fK 2/05 Apel

Zeitschrift frühe Kindheit – Archiv

Kinderfreundliche Stadtplanung

Beispiele partizipativer Planungsverfahren mit Kindern

von Peter Apel

„Beteiligen-Planen-Mitgestalten“, was Mitte der 1980er Jahre in Form einzelner Modellprojekte begann, hat sich mittlerweile als neues Handlungsfeld etabliert: Die kinderfreundliche Stadtplanung. Dabei geht es schon längst nicht mehr nur um die Verbesserung von pädagogischen Orten wie Spielplätzen und Schulhöfen. In vielen Kommunen ist Kinderfreundlichkeit ein Planungsziel und damit Gegenstand der Kernbereiche von Stadtplanung wie Flächennutzungsplanung, Bebauungsplanung, Verkehrsplanung, großräumiger Landschaftsplanung, Stadterneuerung und Stadtgestaltung. Entgegen allen Befürchtungen wurde aus einem vermuteten kurzlebigen modischen Planungstrend ein Dauerbrenner, der am Anfang seiner Verstetigung und strukturellen Verankerung im Planungshandeln steht.

Kinder als Planungspartner

Im Fokus kinderfreundlicher Planung steht die aktive Beteiligung von Kindern. Hierzu gibt es mittlerweile eine Vielzahl erprobter Methoden, die an den kulturellen Ausdrucksformen und der Gestaltungskompetenz der Kinder ansetzen. Ausgangspunkt sind immer die Lebenswelt und Alltagserfahrungen von Kindern. Kinder werden mit ihren Interessen und Wünschen ernst genommen, sie werden zu Partnern der Stadtplanung. Kinderbeteiligung ist ein kooperatives Planungsverfahren. Lokale pädagogische, soziale und kulturelle Einrichtungen, Jugendverbände und andere Organisationen werden in den Planungsprozess eingebunden.

Die Planungsbeteiligung geht weit über moderierte Konsensfindungen über Ziele und Inhalte von Planung hinaus: Kinder werden aktiv in die bauliche und künstlerische Gestaltung ihrer Freiräume einbezogen. Das wirkt natürlich auch zurück: Partizipation von Kindern stärkt ihre Gestaltungs- und Handlungskompetenz. Sie an gesellschaftlichen Entscheidungen zu beteiligen heißt, ihr Selbstbewusstsein und ihre Demokratiefähigkeit nachhaltig zu stärken. Entgegen der häufig geäußerten Vermutung, Kinder könnten nur an Planungen für ganz konkrete Orte wie Spielplätze oder Schulhöfe beteiligt werden, zeigen zahlreiche Praxisbeispiele, dass auch abstrakte Themenstellungen und groß dimensionierte Planungsräume mit Kindern entwickelt und gestaltet werden können – und zwar besser als ohne Kinder. Kinder reden in der Flächennutzungsplanung, in der Verkehrsentwicklungsplanung, der City-Entwicklung mit, ja sie werden sogar an dem Wiederaufbau von Bergbaufolgelandschaften beteiligt.

Kinderfreundliche Siedlungsplanung in der Internationale Bauausstellung

Der Trend kinderfreundlicher Planung wurde von der Internationalen Bauausstellung (IBA) bereits Anfang der 1990er Jahre aufgegriffen und auf ihre Siedlungsprojekte bezogen.

Die IBA-Internationale Bauausstellung Emscherpark hat von 1990 bis 2000 im nördlichen Ruhrgebiet stattgefunden. Sie hatte zum Ziel, mit städtebaulichen, kulturellen und sozialen Projekten sowie durch den Wiederaufbau altindustriell geprägter Landschaft den Strukturwandel des nördlichen Ruhrgebiets zu befördern. Ein Schwerpunkt waren innovative und beteiligungsorientierte Projekte des Wohnungsbaus.

Kinderfreundlichkeit sollte als ein Qualitätsmerkmal bei der Planung neuer Siedlungsprojekte berücksichtigt werden. Die Schwerpunktsetzung Siedlungsprojekte berücksichtigt die herausgehobene Bedeutung des Wohnumfeldes für Kinder. Wie auch Frauen verbringen sie die längste Zeit im Wohnumfeld und Quartier und sind, was ihre Entwicklung anbelangt, mehr noch als Erwachsene auf ein kindgerechtes Umfeld angewiesen. Kleinkinder machen im nahen Umfeld ihre ersten Spielerfahrungen und erobern sich stückweise, noch im Schonraum und in Ruf- und Sichtweise zu ihren Eltern, die Umwelt. Das Wohnumfeld ist ein wichtiger Sozialisationsort, der großen Einfluss auf die Herausbildung sozialer Kompetenzen von Kindern hat. Ein bespielbares und vor allem sicheres Umfeld hat eine große Entlastungsfunktion für Familien. Kinderfreundliche Strukturen beleben zudem das Erscheinungsbild einer Siedlung und tragen zu Nachbarschaftsbildung und Kommunikation bei.

Es reicht aber nicht aus, Kinderfreundlichkeit einfach nur zu fordern. Es muss deutlich und für Planer und Städtebauer kommunizierbar gemacht werden, was unter Kinderfreundlichkeit konkret zu verstehen ist. Hierzu entstand die IBA-Studie „Kinderfreundliche Siedlungsplanung“, ein Leitfaden und eine Praxisanleitung für kindgerechtes Planen und Bauen. Kinderfreundlichkeit in der Siedlungsplanung erschöpft sich demnach nicht in der Bereitstellung von schönen Spielplätzen. Es handelt sich vielmehr um einen integrativen und querschnittsorientierten Ansatz, der die Funkionszuweisung des Spiels auf pädagogische Orte aufhebt: Die ganze Siedlung soll für Kinder sicher erfahrbar und als Spiel-, Streif- und Aufenthaltsraum attraktiv gestaltet sein. In der Studie wird beschrieben, wie eine solche Siedlung aussieht. Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung des Wohnumfeldes ist eine sozialräumliche Typisierung einzelner Siedlungseinheiten. Zur Herausbildung von kleinen Quartieren innerhalb einer Siedlung bedarf es der städtebaulichen Herausbildung identifizierbarer kleinerer Siedlungseinheiten. Die Anordnung von Baukörpern soll Hofbereiche, Quartiers- und Siedlungsplätze vorstrukturieren.

Vom Spielplatz zur Spiellandschaft

Grundidee ist die Auflösung von isolierten Spielplätzen und die Aufwertung brach liegender Abstandsflächen. Es entstehen bewegte raumgreifende Landschaften die – attraktiv gestaltet – nicht nur Kindern Anreize bieten, sich draußen aufzuhalten, sich zu bewegen und andere zu treffen. Gefragt sind Räume unterschiedlicher Öffentlichkeitsgrade und Verfügbarkeiten. Vielfalt ist das Motto. In spannender und ablesbarer räumlicher Abfolge werden private und halböffentliche Bereiche ergänzt durch kleine Quartiersplätze, einen zentralen Siedlungsplatz. Die Konfiguration von Siedlungsstrukturen wird vom Freiraum aus gedacht. Ein städtebaulicher Entwurf, der die sozialen Qualitäten des Außenraumes als ein wichtiges Kriterium zu Grunde legt, erleichtert die weitere qualifizierende Ausdifferenzierung der Freiräume mit hohen sozialen Gebrauchswerten. Kinderfreundlichkeit ist auf allen Planungsebenen zu realisieren, vom städtebaulichen Entwurf über die Freiraumplanung bis hin zur Objektplanung. Gerade die sorgfältige Durchplanung auf der Ausführungsebene bestimmt in entscheidendem Maße die Qualität von Spiellandschaften. Ein kinderfreundliches Wohnumfeld hat einen hohen Aufforderungscharakter und ist eine bewusste Gegenwelt zur mediatisierten Freizeitgestaltung von Kindern. In einer solchen Siedlung verbringen Kinder ihre freie Zeit mit Freunden draußen vor der Tür.

Kriterien einer kinderfreundlichen Siedlung

Ablesbare Abfolgen von Nutzungsräumen:

  • Hauseingangsbereich
  • private Gärten in Zuordnung zu den Erdgeschosswohnungen
  • Mietergärten
  • Gärten für Kinder
  • Wohnhöfe
  • Quartiersplätze
  • zentraler Siedlungsplatz mit angrenzenden öffentlichen Nutzungen

Hauseingangsbereich:

  • Bildung von hausnahen Aufenthaltsräumen durch eine differenzierte Gestaltung der Baukörper
  • kleinteilige und individuelle Gestaltung
  • Abstellmöglichkeiten für Fahrräder und Kinderwagen
  • Sitzgelegenheiten vor der Tür
  • Vielfalt in der Materialgestaltung und Bepflanzung
  • überdachte Möglichkeiten zum Aufenthalt
  • weicher und offener Übergang zum halböffentlichen Raum

Spiellandschaften:

  • themenbezogene, voneinander unterscheidbare Spiellandschaften
  • modellierte raumbildende Hügellandschaften
  • Spielmöglichkeiten im Winter
  • spannungsreiche und miteinander verbundene Kombinationen aus Naturelementen und gebauten Spielobjekten
  • nutzungsoffene freie Flächen
  • integrierte Aufenthaltsbereiche für Erwachsene
  • Räume für Mädchen
  • Wasser als Spielelement in Form von Pumpen, Brunnen, Rigolen, Matschbereiche, Bachläufe
  • vielfältige Formen der Bepflanzung zur Herausbildung von Raumstrukturen und geheimen Orten

Bewegungsräume:

  • multifunktionale Bewegungsflächen am Rand der Siedlung: BMX-Parcour, Basketball, Beachvolleyball, Inlineskateranlagen
  • Wegebegleitende motorische Erfahrungsfelder

Naturerfahrung:

  • den Siedlungsraum durchdringende angrenzende Naturräume
  • Streuobstwiesen
  • Herausbildung von Regenversickerungsflächen als Spielelemente
  • Nährpflanzen für Insekten
  • Staudengärten, Insektengärten und Magerwiesen

Erschließung:

  • Autofreie Wohnstraßen
  • Verlagerung von Parkflächen an den Siedlungsrand
  • Vernetzung der Plätze und Spielräume durch ein Wegesystem
  • Sicherung der Übergänge zum Siedlungsaußenbereich
  • erlebnisreich gestaltete Wege
  • Gestaltung der Erschließungsstraßen als Spiel-, Aufenthalts- und Bewegungsräume

Kunst:

  • identifikationsfördernde Farbkonzepte der Gebäude
  • bespielbare Skulpturen im öffentlichen Raum
  • über Mitmachkunst hervorgebrachte, in Spiellandschaften und Plätze integrierte Skulpturen

Wohnfolgeeinrichtungen:

  • Spielwohnungen
  • Kindercafé
  • Fahrradreparaturwerkstätten

Prozessorientierung:

  • das Planungsverfahren als offene Projektwerkstatt
  • Verschränkung des Planungs- und Bauverfahrens mit Beteiligungsspiralen
  • Methodenvielfalt in der Beteiligung
  • Zielgruppenbezug und generationenübergreifende Beteiligungsansätze
  • planungsfreie Räume für eine nachgezogene Beteiligung
  • Kooperation mit lokalen Verbänden, Kinderbeauftragten, pädagogischen und kulturellen Einrichtungen

Innovation durch Partizipation

Kinderfreundlichkeit ist kein peripheres „weiches“ Kriterium einer Siedlung, das sich danach bemisst, wie schön und pädagogisch gelungen die Spielplätze gestaltet sind. Kinderfreundlichkeit ist vielmehr ein zentrales Merkmal für städtebauliche Qualität, die soziale Gebrauchswerte mit hohen Gestaltungsstandards verbindet. In einer Siedlung müssen sich die dort wohnenden Menschen wohl fühlen.

Wie lassen sich nun soziale Gebrauchswerte in den Siedlungsbau umsetzen? Wir gehen davon aus, wenn man die befragt, die ihn später auch nutzen werden. Während es im Bereich der Bestandsverbesserung erprobte Methoden und Verfahren gibt, ist die Beteiligung von Kindern an Projekten des Siedlungsbaus Neuland. Gleichwohl lassen sich die Methoden partizipativer Planung mit Kindern auch auf Siedlungsvorhaben übertragen. Im Rahmen der IBA hat es dazu einige wenige positive Beispiele gegeben.

Planen am Modell in Kamen Seseke-Aue

Eine besondere Beteiligungsaktion mit Kindern ist in Kamen Seseke-Aue durchgeführt worden. Der Verein „Aktion Kunst und Kultur mit Kindern“ (AKKI) wurde von der IBA beauftragt, stellvertretend mit Kindern aus Kamen ein Beteiligungsprojekt durchzuführen. Ca.130 Kinder beteiligten sich daran und brachten ihre Vorstellung einer kindgerechten Siedlung zum Ausdruck. Die Aktion sollte der Auftakt für weitere Beteiligungsphasen sein. Partizipation von Kindern heißt, an ihren Ausdrucksformen anzusetzen. Ein geeignetes Medium zur Abbildung von Kinderinteressen ist das Modell. Von der Puppenstube bis zur elektrischen Eisenbahn ist das Modell ein wichtiges Medium der spielerischen Aneignung der Welt. In der Gestaltung mit dreidimensionalen Wirklichkeiten und mit unterschiedlichen Materialien kommt die Gestaltungskraft, Kreativität und Fantasie von Kindern zur vollen Entfaltung. 16 Groß-Paletten Ziegelton, mehrere Wasserbassins mit 15 Kubikmetern Wasser, sechs große Werkzelte mit einer Fülle von Material und Werkzeugen bildeten die Infrastruktur der Aktion in Kamen.

Das begehbare Modell war vorstrukturiert in die Hauptbestandteile Quellgebiet, Flusslauf und ein Delta rund um ein großes Wasserbecken. Die Kinder holten sich im Planungszelt ihre Bauanträge zunächst für ihr eigenes Haus. Die Häuser wurden immer einfallsreicher: Erker, Balkone, Terrassen, verwinkelte Architekturen, Dachbegrünungen, Rutschen aus dem Kinderzimmer, Türmchen und Zinnen ergaben eine fantasievolle Architektur. Die Herausbildung von Nachbarschaft stand bei den Kindern im Vordergrund des „städtebaulichen Entwerfens“. Sie wollten möglichst nah bei ihren Freunden wohnen. Nach der Errichtung von Wohnungen kamen Geschäfte, eine Kirche, eine Post, eine Pommes-Bude und MC Donalds, ein Riesenhochhaus und ein Stadtwald dazu, also alles, was ein Stadtteil braucht. Spiel, Kunst, Natur und speziell Wasser bildeten die Grundelemente ergänzender Gestaltungen. Ein Museum wurde gebaut, das gar nicht wie ein Museum aussah, ein kleiner Tierpark mit Elefanten kam hinzu, dazu viele Bootsstege, Spielflächen, Liegewiesen und ein Freibad am und eine Erholungsinsel im Wasser. Spiellandschaften entstanden aus Bergen, Steinhügeln, Felsen, Torbögen, Ruinen mit Durchbrüchen und verschränkten Etagen. Am Wasser entstand ein riesiger Wasserspielplatz mit Fontänen, Kaskaden, Wassertempeln und Pyramiden – wunderbare Beispiele fantastischer Architektur. An mehreren Orten entstanden von Mädchen geplante Spielorte für Kleinkinder, umgeben von Grün und Schatten spendenden Bäumen. Auch Kindergemüsegärten fanden sich in dem Modell. Parallel zum Modellbau wurden funktionierende Wasserräder im Maßstab eins zu eins gebaut und ausprobiert. Zur Abschlusspräsentation stellten die Kinder den Gästen, darunter der Jugendamtsleiterin, dem Bürgermeister, dem Oberstadtdirekor und Vertretern der IBA Emscherpark, 200 Einzelbauwerke vor. Die Begeisterung seitens der Erwachsenen war groß. Die Entscheidungsträger verkündeten, dass die Kinder auch in den nächsten Planungsschritten beteiligt werden sollen.

Planungswerkstatt in der Siedlung Prosper III in Bottrop

Auch bei anderen Siedlungsprojekten wurden Kinder punktuell beteiligt. So beispielsweise in Bottrop in der Siedlung Prosper III. Die Kinder wurden unter Anleitung des Planungsbüros Stadt-Kinder im Rahmen einer einwöchigen Planungswerkstatt an der Planung des Spielplatzes beteiligt. In Modellen entwickelten Gruppen von Kindern ihre Vorstellungen und Ideen für die Gestaltung ihres Platzes. Besonders unterstützt wurden die Mädchen in der Darstellung und Artikulation ihrer Wünsche. Sie entwickelten viele Sitzbereiche, die auch den Menschen der gegenüberliegenden Wohnanlage als Aufenthaltsbereich dienen sollen. Die Jungen gestalteten mehr bewegungsintensive Spielelemente wie einen BMX-Parcours und eine Half-Pipe. Auch die Begrenzung durch einen Hang wurde von den Kindern in die Platzgestaltung mit einbezogen.

Sehr hilfreich war die aktive Teilnahme eines Mitarbeiters des mit der Umsetzung befassten städtischen Grünflächenamtes. In sehr kooperativer Weise hat der Grünflächenplaner die Realisierungschancen einzelner Ideen mit den Kindern und Jugendlichen diskutiert. So konnte den Jugendlichen vermittelt werden, das eine Halfe-Pipe in Nachbarschaft zu einer Altenwohnanlage zu unlösbaren Konflikten führen würde. Aus den vielen Vorschlägen der Kinder hat das Grünflächenamt ein Gesamtkonzept entwickelt, das nicht nur weitestgehend den Ideen der Kinder entspricht, sondern auch umgesetzt wurde.

Besonders hervorzuheben ist die Kooperation mit der kommunalen Kinderbeauftragten und vor allem mit einer sehr engagierten Vertreterin des Mieterbeirats, die sehr viel zum guten Gelingen des Projektes beigetragen hat. In die Planungswerkstatt integriert war der Bau einer Skulptur, eines schwarz-gelben „Prosper-Tiger“, eine Mitmachkunstaktion, bei der die Kinder mit Unterstützung von Künstlerinnen an der Gestaltung mitwirken konnten. Der Tiger war ein erstes Zeichen der Aneignung des Platzes, zukünftiger Spielplatzwächter und Platzhalter für die nachfolgende Umgestaltung.

Auch Pflanzen wurden gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen gesetzt. Während der Beteiligungsaktion wurde deutlich, das die Form der Straßenführung die Autofahrer zu sehr schnellem Fahren animiert, was sehr gefährlich wurde. In der Planung des Erschließungssystems wurden Geschwindigkeit reduzierende Einbauten schlichtweg vergessen.

Partizipation von Kindern als Ausdruck von Kundenorientierung

Wenn Kinderbeteiligung ernsthaft betrieben werden will, muss das partizipative Verfahren ein systematischer Bestandteil von Projekten sein. Beteiligungsverfahren müssen zum Bestandteil der Projektsteuerung selber werden. Grundvoraussetzung ist, das sie politisch gewollt sind. Hierzu bedarf es einer bewusst getroffenen Entscheidung auf der Geschäftsführungsebene seitens der Wohnungsgesellschaften, also der Institutionen, die eine große Entscheidungskompetenz hinsichtlich der baulichen Realisierung bündeln. Entscheidet sich eine Geschäftsführung bewusst für die Beteiligung von Kindern, werden Handlungshorizonte und Wege der Umsetzung leichter erschlossen, als wenn punktuell und situativ Einzelaktionen von Außen im laufenden Prozess an die Wohnungsgesellschaften herangetragen werden.

Die Beteiligung von Kindern bedeutet nicht nur eine Qualifizierung bewohnerorientierter Planungsansätze. Planungsmethodisch angelegt, kann sie zu besseren, kreativeren und an den tatsächlichen Wünschen der Nutzer orientierten baulich-gestalterischen Lösungen führen. Um nicht falsch verstanden zu werden: Partizipation führt nicht automatisch zu besseren Lösungen. Dazu bedarf es natürlich auch noch ambitionierter Planer und Architekten, welche die Ergebnisse von Beteiligung in anspruchsvolle Gestaltung umsetzen. Beteiligung kann die Sichtweisen von Planern erweitern, neue kreative Zugänge zu Problemlösungen erschließen und als Ideensteinbruch den Entwurfsprozess inspirieren. Kinderbeteiligung ist kein Kinderspiel. Zur Durchführung von Beteiligungsverfahren mit Kindern braucht man Professionalität und fachliche Kompetenz. Genauso wie bautechnische Gutachter als ergänzende Sachkompetenz mit einbezogen werden wird, muss partizipative Kompetenz dazu genommenen und auch entsprechend finanziert werden.

Partizipatives Handeln ist ein neuer Ausdruck von Kundenorientierung. Immer mehr Wohnungsgesellschaften nehmen diesen Trend auf und formen Kundenorientierung zu einer neuen Produktlinie. Dass sich dieser Trend durchsetzt, ist nur eine Frage der Zeit.

Peter Apel ist Stadtplaner und Leiter des Planungsbüros „Stadt-Kinder“ in Dortmund.

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