fK 2/06 Bonzel-Friedrich

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Sich einlassen und zulassen …
… aber vor allem auch aushalten und mitgehen

Das Kinderhospiz Balthasar

von Silke Bonzel-Friedrich

„Ihr Kind ist unheilbar krank…, wir können nichts mehr für Ihr Kind tun.“ Dieser Satz bringt die Familie aus dem Gleichgewicht. Jedes Jahr sterben in Deutschland ca. 1.500 Kinder an unheilbaren Erkrankungen.

Für die Familie bricht die ganz normale Lebensplanung zusammen, nichts ist mehr wie es war! Die Pflege und Sorge um das kranke Kind steht im Vordergrund und zwangsläufig alles andere im Hintergrund. Der Weg von der Diagnose bis zum Tod des Kindes zieht sich oft über Monate, manchmal Jahre hin und verlangt von Eltern und Geschwistern das Äußerste. Damit die Familie auf dem schweren Weg nicht alleine ist, wurde 1998 das erste Kinderhospiz in Deutschland (inzwischen gibt es deutschlandweit sechs selbstständige Kinderhospize) – das Kinderhospiz Balthasar im sauerländischen Olpe – eröffnet. Hier finden über 180 Familien eine Anlaufstelle, wo sie Sorgen und Ängste teilen können und in der schweren Zeit des Abschieds begleitet werden.

Zweites Zuhause auf Zeit
Das in Zusammenarbeit mit betroffenen Eltern geplante Haus und die Räumlichkeiten bieten einen wohnlichen und behaglichen Rahmen. Auffällig ist viel Licht und Farbe im Haus, was mehr an das Zuhause als an ein Krankenhaus bzw. eine Einrichtung erinnert. Alle Versorgungsmöglichkeiten sind „kindgerecht“ und besonders liebevoll gestaltet, von den Räumlichkeiten (Snoezel- und Aktivraum, Computerzimmer, Kinderzimmer, Therapiebad, Kaminzimmer) über Spielgeräte, heilpädagogisches Spielzeug, Internetzugänge und nötige Medizingeräte bis zur Auswahl der Mahlzeiten.

Betreuung und Versorgung von schwerkranken und sterbenden Kindern heißt immer Begleitung und Unterstützung der ganzen Familie (erkranktes Kind, Geschwister und Eltern). So sind bei acht belegten Plätzen für kranke Kinder bis zu 40 Gäste im Haus. Die Abhängigkeit der Kinder von der Familie und vertrauten Bezugspersonen ist ein wesentlicher Faktor, deshalb hat die Versorgung von Kindern in der Palliativphase immer auch die ganze Familie im Blick. Dabei orientieren sich die Mitarbeiter während des Aufenthaltes der Familie im Haus an den Wünschen und Gewohnheiten der Kinder bzw. Eltern.

Von der Diagnose bis über den Tod hinaus
Hospize sind – vom Ursprung her – Herbergen an langen Wegstrecken. Das Kinderhospiz Balthasar ist eine solche Herberge am Lebensweg mit einem schwerkranken und versterbenden Kind. Hier finden die Familien einen Ort, wo sie gemeinsam sein können, die Pflege des erkrankten Kindes an die Mitarbeiter abgeben und sich um sich selbst, den Partner und die Geschwister kümmern können. Es geht also auch um die Entlastung der Familien, um Auftanken und Luftholen, damit die schwere und zeitintensive Pflege zu Hause wieder und weiter übernommen werden kann. Dazu braucht es – neben Mitarbeitern für die Pflege der kranken Kinder – auch Mitarbeiter, die für Fragen und Gespräche der Eltern und der Geschwister Zeit haben. Familien- und Trauerbegleiter(innen) sind für Einzel- und Gruppengespräche für Eltern und Geschwisterkinder da, aber auch für Angebote im Bereich der Freizeit- und Erlebnispädagogik. Zusätzlich werden Kontakte zu Seelsorgern und betroffenen Eltern vermittelt. Wichtig ist auch das Kennenlernen und der Austausch der Eltern untereinander. So entstehen neben ganz praktischen Fragen auch weitreichende und tiefergehende Gespräche unter Betroffenen.

Ein weiterer Schwerpunkt neben der Entlastung ist aber auch die Vorbereitung der Familie auf das Sterben des Kindes. Und – soweit möglich – die Unterstützung, damit die Familien es auch schaffen können, wenn ihr Kind zu Hause, im häuslichen Umfeld, verstirbt. Auch ist die jederzeitige Aufnahme eines Kindes, welches sich in der letzten Lebensphase befindet, im Kinderhospiz Balthasar möglich.

Leben und Lachen – Sterben und Trauern Alle Bereiche haben im Kinderhospiz Balthasar ihren Platz und werden gelebt. Nachdem die unheilbare Krankheit feststeht, geht es darum, die noch verbleibende Zeit so angenehm wie möglich zu gestalten. Die Mitarbeiter können dem Leben der Kinder zwar nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben. So werden die kranken Kinder – je nach noch vorhandenen Ressourcen – in alle Aktivitäten mit einbezogen und entsprechend gefördert. Die Zeit der Freude, des Glücks und des Lachens steht in „Balthasar“ im Vordergrund – trotz der todbringenden Krankheit. Aber natürlich ist auch Raum für Trauer und Abschied. Die Kinder und Eltern finden Mitarbeiter, die bei Fragen zu Sterben, Abschied nehmen und Trauer da sind. Hier finden die Familien unterschiedliche Formen und Möglichkeiten, ihrer Trauer und ihrem Schmerz Ausdruck zu geben. Ein besonderer Abschiedsbereich bietet den Familien nach dem Tod die Möglichkeit, sich in Ruhe, mit Zeit und mit den für sie wichtigen Menschen von ihrem verstorbenen Kind zu verabschieden. Auch dabei stehen ihnen Mitarbeiter begleitend zur Seite.

Windräder tragen die Namen der verstorbenen Kinder
Für alle Menschen im Kinderhospiz (kranke Kinder, Eltern, Geschwister und Mitarbeiter) ist es wichtig, dass die sterbenskranken Kinder Spuren und Erinnerungen hinterlassen, z.B. Hand- oder Fußabdrücke der kranken Kinder auf einer Wand im Eingangsbereich, Windräder im Garten mit Namen der verstorbenen Kinder oder ein Gedenkbuch, in dem die Eltern eine Seite über ihr verstorbenes Kind gestalten, sind nur einige Beispiele. Hinzu kommen regelmäßige Gedenkfeiern wie das Windradfest oder Gottesdienste.

Wünsche der Familien stehen im Vordergrund
Die Pflegemaßnahmen orientieren sich an den Gewohnheiten, Abläufen und Inhalten von zu Hause. Damit wird der Anspruch „ein zweites Zuhause auf Zeit“ direkt in die Praxis umgesetzt. Außerdem orientiert sich die Pflege an den Ressourcen des Kindes am Tag der Aufnahme im Kinderhospiz. Unheilbar und lebensbegrenzt erkrankt heißt, dass Kinder in „Balthasar“ zu Gast sind, die unterschiedlich mobil und fit sind. Das Spektrum reicht von Kindern, denen man die tödliche Erkrankung kaum ansieht bis zu schwerstpflegebedürftigen Kindern. Aufgrund des unterschiedlich schnellen Krankheitsverlaufes haben die Kinder oftmals deutlich an Fähigkeiten gegenüber dem letzten Aufenthalt verloren. Zusätzlich befinden sich alle Familienmitglieder im Trauerprozess und somit in entsprechend veränderten psychischen Verarbeitungsphasen. Was beim letzten Aufenthalt oder Kontakt wichtig war, ist bei einem nächsten Aufenthalt ganz anders. Deswegen sind ausführliche Gespräche mit den Familien am Anfang eines jeden Aufenthaltes besonders wichtig, damit Wünsche und Anregungen der Kinder und Eltern in die Planungen eingebunden werden können. Auch werden immer verschiedene Freizeitaktivitäten angeboten, wie z.B. eine Fahrt zum Panoramapark, Märchenwoche oder der Besuch von Klinkclowns in „Balthasar“. Dabei ist die Teilnahme selbstverständlich immer freiwillig.

Ausgebildetes Fachpersonal
Da die kranken Kinder und deren Versorgung der Schwerpunkt im Kinderhospiz sind, sind die meisten Mitarbeiter Fachkräfte aus der Kranken- und Kinderkrankenpflege. Einige davon haben weitere Zusatzausbildungen und Erfahrungen in Onkologie, Intensivmedizin, Häusliche Pflege oder Palliativpflege. Die Familienbegleiter(innen) sind ausgebildete Kindertrauerbegleiter(innen) und haben Zusatzausbildungen im Bereich Gesprächsführung und Geschwisterarbeit. Daneben sind Mitarbeiter im hauswirtschaftlichen Bereich und in der Verwaltung tätig, Zivildienstleistende und Praktikant(inn)en gehören ebenfalls zum Team. Wichtiger Bestandteil in der Kinderhospizarbeit sind ehrenamtliche Mitarbeiter(innen), die sich stunden- oder tageweise in der Begleitung und Betreuung der Geschwister, aber auch der kranken Kinder, einbringen.

Die Finanzierung Lediglich der Aufenthalt des kranken Kindes wird aus den Leistungen der Krankenkassen (Kurzzeitpflege) finanziert. Der Aufenthalt von Eltern und Geschwistern wird überwiegend aus freiwilligen Zuwendungen getragen. Somit müssen zwei Drittel der Ausgaben (also rund 700.000 Euro) über Spenden finanziert werden.

www.kinderhospiz-balthasar.de

Silke Bonzel-Friedrich ist verantwortlich für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Kinderhospiz Balthasar in Olpe.

No Comments

Sorry, the comment form is closed at this time.