fK 3/03 Schöbel

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Im Theater können Kinder das Einmalige begreifen

Jörg Maywald im Gespräch mit Manuel Schöbel

Maywald: Das Theater gehört sicherlich zu den ältesten Medien, wenn es darum geht, Geschichten weiterzutragen. Was fasziniert Kinder am Theater?

Schöbel: Am Theater fasziniert Kinder, dass sie lebendige Spieler vor sich haben, und dass sie als Publikum Einfluss nehmen können auf den Fortgang des Bühnengeschehens. Sie sind fasziniert von der Geschwindigkeit, mit der vor ihren Augen Orte wechseln oder die Zeit vergeht. Besonders fasziniert sind sie, wenn sie das Glück haben, mit ihren Eltern oder Großeltern ins Theater zu gehen und diese auch fasziniert sind vom Theater.

Maywald: Das Berliner carrousel Theater ist das größte Kinder- und Jugendtheater in Deutschland. Was sind Ihre Angebote und wie werden sie genutzt?

Schöbel: Das carrousel Theater bietet Inszenierungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Mit einem Repertoirespielplan von rund 25 Produktionen umfasst das Angebot von „Die feuerrote Blume“ bis zu „Urfaust“ und erreicht pro Jahr rund 80 000 Zuschauer, und dies bereits seit über 10 Jahren. Neben Märchen, Klassikern, Erstaufführungen oder Theaterspektakeln sind auch internationale Koproduktionen im Repertoire

Maywald: In unserer Zeit der Massenmedien hat das Theater gewichtige Konkurrenz bekommen. Vor dem Fernseher sitzen Kinder im Schnitt täglich mehr als eineinhalb Stunden. In’s Theater gehen sie vermutlich nicht mehr als ein bis zwei Mal im Jahr. Warum ist Theater für Kinder dennoch unverzichtbar?

Schöbel: Theater ist unverzichtbar, weil es nicht Bestandteil des Alltags ist, sondern ein Festtag. Im Theater können Kinder das Einmalige begreifen. Es ist nicht wie eine Video-Cassette, die man beliebig oft wieder in den Videorecorder schieben kann. Kinder lernen so die Achtung vor der Einmaligkeit ihres Tuns.

Maywald: Kinder spielen selbst gern Theater. Schon mit drei oder vier Jahren genießen sie es, in andere Rollen zu schlüpfen und „als ob“ zu spielen. Was tun Sie, damit Kinder selbst aktiv werden können?

Schöbel: Die theaterpädagogische Arbeit umfasst Spielclubs für Kinder und Jugendliche; workshops für Video-Arbeit, Tanz, Fotografie; sogenannte Premierenklassen besuchen Proben und arbeiten themenbezogen parallel in Vorbereitung einer Premiere, Jugendliche haben jedes Jahr einmal bei den sogenannten „Schwarzen Nächten“ Gelegenheit unter professionellen Bedingungen eigene Produktionen zu zeigen. Es gibt Vor- und Nachbereitungen von Theaterbesuchen in der Schule oder im Theater. Wichtiger Bestandteil jeder theaterpädagogischen Maßnahme ist das spielerische Element.

Maywald: Inwiefern haben sich eigentlich die Ansprüche der Kinder verändert? Sind es immer wieder die gleichen Themen, die gewünscht werden? Welche Rückmeldungen von den Kindern bekommen Sie?

Schöbel: Wie früher bekommen wir Rückmeldungen in Form von Briefen oder Aufsätzen. Neu ist die Rückmeldung in Form von E-Mails oder Eintrag im Gästebuch auf unserer Homepage www.carrousel.de . Gewünscht werden keine bestimmten Themen, sondern Emotionen – es soll Spannung dabei sein, etwas zum Lachen, etwas zum Gruseln et cetera.

Manuel Schöbel ist Autor und Regisseur und Intendant des Berliner carrousel Theaters

No Comments

Sorry, the comment form is closed at this time.