fK 3/07 Schäfer

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Familienbildung muss vätergerecht werden

von Eberhard Schäfer

Mehr als zwei Drittel der Väter in Deutschland sehen sich in erster Linie als Erzieher ihrer Kinder und erst in zweiter Linie als materieller Versorger der Familie. Dieses und weitere, ähnliche Studienergebnisse bezeichnet der Familienforscher Wassilios E. Fthenakis als „Sanfte Revolution in der Familie“. Trotz des epochalen Rollenwandels der Väter lassen Anbieter und Angebote der Eltern- und Familienbildung die Väter außen vor.

Nach wie vor sind über 80 Prozent der Teilnehmenden und über 90 Prozent der Fachkräfte in der Eltern- und Familienbildung Frauen. Der Beitrag soll zeigen, was getan werden muss, um die „Vaterlosigkeit“ der Familien- und Elternbildung zu beenden. Denn eins ist klar: Wenn engagierte Vaterschaft erwünscht ist – und dies scheint gesellschaftspolitisch der Fall zu sein – dann verdienen engagierte Väter Unterstützung.

Väter müssen in Bild und Text als Väter angesprochen werden
Viele Einrichtungen der Familienbildung nennen sich neutral „Familienbildungsstätte“. Viele Menschen – Mütter, Väter und andere – assoziieren mit dem Begriff „Familie“ jedoch nach wie vor eine Mutter, die sich um die Kinder kümmert, und einen Vater, der berufstätig ist und die Familie materiell versorgt. Damit ist sehr schnell der Schluss gezogen, dass „Familienbildung“ Angebote für Mütter und Kinder macht, was von der Realität schnell bestätigt wird.

Besser wäre es, im Namen von Einrichtungen die Zielgruppen klar zu benennen, etwa „Zentrum für Väter, Mütter und ihre Kinder“. Warum sollten nicht die Väter solange an erster Stelle genannt werden, bis sie zum Beispiel 40 Prozent der Besucher stellen? Viele Organisationen nennen sich sogar – dadurch die Assoziation von der traditionellen Familie verstärkend – „Zentrum für Frauen und ihre Familien“ oder „Zentrum für Frauen- und Familienarbeit“ usw. Man sollte die in Bezug auf die Väterteilnahme fatale Wirkung einer solchen Benennung nicht unterschätzen.

Bildliche Darstellungen wirken ähnlich, wenn nicht gar stärker. So informiert etwa ein Faltblatt im Land Berlin über Angebote und Anbieter der Familienbildung. Die Illustration auf dem Titelblatt zeigt das Foto einer Mutter mit ihrem Kind. Kein Vater weit und breit. Dies ist „Väterausschluss qua Gestaltung“ und bedarf wohl keiner weiteren Erläuterung. Wer also Väter ansprechen, adressieren, einladen will, sollte „Väter“ draufschreiben und Bilder von Vätern zeigen, wenn er/sie Väter als Gäste, Kunden, Teilnehmer haben möchte.

Väter müssen ressourcenorientiert angesprochen werden
Familienbildung sollte sich nicht scheuen, traditionelle „Väterdomänen“ zum Ausgangspunkt von Angeboten zu machen. Aktivitäten im Freien mit Körpereinsatz und handwerklichen Tätigkeiten, die beispielsweise in der gemeinsamen Erstellung eines Produkts zielen, sprechen erfahrungsgemäß Männer an. Hier fühlen sie sich häufig wohl und sicher. Der Rest kommt von allein: Bei einem Paddelwochenende für Väter und Kinder wird das gemeinsame Erleben die Vater-Kind-Beziehung stärken; wenn sein Kind ins Wasser fällt, wird der Vater es „retten“ und trösten. Abends kochen die Väter gemeinsam am offenen Feuer ein Abendessen für alle. Sie sprechen beim abendlichen Essen über Alltagsthemen des Vaterseins und geben sich gegenseitig Tipps. Sie lesen ihren Kindern Gute-Nacht-Geschichten vor.

Die traditionelle Domäne von Männern – zugleich die ihnen oft zugeschriebene „Heimat“ – ist die Arbeitswelt. Deshalb sollte man sich nicht scheuen, Bezeichnungen aus der Arbeitswelt für Angebote der Familienbildung zu verwenden, wie z.B. „Training“ oder „Coaching“. Ressorcenorientiert heißt bezüglich Vätern auch, die Zeitstrukturen von Vätern positiv anzuerkennen. Die große Mehrheit der Väter sagt klar, dass die Zeit, die sie für ihre Kinder haben, knapp ist, so knapp, dass die Väter häufig ein schlechtes Gewissen haben. Väter reservieren sich daher gern einen bestimmten Termin für „exklusive Zeit“ für sich und ihr Kind. Für den Zugang zu Vätern bedeutet dies die Haltung: Ein Vater mit wenig Zeit für seine Kinder ist trotzdem ein guter Vater. Jede Minute, die er mit seinen Kindern verbringt, ist eine gute Minute – und nicht eine Minute zu wenig.

Tatsächlich ist es so, dass Väter sich häufig unsicher fühlen im Umgang mit ihren Kindern. Dies rührt aus der Position her, die Väter im Familien- und Erziehungsalltag oft innehaben. Aus Zeitgründen und Gründen des partnerschaftlichen Arrangements sind sie häufig der Erzieher und Versorger Nummer Zwei, haben mithin eine Assistentenrolle inne. Väter wollen jedoch nicht als Assistenten oder Stellvertreter ihrer Partnerinnen angesehen und behandelt werden, sondern als eigenständig und kompetent erziehende und versorgende Väter. Familienbildung sollte dies als Anspruch und Wirklichkeit ernst nehmen. Väter machen es häufig anders als Mütter, aber nicht schlechter! Kinder profitieren von unterschiedlichen Erziehungs- und Versorgungsstilen.

Zeiten, Formen und Orte von Familienbildung müssen vätergerecht sein
Viele Angebote der Familienbildung finden tagsüber an Werktagen statt. Dies schließt berufstätige Väter – auch Väter von kleinen Kindern sind ganz überwiegend Vollzeit berufstätig – tendenziell aus, übrigens auch berufstätige Mütter. Familienbildung für Väter muss bereit sein, Angebote abends und am Wochenende zu machen.

Familienbildung für Väter muss mehr aufsuchende Formen entwickeln, statt auf Einladungen zu bestimmten Zeiten an bestimmte Orte zu bauen. Man muss die Väter dort aufsuchen, wo sie sind. Rund 60 Prozent der Partner werdender Mütter nehmen an Geburtsvorbereitungskursen teil und zahlen dafür rund 75 Euro. Dies zeigt die Bereitschaft zur Investition in gutes Vatersein. In diese Kurse könnten Einheiten für werdende Väter integriert werden, quasi als Crashkurs zur Vorbereitung auf die Vaterrolle. Dieser Zugang nutzt zudem die psychologisch wichtige Übergangszeit zur Vaterschaft, in der Männer ohnehin sensibel und bereit sind, über die hier anfallenden Fragen und Entscheidungen nachzudenken.

Familienbildung für Väter muss an den Arbeitsplatz und in die Betriebe gehen, dorthin wo Männer arbeiten. „Väter wollen erfolgreich sein – in Beruf und Familie“, lautet der Slogan des Projekts „Väter und Karriere“ in Nordrhein-Westfalen (www.vaeter-und-karriere.de). Untersuchungen zeigen, dass Väter berufliche Nachteile befürchten (und zwar häufig zu Recht), wenn sie im Betrieb sagen, dass sie mehr Zeit für Familie und Kinder haben möchten. Der Mainstream der Unternehmen hat nach wie vor den sogar mehr als vollzeiterwerbstätigen Mann als idealen Mitarbeiter im Blick. Erst wenige haben erkannt, dass Väter motivierter und leistungsfähiger – weil besser mit ihrem Unternehmen identifiziert – sind, wenn sie Beruf und Familie unter einen Hut bringen und dabei von ihrem Arbeitgeber unterstützt werden.

An dieser Schnittstelle setzen Projekte wie „Väter und Karriere“ sowie Väter e.V. in Hamburg an. „Väter und Karriere“ bietet Unternehmen an, die „Potenziale der Väter im Betrieb“ durch Befragungen von Mitarbeitern besser einschätzen zu können. Väter e.V. Hamburg (www.vaeter.de/vaeterzentrum) führt in Kooperation mit Airbus Deutschland innerbetriebliche Veranstaltungen für Väter und werdende Väter durch. Dabei wählt man bewusst einen Zugang über berufliche Themen wie Stress oder Burnout-Gefahr hin zu Familien- und Väterthemen. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit werden regelmäßig Kurse und Seminare wie „Männer werden Väter“, „Vater-Kind-Abenteuercamp“ oder Erste-Hilfe-Kurse für Väter angeboten. Lokale Bündnisse für Familien können eine gute Plattform für ähnliche Aktivitäten bieten.

Ausblick
Es geht hier nicht um eine formale Auffassung von Geschlechtergerechtigkeit. Es geht um Zufriedenheit von Müttern und Vätern und um die Interessen und Bedürfnisse von Kindern. Mütter wollen sich heute beruflich engagieren, d.h. mehr Freiheit für ihren Beruf haben. Mütter wünschen sich engagierte Väter. Väter ihrerseits wollen gute Väter sein, und darunter verstehen sie selbst Zeit, Aufmerksamkeit und Sorge für ihre Kinder. Kompetente und „Sorge-orientierte“ Väter zu unterstützen heißt, in Familien- und Partnerschaftszufriedenheit zu investieren. Kinder entwickeln sich besser, wenn Mütter und Väter ihnen Zuwendung geben. Förderung der Väter durch vätergerechte Familienbildung dient der ganzen Familie. Auf Väterförderung in der Familienbildung zu verzichten hieße, das überkommene männliche Rollenstereotyp zu bedienen: Männer sind einsame Helden. Sie lösen ihre Probleme allein. Sie brauchen keine Unterstützung. Wie stark wirkt dieses Rollenstereotyp noch – in der Familienbildung und anderswo?

Die Literaturangaben sind über die Geschäftsstelle erhältlich.

Eberhard Schäfer ist Diplom-Politologe und Leiter des Projekts „Familienbildung für Väter“ (Väterzentrum) des Vereins Mannege e.V. in Berlin, Vorstand im Väter-Experten-Netz Deutschland (www.vend-ev.de) sowie Gründer des Papa-Instituts Berlin (www.papa-institut.de).

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