fK 3/03 Eggert

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Wenn Vorschulkinder fernsehen

„…die schneiden mit den Schneidefischen, mit Sägefischen“

von Susanne Eggert

Manchmal gibt es im Fernsehen komische Dinge zu sehen, über die man sich nur wundern kann. So zumindest geht es der 5-jährigen Marga, als sie sieht, dass es bei Fred und Wilma Feuerstein aus der Zeichentrickserie „Familie Feuerstein“ keine Messer gibt und sie stattdessen zum Sägefisch greifen.

Kinder sind neugierig. Von klein auf finden sie alles, was sich bewegt oder Töne von sich gibt, interessant und fühlen sich davon angezogen. Das gilt auch und ganz besonders für das Fernsehen. So gibt es denn auch zahlreiche Fernsehsendungen extra für die Kleinen und Kleinsten. „Die Sendung mit der Maus“, „Löwenzahn“ oder auch „Familie Feuerstein“ und „Die Schlümpfe“ kennen die meisten Eltern noch aus ihrer Kinderzeit. Eine Menge anderer Magazine, wie zum Beispiel die „Teletubbies“ und „Rudis Rabenteuer“ oder Zeichentrickserien wie „Angela Anaconda“ und „Pokémon“ sind dazu gekommen.

Wer früher aufsteht, hat mehr vom Fernsehen

Vor der Einführung des dualen Fernsehsystems in den 1980er Jahren wurden nachmittags einige Stunden Kinderprogramm ausgestrahlt, doch das hat sich geändert. Wenn die Kleinen heute am Wochenende um halb sieben – ganz anderes als ihre Eltern – partout nicht mehr schlafen können, so müssen sie sich trotzdem nicht allein beschäftigen, sondern können sich die Zeit bis zum Frühstück leicht mit „Blinky Bill“ (ARD), „Dennis“ (ProSieben), „Pocket Dragon Abenteuer“ (Super RTL) oder „Pumuckl TV“ (KI.KA), um nur einige zu nennen, verkürzen. Fernsehprogramm für Kinder schon am frühen Morgen war zunächst das Metier der privaten Anbieter. Die Öffentlich-Rechtlichen Fernsehanstalten haben nachgezogen und so gibt es inzwischen schon am Vormittag eine bunte Palette an Kindersendungen.

Was dürfen Vorschulkinder sehen?

Das angebotene Kinderprogramm, besonders für jüngere Kinder, ist größer geworden. Vor allem im Bereich der Zeichentrickserien findet sich eine Menge neuer Sendungen. Gerade bei den Zeichentrickangeboten – auch „Cartoons“ genannt – scheiden sich aber die Geister. Die Kinder lieben sie, die Eltern sind sich oft nicht so sicher, ob das, was der Nachwuchs sich da so ansieht, auch wirklich für ihn geeignet ist. Während sich Kinder und Erwachsene früher darüber einig waren, dass es sich bei Cartoons um Kinderprogramm schlechthin handelt, die Kleinen sich also getrost davor setzen können, sind inzwischen viele Eltern skeptisch geworden. Ausschlaggebend war dabei für viele die Diskussion um die „Power Rangers“ in den 1990er Jahren. Aber auch Klassiker wie „Tom und Jerry“ oder aktuellere Favoriten der Kinder wie „Pokémon“ und „Dragon Ball“ scheinen manchen fragwürdig.

Eltern von jüngeren Kindern sind sich oft unsicher darüber, was sie ihren Sprösslingen schon zutrauen können und was nicht. Viele fragen sich, ob es nicht überhaupt sinnvoller wäre, Kinder im Vorschulalter vom Fernsehen fernzuhalten. Um als Eltern einen Weg zu finden, mit dem Fernsehverhalten der Jüngsten umzugehen, ist es wichtig, sich Klarheit über zwei zentrale Fragen zu verschaffen: (1) Warum sehen Kinder im Vorschulalter fern? (2) Wie verarbeiten sie das, was sie im Fernsehen sehen?

Fernsehen muss Spaß machen und unterhaltsam sein

Für die Fernsehanfänger, die Vorschulkinder im Alter von 3- bis 6-Jahren, bedeutet Fernsehen in erster Linie Unterhaltung. Lustig, schön bunt und ab und zu auch ein bisschen spannend soll das Geschehen auf dem Bildschirm sein. Da Kinder im Vorschulalter erst lernen müssen, sich längere Zeit auf eine Sache zu konzentrieren, mögen sie vor allem kurze, abgeschlossene Geschichten.

In diesem Alter befinden sich Kinder noch in einem ich-bezogenen Entwicklungsstadium. Sie setzen alles zu sich selbst in Beziehung und stellen Vergleiche mit sich selbst her. Sie sind der Meinung, die Gefühle und Vorstellungen anderer Menschen entsprechen ihren eigenen: Wenn ich mich hinter dem gleichen Baum verstecke, hinter dem sich meine Mama eben versteckt hat, dann findet sie mich dort auch nicht. Solche Vergleiche stellen sie auch in Bezug auf Geschichten an. Stoßen sie dort auf schon Erlebtes, weckt das ihre Aufmerksamkeit. Das gilt für eine Episode mit anderen Kindern auf dem Spielplatz, eine Geschichte, in der ein kindliches Wesen Angst vor einem großen Tier hat usw.

Solche Geschichten finden sich zum Beispiel in der „Sendung mit der Maus“ bei den „Teletubbies“ oder dem „Sandmännchen“ und auch in manchen Zeichentrickserien.

Ein guter Ausgang ist wichtig

Ihren Erfahrungen und ihrem Wissen entsprechend sind die Geschichten aus dem ‚bewegten Alltag’ bei den Jüngsten besonders beliebt. Wenn Benjamin Blümchen und sein kleiner Freund Otto den Zoo-Alltag durcheinanderwirbeln, dann bereitet das dem kleinen Publikum großen Spaß. Der feste Rahmen, in dem die Geschichten spielen – Benjamins Haus, der Zoo, Ottos Haus – geben den Kindern ein Gefühl von Sicherheit. Dieses Sicherheitsgefühl ist für die kleinen Zuschauerinnen und Zuschauer dann besonders wichtig, wenn es für ihre Fernsehheldinnen und -helden ein wenig aufregender wird oder etwas Unerwartetes geschieht. So erzählt die 5-jährige Anna ganz begeistert von ihrer Lieblingsserie „Die Schlümpfe“. Dort geht es aus Annas Sicht vor allem darum, dass der böse Zauberer Gargamel die Schlümpfe fangen will, aber Anna weiß, „der erwischt die nie, weil er zu blöd ist. Und dann sagt er immer: ‚Ich hasse die Schlümpfe!’“ Das findet Anna lustig. Aber es ist nicht immer alles nur lustig, denn „manchmal ist es schon ein bissel gruselig, weil einmal da waren so gruselige Hexen.“ Hexen sind Anna ein wenig unheimlich. Die kommen sonst bei den Schlümpfen nicht vor und Anna weiß nicht so recht, ob sie den kleinen Wesen nicht etwa gefährlich werden könnten. Außerdem ist sich Anna – wie auch andere Kinder ihres Alters – nicht sicher, ob es Hexen wirklich gibt oder nicht. Treffen Kinder im Vorschulalter im Fernsehen auf eine Situation, wie die von Anna beschriebene, ist es für sie, aber auch noch für viele Grundschulkinder wichtig zu wissen, dass das Abenteuer ein gutes Ende nimmt. Je jünger die Kinder sind und je weniger Fernseherfahrung sie haben, umso mehr sind sie auch auf die Unterstützung von Mutter oder Vater oder einer anderen erwachsenen Bezugsperson angewiesen, die auf ihre Fragen eingeht und ihre Sorgen ernst nimmt und ihnen auch mal versichert, dass nichts Schlimmes geschehen wird.

Jungen mögen Actionreiches

Gefährliche Situationen, deren Ausgang oftmals unsicher ist, gibt es besonders häufig in den Sendungen vom Typ ‚gerechte Kämpfe‘ – Serien, die auch schon im Vorschulalter gern gesehen werden, vor allem von den Jungen. Schon bei den Fernsehanfängern zeigt sich, dass das Interesse an actionreicher Unterhaltung bei Jungen stärker ausgeprägt ist als bei Mädchen. Wenn der Junge Ash, der Held der Serie Pokémon mit Hilfe von Pikachu im Kampf gegen seine Widersacher siegt, dann fühlen sich die Jungs gut unterhalten. Dass es dabei manchmal ganz schön zur Sache geht, ist klar. Problematisch an vielen actionhaltigen Sendungen ist, dass Action mit Gewalt gleichgesetzt wird. Im Kampf gegen die Bösewichter wird oftmals Gewalt angewandt, ohne diese zu hinterfragen oder andere Lösungsmöglichkeiten ins Spiel zu bringen. Führt das Gewalthandeln zum Ziel, ist es vor allem für jüngere Kinder gerechtfertigt. Sehen sich Kinder häufig Sendungen an, in denen der Einsatz von Gewalt zur Lösung von Konflikten an der Tagesordnung ist, besteht die Gefahr, dass sich dieses Muster in den Köpfen festsetzt. Das ist vor allem dann der Fall, wenn die Mädchen und Jungen auch in der Realität erleben, dass Auseinandersetzungen mit Hilfe von Gewalt beendet werden. Eltern sind hier in zweifacher Hinsicht gefordert: Erstens sollten sie darauf achten, welchen Fernsehangeboten sich ihre Kinder zuwenden, so dass sie eingreifen können, wenn sich zeigt, dass ihr Sohn oder ihre Tochter sich vor allem kämpferische Sendungen anschaut. Ein Gespräch kann helfen herauszufinden, was diese Serien so attraktiv macht. Zweitens liegt es an ihrem Vorbild, wie der Einsatz von Gewalt in Fernsehsendungen bewertet wird. Wenn sie ihren Kindern einen gewaltfreien Umgang mit Konflikten vorleben, haben die Vorbilder des Fernsehens wenig Möglichkeiten, von den Kindern als alltagstaugliche Durchsetzungsmittel akzeptiert zu werden.

Vorschulkinder beim Fernsehen begleiten

Wenn Vorschulkinder fernsehen, sollten sie dabei möglichst nicht allein gelassen werden. Denn zum einen haben sie einfach Spaß daran, mit der Mutter oder dem Vater gemeinsam vor dem Fernseher zu sitzen und die Abenteuer ihrer Heldinnen und Helden auf dem Bildschirm mitzuerleben. Zum anderen sind die Mädchen und Jungen Fernsehanfänger und haben viele Fragen. Wenn sie diese gleich an die Erwachsenen richten können, kann ihnen das helfen, das Gesehene zu verarbeiten. Je jünger die Kinder sind und je weniger Erfahrung im Umgang mit dem Fernsehen sie haben, umso wichtiger ist die Verarbeitung der Fernseherlebnisse. Auch wenn es Eltern nicht immer möglich ist, dabei zu sein, wenn ihr Kind fernsieht, sollten sie deshalb auf jeden Fall für seine Fragen offen sein und diese ernst nehmen. Darüber hinaus ist es sinnvoll, sich das Aktionsbedürfnis der Kinder zu Nutze zu machen und sie anzuregen, das Gesehene nachzuspielen oder auch zu malen, was sie am spannendsten fanden.

Alle Kinderzitate sind einer Untersuchung zum Umgang 4- bis 14-Jähriger mit Zeichentrickangeboten entnommen: Helga Theunert, Bernd Schorb (Hg.). Begleiter der Kindheit. Zeichentrick und die Rezeption durch Kinder. München 1996.

Susanne Eggert ist Medienwissenschaftlerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am JFF – Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis, München

FLIMMO – Fernsehen mit Kinderaugen

Eltern und Pädagog(inn)en werden bei der Fernseherziehung beraten. In den Besprechungen des aktuellen Programmangebots sowie in kurzen Texten zu medienpädagogischen Themen vermittelt FLIMMO die Sicht von Kindern auf das Fernsehen und gibt pädagogische Hinweise und Erklärungen. FLIMMO erscheint dreimal im Jahr als Broschüre und alle 14 Tage aktuell als Internetangebot. FLIMMO ist ein Projekt des Vereins „Programmberatung für Eltern e.V., der das JFF mit der Projektdurchführung betraut hat.
www.flimmo.de

Zappen – Klicken – Surfen. Familien leben mit Medien

Fragen nach dem ‚richtigen‘ Medienumgang in der Familie, nach altersangemessenem Medienerleben von Kindern, nach Risiken und Chancen von Medien bewegen viele Eltern. Die Materialbörse „zappen – klicken – surfen“ bietet eine Übersicht über wichtige Aspekte zum Thema ‚Aufwachsen mit Medien’, Grundlagen und Handreichungen für eigene Veranstaltungen und Beratungsgespräche sowie vertiefende Informationen, Beispiele und Anschauungsmaterial.
www.jff.de/zappen-klicken-surfen

Kinder sehen fern

5 Bausteine zur Fernsehrezeption bei Kindern

Dieses Medienpaket veranschaulicht wesentliche Erkenntnisse des kindlichen Fernsehumgangs an konkreten Beispielen. Eine Broschüre erläutert zusätzlich zentrale Aspekte, gibt ausgewählte Tipps und Literaturhinweise und enthält Ergänzungen und Erklärungen zu den Bausteinen des Videos. Auf der CD-ROM sind die Inhalte beider Medien noch einmal zusammengeführt. Das Material wendet sich in erster Linie an Fachkräfte. Es kann ihnen als Anschauungsmaterial für das eigene Verständnis des kindlichen Fernseherlebens und für ihre Bildungs- und Erziehungsaufgabe dienen. Aber auch interessierte Eltern können hiermit die Fernsehnutzung ihrer Kinder und die damit einhergehenden möglichen Probleme besser verstehen lernen.
BLM/AJ Bayern (Hg.): Kinder sehen fern. kopaed-Verlag München 2000
www.kopaed.de

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