fK 3/04 Peitz

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Mutterrolle – Vaterrolle Zündstoff für die Partnerschaft?

von Gabriele Peitz

Den beruflichen Orientierungshorizont von Mädchen erweitern und sie ermutigen, sich von Rollenklischees zu lösen – das sind die Ziele des Aktionstages „Girls’ Day“. Diese Aktion, die am 22. April 2004 bereits zum vierten Mal stattfand, soll dazu beitragen, das bislang stark geschlechtsspezifische Berufswahlspektrum junger Frauen auszuweiten auf technische und naturwissenschaftliche Berufe. Denn diese Branchen böten – so die Organisatoren – gegenüber den klassischen „Frauenberufen“ deutlich bessere Perspektiven. Und letztlich sei ein anspruchsvolleres Berufswahlverhalten von jungen Frauen auch ein wichtiger Schritt in Richtung beruflicher Gleichstellung von Männern und Frauen.

Unerwähnt bleibt jedoch, dass die Berufskarrieren von Frauen und die berufliche Gleichstellung von Männern und Frauen spätestens mit der Familiengründung meist ein jähes Ende finden. Denn mit der Geburt des ersten Kindes etablieren sich nach wie vor die traditionellen Muster der Aufgaben- und Rollenverteilung zwischen Mann und Frau: Die Frau gibt ihre Berufstätigkeit zumindest vorübergehend auf und ist zuständig für Haushalt und Kind, der Mann übernimmt die Rolle des Brotverdieners. Und dieses Muster zeigt sich nicht nur bei Arzthelferinnen und Bürokauffrauen, sondern auch bei Ärztinnen und IT-Spezialistinnen. Welche Auswirkungen der Rückfall in traditionelle Muster der Rollenverteilung für die Zufriedenheit junger Eltern und für ihre Beziehung hat, zeigen die Ergebnisse einer laufenden familienpsychologischen Längsschnittstudie zum Übergang zur Elternschaft.

Die LBS-Familien-Studie

In der LBS-Familien-Studie „Übergang zur Elternschaft“ wurde die Entwicklung junger Familien in Westdeutschland von der Schwangerschaft an über inzwischen mehr als sechs Jahre mitverfolgt. Die Gruppe der Teilnehmer besteht aus 175 Paaren, die zwischen Dezember 1995 und August 1996 ein Kind bekamen, die Hälfte davon ihr erstes Kind. Die Paare wurden in diesen sechs Jahren mehrfach mündlich und schriftlich zu ihren Einstellungen und Wünschen, ihrer Partnerschaft, der Aufgabenteilung, ihrer Berufstätigkeit, ihren Lebensbedingungen usw. befragt. Ziel der Studie ist nicht nur, die Veränderungen, die von der Geburt des ersten Kindes angestoßen werden, nachzuzeichnen, sondern auch die Bedingungen und zugrunde liegenden Prozesse einer gelingenden Partnerschafts- und Familienentwicklung zu klären. Durchgeführt wird die Studie von den Münchner Familienforschern Wassilios E. Fthenakis (Projektleitung), Bernhard Kalicki und Gabriele Peitz und finanziert wird sie von der LBS-Initiative „Junge Familie“.

Die Traditionalisierung der Aufgaben- und Rollenverteilung nach der Geburt des ersten Kindes Abbildung 1 veranschaulicht die Auswirkungen der Geburt des ersten Kindes auf die Berufstätigkeit von Frauen und Männern. Vor der Geburt geht der Großteil der werdenden Eltern einer Berufstätigkeit nach, wobei Teilzeitarbeit unter den Frauen stärker verbreitet ist als unter den Männern. Ungefähr 20 Prozent der werdenden Eltern befinden sich beim Eintritt der Schwangerschaft noch in Ausbildung. Nach der Geburt zeigen sich sehr deutliche Unterschiede im Ausmaß der Erwerbstätigkeit. Eineinhalb Jahre nach der Familiengründung geht die Hälfte der Mütter einer Erwerbstätigkeit nach, fünfeinhalb Jahre nach der Geburt liegt der Anteil berufstätiger Mütter nur unwesentlich höher. Die Rückkehr in den Beruf findet meist in Form einer Teilzeittätigkeit statt. Die Väter bleiben im Beruf und erhöhen oftmals ihr berufliches Engagement unter dem Druck der finanziellen Verantwortung. Der Großteil der Männer, die sich während der Schwangerschaft der Partnerin noch in der Ausbildung befanden, haben eineinhalb Jahre nach der Geburt den Einstieg ins Berufsleben vollzogen.

Abbildung 1: Wochenarbeitszeit von Frauen und Männern vor und nach der Geburt des ersten Kindes

Die Traditionalisierung des Geschlechterverhältnisses zeigt sich auch innerhalb der Familie. In Abbildung 2 (links) ist die selbst eingeschätzte Beteiligung beider Partner an Haushaltsaufgaben, wie Kochen, Putzen, Wäsche waschen, Müll entleeren, Reparaturen im Haushalt erledigen, dargestellt. Paare praktizieren bereits vor der Geburt keine völlig egalitäre Aufteilung der Haushaltsaufgaben. Der Anteil der Frau ist bereits zu diesem Zeitpunkt höher als der des Mannes. Nach der Geburt des ersten Kindes kommt es zu einer weiteren Umverteilung der Hausarbeit zu Ungunsten der Frau.

Auch die Sorge um das Kind fällt vorwiegend in den Verantwortungsbereich der Frau (Abbildung 2, rechts). Erfragt wurde hier die Beteiligung an Routinearbeiten (z.B. beim Säugling: Windeln wechseln, nachts versorgen), an Aufgaben, die seltener anfallen (z.B. Besuche beim Kinderarzt) sowie an Tätigkeiten, die einen eher spaßorientierten Charakter haben (z.B. mit dem Kind spielen, das Kind baden).

Abbildung 2: Verteilung der innerfamilialen Aufgaben (links: Haushaltsaufgaben; rechts: kindbezogene Aufgaben) vor und nach der Geburt des ersten Kindes

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die geschlechtsrollentypische Umverteilung beruflicher und innerfamilialer Aufgaben kein vorübergehendes Phänomen darstellt, sondern sich in den ersten Jahren der Elternschaft zunehmend verfestigt. Die Rückkehr der Frau in den Beruf ändert nur wenig an der Verteilung der innerfamilialen Aufgaben. Zwar unterstützen Männer ihre berufstätigen Partnerinnen bei der Hausarbeit und der Sorge um das Kind – sofern sie selbst beruflich nicht allzu stark eingespannt sind. Dennoch tragen auch berufstätige Mütter den Löwenanteil an der Hausarbeit und der Kinderbetreuung.

Einflussfaktoren auf die Aufgaben- und Rollenverteilung

Die geschlechtstypische Rollenverteilung entspricht oftmals nicht den Erwartungen und Wünschen der Eltern. Viele Mütter wollen ihren Beruf nicht zugunsten der Kindererziehung aufgeben, viele Väter wünschen sich, aktiver am Familienleben teilnehmen zu können und die finanzielle Verantwortung für die Familie nicht alleine tragen zu müssen. Ungünstige Rahmenbedingungen schränken den Gestaltungsspielraum junger Eltern jedoch stark ein und drängen sie vielfach in das traditionelle Familienmodell. Zu diesen Bedingungen zählen Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen, unflexible Arbeitszeiten und fehlende Teilzeitarbeitsplätze sowie mangelnde Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Auch die in unserer Gesellschaft nach wie vor weit verbreiteten traditionellen Vorstellungen von den Aufgaben von Müttern und Vätern dürften es Eltern schwer machen, egalitäre Modelle der Rollenverteilung umzusetzen. Experimentelle Studien weisen eindrucksvoll nach, dass Eltern von Kleinkindern, die alternative Modelle praktizieren – Mütter, die weiter berufstätig bleiben und Väter, die ihre Brotverdiener-Funktion nicht ausfüllen –, häufig Missbilligung erfahren. Und schließlich kommt es auch darauf an, inwieweit die Partner bereit sind, die Vorstellungen des anderen mit zu tragen.

Die praktizierte Rollenaufteilung ist daher selten das Ergebnis eines aktiven Aushandlungs- und Entscheidungsprozesses der Partner. Vielmehr „schleichen“ sich bestimmte Muster der Aufgabenteilung im Laufe der Zeit ein. Insbesondere Mütter, aber auch Väter, finden sich einige Jahre nach der Familiengründung nicht selten in einer Lebenssituation wieder, die sie so nicht gewollt und für die sie sich nicht bewusst entschieden haben.

Wenn Wünsche und Realität auseinanderklaffen …

Diskrepanzen zwischen den individuellen Vorstellungen von den Zuständigkeiten von Müttern und Vätern und der tatsächlich praktizierten Aufgabenteilung führen bei Frauen und Männern häufig zu Unzufriedenheit und Frustration und können auch zu Zündstoff für die Paarbeziehung werden. Dieses Ergebnis der LBS-Familien-Studie soll anhand von zwei Beispielen erläutert werden.

Verteilung der innerfamilialen Aufgaben: Männer, die egalitäre Rollenauffassungen vertreten (die also der Ansicht sind, dass beide Partner sowohl für innerfamiliale Aufgaben als auch für die Sicherung des Einkommens zuständig sein sollten), leiden darunter, wenn sie entgegen ihren Überzeugungen die Verantwortung für Haushalt und Kind ihrer Partnerin überlassen (müssen). Ihr Befinden verschlechtert sich in diesem Fall in den drei Jahren nach der Geburt deutlich. Im Gegensatz dazu profitiert das Befinden der Männer mit traditionellen Auffassungen („der Mann ist für das Familieneinkommen zuständig, die Frau für Haushalt und Kind“), wenn sie die Verantwortung für den Haushalt und das Kleinkind an die Partnerin delegieren können. Müssen sie sich entgegen ihrer Einstellung in substantiellem Ausmaß an den innerfamilialen Aufgaben beteiligen, verschlechtert sich ihr Befinden jedoch (Abbildung 3).

Abbildung 3: Abhängigkeit des Befindens des Mannes von seiner Beteiligung an innerfamilialen Aufgaben (Haushalt und Kind; erfragt 3 Jahre nach der Geburt) bei Männern mit egalitären bzw. mit traditionellen Rollenauffassungen

Diskrepanzen zwischen den Auffassungen von den Zuständigkeiten von Müttern und Vätern und der tatsächlichen Verteilung innerfamilialer Aufgaben gehen auch bei Frauen mit Unzufriedenheit einher. Mütter mit egalitären Rollenauffassungen sind fünfeinhalb Jahre nach der Familiengründung umso zufriedener mit ihrer Beziehung, je mehr sich ihr Partner an der alltäglichen Sorge um das Kind beteiligt. Mütter mit traditionellen Auffassungen schätzen hingegen ein übermäßiges Engagement ihres Partners wenig. Sie sind umso zufriedener mit ihrer Paarbeziehung, je weniger sich ihr Partner beteiligt.

Erwerbstätigkeit der Frau: Führt der Rückzug aus dem Beruf bei egalitär orientierten Frauen zu Unzufriedenheit? Und leidet die Zufriedenheit der Frauen mit traditionellen Auffassungen, wenn sie trotz Mutterschaft weiter im Beruf bleiben?

Erwartungsgemäß bleiben Mütter mit traditionellen Rollenauffassungen in den Jahren nach der Familiengründung dann mit ihrer Beziehung zufrieden, wenn sie ihre Wochenarbeitszeit nach der Geburt stark reduzieren können (de facto bedeutet dies einen Ausstieg aus dem Beruf). Müssen sie ihre berufliche Tätigkeit hingegen in ähnlichem Umfang wie zuvor fortsetzen oder in den ersten sechs Jahren nach der Familiengründung wieder aufnehmen, leidet ihre Beziehungszufriedenheit (Abbildung 4).

Abbildung 4: Abhängigkeit der Partnerschaftszufriedenheit der Frau von ihrer beruflichen Entwicklung bei Frauen mit egalitären bzw. mit traditionellen Rollenauffassungen

Überraschenderweise scheint die berufliche Entwicklung bei Müttern mit egalitären Einstellungen keine nachhaltigen Auswirkungen auf ihre Partnerschaftszufriedenheit zu haben. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass ihre Beziehungszufriedenheit nicht leidet, wenn sie sich nach der Familiengründung auf Jahre hinaus aus dem Beruf zurückziehen oder ihre Berufstätigkeit stark einschränken (müssen). Ihre Zufriedenheit profitiert aber auch nicht, wenn sie ihre berufliche Tätigkeit in ähnlichem Umfang wie vor der Geburt fortsetzen. Letzteres könnte an der Doppelbelastung berufstätiger Mütter liegen. Vorstellbar ist auch, dass egalitär orientierte Frauen von ihrem Partner eine deutlich stärkere Beteiligung an innerfamilialen Aufgaben fordern, wenn sie selbst berufstätig sind – was wiederum zu Konflikten in der Partnerschaft führen könnte.

Während also traditionell orientierte Mütter profitieren, wenn sie ihren Beruf entsprechend ihren Auffassungen von der Mutterrolle aufgeben und sich vorrangig dem Kind widmen (können), scheinen die Zusammenhänge für die egalitär orientierten Mütter komplizierter. Hier gilt es in künftigen Studien das Zusammenspiel von beruflichen und innerfamilialen Faktoren sowie der Einstellung der Mütter weiter zu klären.

Schlussfolgerungen

Die Ergebnisse der LBS-Familien-Studie deuten darauf hin, dass weder traditionelle noch egalitäre Muster der Rollenaufteilung für sich genommen von Vorteil bzw. von Nachteil für die Zufriedenheit junger Eltern sind. Vielmehr scheint es darauf anzukommen, ob diese ihre individuellen Vorstellungen von Elternschaft realisieren und leben können. Hier ist die Politik gefordert, entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen. Aber auch die Wissenschaft ist in der Pflicht, ihre Erkenntnisse einem breiteren Publikum zugänglich zu machen und so zu größerer gesellschaftlicher Toleranz gegenüber unterschiedlichen Modellen von Elternschaft beizutragen.

Trotz ungünstiger Rahmenbedingungen haben Eltern Spielräume bei der Ausgestaltung der Rollenverteilung. Diese Spielräume gilt es entsprechend den eigenen Vorstellungen aktiv zu nutzen. Dies erfordert jedoch in hohem Maße Verhandlungs- und Problemlösekompetenzen, denn oftmals haben Mütter und Väter unterschiedliche Vorstellungen und Wünsche. Durch die Teilnahme an Kommunikationstrainings für Paare können junge (werdende) Eltern ihre diesbezüglichen Kompetenzen erweitern und so Einfluss auf die langfristige Entwicklung ihrer Beziehung nehmen.

Bemühungen in Richtung einer Erweiterung beruflicher Perspektiven von jungen Frauen und der Gleichstellung von Frauen und Männern im Beruf – wie vom Girls Day intendiert – haben langfristig möglicherweise unerwünschte Nebenwirkungen, solange sie nicht durch intensive Maßnahmen begleitet werden, die auf eine stärkere Gleichstellung der Geschlechter in der Familie und bei der Kindererziehung abzielen. Denn die Ergebnisse der LBS-Familien-Studie legen nahe, dass durch eine stärkere Akzentuierung egalitärer Einstellungen bei jungen Frauen – vor dem Hintergrund der derzeitigen Rahmenbedingungen und der geschilderten Entwicklungen – zusätzlicher Zündstoff für die Zeit nach der Familiengründung geschaffen wird.

Die Literaturangaben sind über die Geschäftsstelle erhältlich.

Dr. Gabriele Peitz ist Diplom-Psychologin und Mitarbeiterin der LBS-Familien-Studie „Übergang zur Elternschaft“ in München

Fthenakis, W.E., Kalicki, B. & Peitz, G.
Paare werden Eltern
Die Ergebnisse der LBS-Familien-Studie
Leske & Budrich Verlag
Opladen 2002

Die LBS-Familien-Studie ist im Internet abrufbar unter

www.lbswest.de/PL5D/pl5d.htm?detail_snr=135

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