeit. Zahlreiche amerikanische Studien deuten auf positive Auswirkungen einer günstigen Personal-Kind-Relation auf die Qualität der Interaktion zwischen Fachkraft und Kind hin. Allerdings können Personalschlüssel oder Gruppengröße nicht als isolierte Qualitätsmerkmale betrachtet werden. Sie sind immer auch in Verbindung zum Qualifikationsniveau der Fachkräfte und zu anderen Rahmenbedingungen zu sehen.

In Schweden, Dänemark und Frankreich gibt es keine festgelegten Höchstwerte für die Personal-Kind-Relation. Diese fallen trotzdem in Schweden und Dänemark günstig aus, in Frankreich ungünstig. In Schweden stehen – bezogen auf die Altersgruppe der Ein- bis Fünfjährigen – 2,75 Erwachsene 17,5 Kindern gegenüber. In Dänemark liegt der Durchschnittswert in den Kindergärten für Drei- bis Fünfjährige bei einer qualifizierter Fachkraft zu etwa zehn Kindern, oder einer Beschäftigten zu etwa sechs Kindern. In Frankreich dagegen lag der Durchschnitt im Jahr 2002 bei einer Fachkraft zu 25,5 Kindern. Tabelle 1 zeigt die Personal-Kind-Relation bei Vierjährigen in 21 Staaten bzw. Regionen.

Steuerung durch curriculare Rahmenpläne
Im Rahmen von bildungspolitischen Systemreformen der letzten Jahre wurden in vier der fünf Länder curriculare Rahmenpläne für die Elementarbildung eingeführt. In Schweden (1998) und Dänemark (2004) zielen diese – nach dem integrierten Organisationskonzept – auf die pädagogische Arbeit mit Ein- bis Sechsjährigen. In England wird unterschieden zwischen einem gesetzlich verbindlichen Curriculum für die Drei- bis Sechsjährigen (2000) und einem nicht verbindlichen Rahmenkonzept für die unter Dreijährigen (2002). Auch Frankreich hat – entsprechend der Zuständigkeitsteilung – zwei unterschiedliche Rahmenpläne, erstmalig seit 2000 für die Arbeit mit unter Dreijährigen. In Irland sind curriculare Entwürfe derzeit in der Entwicklung bzw. Erprobung.

Diese Form der Steuerung pädagogischer Qualität durch Rahmencurricula hat verschiedene Gesichter. In Dänemark und Schweden werden schmale Dokumente bevorzugt, mit relativ abstrakt formulierten Zielvorgaben. In England und Frankreich sind die Rahmenpläne wesentlich detaillierter und wesentlich präskriptiver. Während in Schweden die Ziele als anzustrebende Ziele formuliert werden, orientieren sich die early learning goals des englischen Curriculums eher an einem Ergebnisprofil. Auch in Frankreich werden im aktualisierten Bildungsplan für die écoles maternelles zum ersten Mal spezifische Leistungserwartungen formuliert.

Steuerung durch Evaluationsvorgaben
Entscheidende Fragen bei der Prüfung pädagogischer Qualität sind: Wer ist am Prozess der Qualitätsbestimmung und Qualitätsüberprüfung beteiligt? Werden die Ziele und Kriterien von außen gesetzt und durch externe Instanzen kontrolliert – oder wirken die beteiligten Kinder, Fachkräfte und Eltern in co-konstruktiver Form an der Qualitätsentwicklung mit?

In England gibt es seit 2003 verbindliche Vorgaben für die Grundstufe des Bildungssystems und den Versuch, diese zwei Ebenen zu verbinden. Das Foundation Stage Profile ist ein vorwiegend standardisiertes Verfahren der kindbezogenen Evaluation und orientiert sich an den sechs Lernbereichen des Bildungsplans. Sie löst die bisherigen Tests bei Siebenjährigen und baseline assessments bei der Einschulung ab. Insofern wird wesentlich mehr Wert als bisher gelegt auf die Einschätzungen der Fachkräfte hinsichtlich der Qualität ihrer pädagogischen Arbeit im Zusammenhang mit den Bildungs- und Lernprozessen der Kinder. Das Profil besteht primär aus 13 curriculumbezogenen Einschätzskalen mit jeweils neun Items. Darüber hinaus werden die Fachkräfte aufgefordert, spezifische Aktivitäten mit Bezug zu den festgelegten Lernzielen als Fallstudien zu dokumentieren. Für Gespräche mit Eltern, Kolleg(inn)en und dem jeweiligen Kind gibt es Auswertungsbögen mit Leitfragen. Ziel ist die Darstellung – über den Zeitraum des ersten Jahrs in der Pflichtschule, d.h. bei den fünf- bis sechsjährigen Kindern – eines kompetenzorientierten Bildes des Kindes, eines Bildes von dem, was das einzelne Kind am Ende des ersten Schuljahrs bereits weiß und leisten kann.

In Schweden sehen Evaluationsvorgaben anders aus. Auf nationaler Ebene hat eine staatliche Bildungsbehörde (National Agency for Education) Entwicklungs-, Evaluations- und Aufsichtsaufgaben. Die Kommunen als Anbieter von Tageseinrichtungen verantworten Qualitätssteuerung auf der regionalen Ebene. Jedes Jahr sind sie verpflichtet, einen Evaluationsbericht für die nationale Behörde zu erstellen. Diese Berichte basieren auf Selbsteinschätzungen der Fachkräfte über die Qualität der pädagogischen Arbeit in ihren Einrichtungen. Diese laufenden Selbstevaluationen münden in einen jährlichen Bericht für die Kommune. Es ist ein einrichtungsbezogener Ansatz. Die Leistungen einzelner Kinder werden nicht evaluiert.

Dänemark ist eines der wenigen Länder mit einem klar geregelten beteiligungsorientierten Ansatz der Qualitätsentwicklung. Die Kinder haben das gesetzlich verankerte Recht, in alltäglichen Fragen gehört zu werden. Das Mitspracherecht der Eltern ist ebenfalls gesetzlich geregelt und gibt ihnen weit reichende Einflussmöglichkeiten auf die Ziele und Gestaltung der pädagogischen Arbeit in den Tageseinrichtungen. Gemäß den zentralen Grundsätzen der dänischen Gesellschaft – Mitspracherecht und Demokratie vor Ort – verzichtet der Staat bisher auf eine zentral gesteuerte Kontrolle. Stattdessen werden exemplarische Qualitätsberichte über die Arbeit einzelner Kommunen und Einrichtungen durch eine landesweite Kommission veröffentlicht.

Steuerung durch externe Inspektion und Fachaufsicht
In England, Irland und Frankreich gibt es ein etabliertes System der staatlich gesteuerten, externen Fachaufsicht. In England liegen heute Fachaufsicht und Qualitätskontrolle für alle Bildungs- und Betreuungsangebote vor der Einschulung im Verantwortungsbereich des nationalen Bildungsministeriums. Auf regionaler Ebene entstehen zwischen bisher getrennt arbeitenden Behörden – Bildung, Gesundheit, Soziales –, neue Formen der gemeinsamen Bedarfsplanung und Qualitätssteuerung. Tageseinrichtungen werden alle drei oder vier Jahre durch eine nationale Aufsichtsbehörde evaluiert. Diese externe Evaluation basiert auf nationalen Qualitätsstandards für die Arbeit mit Null- bis Achtjährigen. Seit der Verabschiedung des Kindergesetzes 2004 (Children Act) sind alle Bildungs- und Betreuungseinrichtungen in einem noch größeren Evaluierungsrahmen eingebettet. Die Regierungsinitiative „Every child matters – change for children“ setzt weit reichende kinderpolitische Qualitätsziele für alle Kinder von Geburt bis zu 19 Jahren.

In Frankreich achten Schulinspektoren auf die Einhaltung ministerieller Richtlinien und Vorgaben in den Écoles maternelles. Dies geschieht durch Einrichtungsbesuche und durch Beurteilungen. Ergänzend dazu gibt es ein System der pädagogischen Fachberatung für die Unterstützung der fachlichen Weiterentwicklung der Arbeit. Neben diesen externen Instanzen finden auch Teamevaluierungen in den Einrichtungen statt.

In Irland gibt es systemgemäß für den Betreuungs- und Bildungssektor eine jeweils eigene Fachaufsicht. Für die externe Evaluierung der Tageseinrichtungen für Null- bis Vierjährige außerhalb des Bildungssystems werden derzeit nationale Qualitätsstandards erarbeitet.

In ihrer Analyse der Qualitätspolitik in zwölf Ländern kam die OECD-Studie „Starting Strong“ zum Schluss, dass Nationale Standards entsprechend offen formuliert sein sollten, um den einzelnen Tageseinrichtungen genügend Spielraum zu geben, sich am jeweiligen Bedarf vor Ort orientieren zu können. Außerdem wird ein beteiligungsorientierter Ansatz der Qualitätsbestimmung, -sicherung und -überprüfung als eines von acht Schlüsselelementen einer effektiven Politik der Kindertagesbetreuung und Elementarbildung gesehen.

Sicherung pädagogischer Qualität durch Evaluationsforschung
Im Rahmen der europaweiten bildungspolitischen Reforminitiativen spielt auch die Evaluationsforschung eine zunehmend wichtige Rolle. Neben einer breit angelegten Evaluationsstudie zur Einführung der Early Excellence Centres in England hat die britische Regierung eine auf zehn Jahre angelegte Längsschnittstudie finanziert, die die Auswirkungen verschiedener pädagogischer Arrangements in der Vorschulzeit und die Kinder bis zum Ende ihrer Grundschulzeit untersucht.

In Schweden liegt seit 2004 die erste nationale Evaluation schwedischer Vorschuleinrichtungen vor. In einem Kommentar zu den Ergebnissen weist die Nationale Bildungsbehörde auf die potentielle Gefahr einer verfrühten Formalisierung der pädagogischen Arbeit in den Vorschulen hin. Auf der kommunalen Steuerungsebene besteht im Einzelfall die Tendenz, die Kinder eher als künftige Schulkinder zu sehen. So empfiehlt die Nationale Behörde einen verstärkten Dialog zwischen den pädagogischen Fachkräften und Vertretern der Kommune, um Verständnisse von „Entwicklung“ und „Lernen“ zu klären.

In Dänemark stand vor kurzem die Ausbildung der Pädagogen im Mittelpunkt einer nationalen Evaluationsstudie. Auf der Grundlage der Ergebnisse legte die dänische Regierung Reformempfehlungen bezüglich einer stärkeren Spezialisierung innerhalb der Breitbandausbildung und einer Erweiterung der pädagogischen Wissensbasis vor. Diese Wissensbasis ist wiederum die Grundlage für die ganz konkrete Steuerung pädagogischer Qualität in den Tageseinrichtungen.

Die vollständige Fassung einschließlich der Literaturangaben ist über die Geschäftsstelle erhältlich.

Pamela Oberhuemer ist wissenschaftliche Referentin am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München.

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